August Schleicher

Litauische Märchen, Sprichworte, Rätsel und Lieder


Скачать книгу

und

       ließen ihn umbringen.

       Vom alten Schimmel, dem Wolfe und dem

       Bären.

       Es war einmal ein Mann, der hatte ein Pferd, und wie

       das Pferd alt geworden war, da konnte er es nicht

       mehr brauchen. Da ließ er ihm einen stählernen Hufbeschlag

       machen, führte es in den Wald und ließ es

       laufen: ›Jetzt suche dir selbst dein Futter!‹ Der

       Schimmel gieng seines Weges und traf im Walde

       einen Bären, der sagte zu ihm ›Na wie, Gevatter, bist

       du noch stark?‹ Der antwortete ›O ja freilich.‹ Der

       Bär sagte sodann ›Wenn ich einen Stein nehme und

       drücke, da kommt immer der Saft heraus.‹ Aber der

       Schimmel sagte ›Wenn ich mit meinen Zehen über

       einen Stein streiche, da kommt immer das Feuer heraus.‹

       Jetzt ward es dem Bären bange, denn er dachte,

       jener sei doch stärker als er. Da lief er von ihm weg

       und traf einen Wolf und sagte zu ihm ›Wie, Gevatter,

       bist du noch stark?‹ Der Wolf antwortete ›O ja freilich.‹

       Da sagte der Bär ›Ich bin stark, du bist stark,

       aber dort auf jener Wiese ist einer, der ist stark! wenn

       der mit seinen Zehen über einen Stein streicht, da

       kommt das Feuer heraus.‹ Da wollte der Wolf den

       doch auch sehen und der Bär führte ihn hin. Der

       Schimmel weidete hinter einer Anhöhe auf einer

       Wiese und der Bär konnte ihn sehen, der Wolf aber

       nicht. Da hob der Bär den Wolf in die Höhe, damit

       auch er den Starken sehen könne, und beim Heben

       drückte er ihn so sehr, daß der Wolf das Gesicht verzog.

       Da sagte der Bär ›O du Kröte! hast ihn noch

       nicht gesehen und verziehst schon das Gesicht‹1, und

       schleuderte ihn auf die Erde, daß er mitten enzwei

       barst.

       Fußnoten

       1 fürchtest dich schon.

       Vom Däumling.

       Es waren einmal zwei Leute, ein Mann und eine Frau,

       die hatten keine Kinder, waren aber reich. Mit der

       Zeit bekamen sie einen Knaben, der war nur daumenslang.

       Als eines Morgens seine Mutter dem Vater

       das Frühstück bringen wollte, da bat er, sie solle es

       ihn tragen laßen; aber die Mutter sagte ›Was wirst du

       tragen, du kleiner Wicht!‹ Er ließ aber nicht nach, bis

       sies ihn tragen ließ. Als er das Frühstück seinem

       Vater hin getragen, bat er den Vater, er möge ihn

       pflügen laßen; aber der Vater sagte ›Was wirst du

       pflügen? laß bleiben!‹ Der Junge sagte ›Ich werde in

       des Ochsen Ohr kriechen.‹ Und er kroch hinein und

       pflügte. Da kam ein Herr gefahren, der sagte ›Aber,

       Mensch, gehen denn deine Ochsen so ohne Pflüger?‹

       Der Mann erwiderte ›Mein Sohn pflügt; er sitzt in

       eines Ochsen Ohre.‹ Der Herr sagte ›Verkauf du mir

       deinen Sohn!‹ Aber der Mensch wollte nicht. Da

       sagte sein Sohn ›Aber, Väterchen, verkauf du mich

       nur; bedeckt er mich mit Geld, so kann er mich nehmen.‹

       Der Herr dachte ›Ich werfe einen Silbergroschen

       auf ihn.‹ Aber er warf einen Sack voll Geld auf

       ihn, der Bursche war immer oben auf; er warf einen

       zweiten Sack voll auf ihn und er war noch oben auf,

       bis er ihn endlich mit einem Thaler zudeckte. Da

       nahm ihn der Herr mit sich nach Hause. Eines Abends

       sagte der Junge zum Herren ›Ich will in den Stall

       gehen und bei den Ochsen schlafen, damit sie niemand

       stehle.‹ Und der Herr ließ ihn dahin. Er gieng in

       den Stall und hockte sich in eines Ochsen Ohr. Die

       Nacht kamen drei Diebe, um Ochsen zu stehlen; da

       sagte er in dem Ohre sitzend ›Die da sind die besten

       Ochsen; ich bin auch ein Dieb, wie ihr drei, laßt uns

       Kameraden sein!‹ Wie sie nun aufs Feld heraus

       kamen und die Ochsen schlachteten, sprachen sie

       unter sich ›Wer von uns wird gehen die Därme ausspülen?‹

       Da sagte der Junge ›Ich bin der Jüngste, ich

       bin der Flinkste, ich will gehen.‹ Die Diebe meinten,

       er sei wirklich auch ein Dieb, denn es war finster und

       sie konnten nichts sehen, und sagten ›Gut, spüle du!‹

       Er trug die Därme ans Waßer, und wie er spülte, fieng

       er an fürchterlich zu schreien ›Ach, bester Herr, ich

       hab nicht allein gestohlen; dort braten noch drei Männer

       das Fleisch am Feuer.‹ Wie sie dies vernahmen,

       fiengen sie sämmtlich an zu laufen; denn sie dachten,

       der Besitzer habe den Burschen erwischt und prügle

       ihn, und ließen das Fleisch auf dem Felde im Stiche.

       Da lief der Junge nach Hause zu seinem Vater und erzählte

       ihm die Sache. Schnell spannte der Vater die

       Pferde an, fuhr hin und holte sich das Fleisch. Nun

       hatte er seinen Sohn wieder und so viel Geld und

       Fleisch noch dazu.

       Vom Fuchse.

       Es gieng einmal ein Mensch durch einen Wald und er

       ward müde und legte sich nieder. Da kam ein Fuchs

       herbei gelaufen und sprach ›Mensch, steh auf, jetzt

       hätte dich der Wolf beinahe erwürgt.‹ Der Mensch

       stand auf und schaute sich um: kein Wolf war da. Der

       Fuchs aber sagte ›Mensch, was wirst du mir dafür

       jetzt geben, daß ich dich vom Wolfe errettet habe?‹

       Da dachte der Mensch darüber nach, was er ihm wol

       geben könne, aber der Fuchs sagte sofort ›So gib mir

       ein Paar Hünchen dafür, daß ich dich vom Wolfe errettet

       habe.‹ Da geht der Mensch nach Hause, nimmt

       einen Sack, steckt ein Paar bunte Hündchen hinein

       und geht wieder in den Wald. Der Fuchs kam ihm der

       Hünchen wegen schon entgegen gelaufen und sagte

       ›Weis her!‹ Jener macht den Sack auf und läßt die

       Hunde heraus. Der Fuchs erschrak über die Hündchen

       und lief nach seinem Loche, und die beiden Hündchen

       setzten ihm