Jürgen H. Ruhr

Personen - Schutz


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seiner Geltungssucht leiten. Deshalb müsst ihr besonders dann wachsam sein, wenn eure zu schützende Person - wir nennen sie hier intern: ProP - mit der Menge oder Fangruppen zusammentrifft. Denn jeder in solch einer Gruppe, der unserer ProP nahe kommen kann, könnte auch ein Attentäter sein!“

      Ich warf eine Frage ein: „ProP? Sam, soll das für ‚Propeller‘ stehen, weil sich ja alles um diese Person dreht?“

      Sam lachte. „Nein, nicht ganz, Jonathan. ‚ProP‘ steht für ‚Protected Person‘. Dann gibt es noch ‚ProOb‘ für ‚Protected Object‘. Aber solche Feinheiten lernt ihr noch. Wir beschränken uns hier aber zunächst einmal auf die ‚ProPs‘. Immerhin ist es aber ein Unterschied, ob ich in einer Gefahrensituation schnell und für alle Beteiligten Angaben machen kann; so in der Art: ProP auf dem Weg ... Oder ob ich lange und umständlich versuche zu erklären, worum es geht. All diese Abkürzungen und Ausdrücke findet ihr in den Unterlagen, die ich euch gegeben habe. Aber worauf ich eigentlich hinauswollte: Wir werden jetzt einmal solch eine Situation durchspielen. Ich bin die ProP und ihr zwei habt die Aufgabe mich durch diese Halle hier zu begleiten. Links die Matten stellen die jubelnde Menge dar. Soviel Phantasie euch das vorzustellen habt ihr doch?“

      Christine und ich nickten. Na klar, da stand sie: die jubelnde Matten - Menge. Ein lustiger Gedanke ...

      Allzu lustig wurde die folgende Stunde allerdings nicht. Erst nach dem zwölften Versuch ließen wir uns von Sams unvorhersehbaren Aktivitäten nicht mehr täuschen. Allmählich spielte sich bei uns ein, immer auf beide Seiten zu achten: den Star und die Menge. Endlich zeigte Sam sich zufrieden und beendete das Training.

      „So, genug für heute. Geht duschen und Christine soll einige Sachen zum Anziehen und was sie sonst noch braucht, zuhause einpacken. Wir sehen uns heute Abend.“ Sam wandte sich ab, kehrte dann aber noch einmal zu uns zurück. „Ach, bevor ich es vergesse, Chrissi: Lass dir von Jennifer einen Schlüssel für mein Haus geben. Du kennst dich ja aus. Aber bitte, denkt beide daran, auf etwaige Verfolger zu achten, wenn ihr hin fahrt. Ich weiß, das hört sich paranoid an, aber ...“

      „Schon klar, Sam“, unterbrach ich ihn, „wir wissen Bescheid und werden entsprechend aufpassen.“

      Die Tage vergingen wie im Flug. Früh morgens übernahm unser Freund den Weckdienst und scheuchte uns zum Waldlauf aus den Betten. Danach folgten Lektionen in Theorie und Kampftechnik. Christine zeigte sich innerhalb kürzester Zeit in der Lage, die nächste Taekwondo - Prüfung zu absolvieren und auch ich machte gute Fortschritte. Dann überraschte Sam uns eines Tages mit einer Botschaft.

      Wir saßen gerade frisch geduscht in der Bibliothek und unterhielten uns leise; Sam ließ außergewöhnlich lange auf sich warten. Endlich aber gesellte er sich mit einem breiten Grinsen zu uns.

      „So, gute Nachrichten. Ich habe eben Informationen über die Praxisaufgabe erhalten. Also quasi euer Praktikum. Wie ihr euch ja sicherlich denken könnt, handelt es sich um eine Aufgabe im Personenschutz. Bernd hat gestern Nachmittag den Auftrag bekommen. Die ganze Sache hört sich interessant und relativ ungefährlich an. Allerdings handelt es sich nicht um einen Prominenten, sondern um einen holländischen Geschäftsmann. Eure Aufgabe ist es, die Person in Amsterdam abzuholen und nach Köln zu bringen. Eigentlich ganz einfach ...“

      Aha. Aus Sams Intonierung ließ sich allerdings leicht das ‚Aber‘ heraushören.

      „Und wo steckt der Haken bei der Sache?“, wollte Chrissi jetzt auch wissen.

      „Der Knackpunkt ist, dass es sich um einen Diamantenhändler handelt, der mit einem Koffer voller Steinchen sicher zu einem Kunden nach Köln gebracht werden muss. Der Kunde befindet sich im Hotel Casa Cologne. Ihr parkt in der hoteleigenen Tiefgarage und begleitet ProP bis in das Zimmer des Kunden. Geht der Verkauf problemlos über die Bühne, wird ProP euch entlassen und selbst nach Amsterdam zurückfahren. Sollte er auf seinen Steinchen sitzen bleiben, dann müsst ihr ihn auch noch zurückbegleiten.“

      Chrissi schüttelte fragend den Kopf. „Sam, etwas verstehe ich da nicht: Warum fährt dieser Kunde nicht selbst von Köln nach Amsterdam? Dann müssten die Diamanten nicht transportiert werden und die ganze Angelegenheit wäre doch viel einfacher und sicherer?“

      Sam nickte. „Ja, da hast du Recht. Das haben wir uns natürlich auch gefragt. Ehrlich gesagt, hatte Bernd den Händler auch schon darauf angesprochen. Die Antwort klang recht plausibel: Bei dem Kunden handelt es sich angeblich um irgendeine höher stehende Person aus einem arabischen Land. Der möchte schon am gleichen Abend vom Flughafen Köln - Bonn wieder zurückfliegen.“

      „Das klingt aber trotzdem ziemlich merkwürdig“, warf ich ein.

      „Ja“, gab Sam zu, „deswegen gilt auch erhöhte Alarmstufe. Bernd hat diesen Diamantenhändler überprüft, fand aber nichts Negatives. Natürlich klingt die Sache wie das klassische Szenario für einen Raub. Doch versicherte der Händler glaubhaft, dass außer ihm, dem Kunden und uns niemand etwas davon erfahren hat. Zur Sicherheit werde ich aber als unsichtbarer Dritter im Hintergrund bei euch sein. Wir bleiben über unsere Headsets in Verbindung.“

      Gut, mit Sam im Hintergrund fühlte ich mich schon gleich viel wohler. Und diese Headsets würden uns während der ganzen Aktion die Kommunikation erlauben. Bei den kleinen Geräten handelte es sich um so ziemlich das Neueste, was es zu kaufen gab. Man klemmte sich so ein kleines, kaum sichtbares Ding in das Ohr und schon konnte jeder in der Gruppe mithören und -sprechen.

      „Nähere Einzelheiten besprechen wir aber noch. Ebenso, welchen Wagen ihr nehmt. Der sollte einerseits nicht zu auffällig sein, andererseits aber auch sicher und gepanzert.“

      „Und wann geht‘s los?“, wollte Chrissi wissen.

      „In drei Tagen - am Donnerstag. Wir haben also noch genügend Zeit uns auf den Auftrag vorzubereiten.“

      IV.

      Die letzten beiden Tage vergingen mit den Vorbereitungen für unseren Auftrag. Sam nahm sich viel Zeit uns zu instruieren und eigentlich dürfte nichts schiefgehen. Während er uns Unterlagen hinschob, erläuterte der kleine Asiate noch einmal den Ablauf: „Ihr holt den Mann um neun Uhr in seinem Ladenlokal in Amsterdam ab. Die genaue Adresse bekommt ihr noch. Dann fahrt ihr auf direktem Weg nach Köln zum Casa Cologne. Das Hotel liegt ziemlich im Zentrum, in der Nähe des Bahnhofs. Der Termin dort ist um vierzehn Uhr. Ihr habt also genügend Zeit, in aller Ruhe von Amsterdam nach Köln zu kommen. Jonathan fährt und Christine, du steigst mit der 'ProP' hinten ein. Der Mann heißt übrigens Aaron Wenderlen.“

      „Wissen wir inzwischen etwas Genaueres über den Käufer?“, erkundigte sich Christine.

      „Nein, leider nicht. Wenderlen, der Händler, hat uns auf massive Nachfragen einen Namen genannt, der aber nicht zu überprüfen ist. Der Mann soll sich Ibn sal Abdar nennen. Jennifer hat die Computer heiß laufen lassen, konnte aber nichts herausfinden. Vermutlich ein erfundener Name.“

      Chrissi sah Sam nachdenklich an: „Das gefällt mir ganz und gar nicht. Wenn die ganze Sache sauber ist, fresse ich einen Besen!“

      „Und ich einen Schrubber“, fügte Sam hinzu, „entweder soll das wirklich ein Raubüberfall oder etwas Ähnliches werden, oder dieser Abdar versucht Schwarzgeld unterzubringen. Aber es nützt nichts, im Vorfeld zu viel zu spekulieren. Ihr zieht beide schusssichere Westen an. Und sorgt dafür, dass eure Waffen in Ordnung sind. Außerdem werde ich immer in eurer Nähe sein und euch notfalls Rückendeckung geben.“

      „Warum übernehmen wir überhaupt den Job?“, wollte ich wissen. Solche ungewissen Aufträge konnten mir den ganzen Tag versauen.

      „Gute Frage, Jonathan. Da Bernd ja im Garten eine Schonung mit Geldbäumchen hat ... Aber Spaß beiseite: Natürlich müssen auch wir etwas Geld verdienen. Außerdem kann es zu Problemen führen, einen Auftrag ohne wirklich triftige Gründe abzusagen. So etwas spricht sich in der Branche herum. Dann dauert es nicht lange und du bekommst gar keine Aufträge mehr. Und wo könnte man nun wirklich konkret Einwände gegen den Auftrag anbringen?“

      „Apropos