Zsóka Schwab

Die Brücke aus Glas


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Die Menschen sollen über euch lachen.“

      „Aber nur in ausgesuchten privaten Kreisen.“

      „Hör ihn dir an, wie er sich ziert.“

      Melanie, ihres Zeichens Vizepräsidentin der Theater-AG, verdrehte die Augen. Zoé musterte uns ernst, zuerst Thorsten, dann auch mich. Sie seufzte.

      „Wenn ihr wirklich nicht wollt, müsst ihr natürlich nicht. Ich dachte nur, es wäre ein nettes Projekt, und wir haben schon letztes Jahr nichts gemacht … aber dann werde ich mir eben etwas anderes ausdenken.“

      Damit hatte sie gewonnen. Bei mir sowieso und bei Thorsten auch, weil der noch wegen des Bikinifotos Gewissensbisse hatte.

      „Also schön“, stöhnte er schicksalsergeben. „Meinetwegen. Gabe?“

      „Ich bin auch einverstanden.“

      Zoés und Melanies Gesichter erhellten sich wie zwei aufgehende Sonnen.

      „Ehrlich? Oh, das ist so klasse von euch!“

      Waren sie einen Augenblick zuvor noch genervt und enttäuscht, führten sie jetzt sogar einen kleinen Freudentanz auf, wenn auch nur im Sitzen. Thorsten und ich tauschten einen resignierenden Blick – und freuten uns insgeheim doch, weil wir die beiden so glücklich gemacht hatten.

      Dann jedoch verdüsterte sich Thorstens Miene.

      „Ach du Scheiße! Bitte nicht …“

      Überrascht folgte ich seinem Blick – und erkannte den Grund für seinen Unmut.

      „Was guckt ihr denn da?“ Zoé und Melanie drehten sich auf ihren Stühlen um.

      „Ist da jemand Besonderes?“

      Thorsten knirschte mit den Zähnen.

      „Nur meine Nachbarin …“

      Zoé lächelte erfreut. „Ach, meinst du diese Jana, die eure Halloween-Party aufgemischt hat? Dann geht sie also doch hier auf die Uni!“

      Thorstens Zähneknirschen wurde so laut, dass ich begann, mir ernste Sorgen um seinen Zahnschmelz zu machen. Auch Melanie machte ein Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen. „Das war echt ’ne krasse Aktion.“

      „Aber wo ist sie denn?“ Zoé spähte suchend über den großen und ziemlich menschenvollen Speisesaal.

      „Wir könnten sie fragen, ob sie bei unserem Stück mitmacht.“

      „Was?“, riefen Thorsten, Melanie und ich wie aus einem Mund.

      „Nein!“, stellte mein Kumpel kategorisch klar. „Wenn die mitmacht, steige ich aus.“ Eine zusammengeknüllte Serviette traf seinen Arm. „Hey! Was soll das?“

      Zoé funkelte ihn böse an.

      „Sei nicht so gemein, Stocki! Überleg lieber mal: Das Ganze wäre viel besser und professioneller, wenn jemand euch musikalisch begleiten würde. Bei Tom und Jerry wäre der Entertainer am Anfang ideal. Und wenn Jana so viele Preise gewonnen hat, könnte sie zwischendurch bestimmt auch ein bisschen improvisieren. Das wäre superlustig!“

      Abwägendes Schweigen folgte. Thorsten kratzte sich über den Dreitagebart.

      „Sie würde sowieso nicht mitmachen, Zoé.“

      „Dann macht es dir ja nichts aus, wenn ich sie frage, oder?“

      Er zuckte abweisend mit den Schultern.

      „Tu, was du nicht lassen kannst. Aber ich sage dir jetzt schon, die lässt dich abblitzen.“

      Zoé wandte sie sich an Melanie und mich. „Ihr zwei habt doch sicher auch nichts dagegen, oder?“

      Wir brummten einvernehmlich ein paar unartikulierte Laute, die meine Schwester frei als Zustimmung deutete. Sie bat mich, ihr zu zeigen, wer genau in der sitzenden, schmatzenden, schwatzenden und Essenstablett umhertragenden Menschenmenge Jana war.

      Ein wenig widerwillig deutete ich in Richtung Kasse, wo Jana gerade ihr Mittagessen bezahlt hatte. Jetzt stand sie etwas verloren da und blickte ratlos um sich. Wie ich sie einschätzte, hätte sie sich am liebsten alleine an einen Tisch gesetzt. Da aber jeder Tisch von mindestens zwei Personen besetzt war, steckte sie in der Klemme.

      Zoé wiederum schätzte ich ganz klar so ein, dass sie Jana ohne Zögern an unseren Tisch einladen würde. Also stellte ich mich schon mal darauf ein, dass gleich irgendetwas Unangenehmes passieren würde.

      Ich hatte ja keine Ahnung …

      „Ah, ich glaube, ich sehe sie“, freute sich Zoé. Dann änderte sich ihr Gesichtsausdruck. Sie runzelte die Brauen. „Wie, sagtet ihr, hieß sie noch mal mit Nachnamen?“

      „Bergmann“, brummte Thorsten. „Jana. Maria. Bergmann.“

      Meine Schwester legte den Kopf schief wie eine Meise.

      „Hm …“

      „Wieso ist das wichtig?“, fragte Melanie, doch da war Zoé schon aufgestanden und schlenderte mit ihrem federnden Gang direkt auf Jana zu. Keiner von uns ließ sie aus den Augen. Ich erinnere mich, dass ich mich noch wunderte, weshalb wir alle so unter Strom standen …

      Dann passierte es: Urplötzlich hallte lautes Geschepper durch den Saal.

      Alle Gespräche verstummten. Hunderte Gesichter drehten sich. Als jemand voller Panik „Ist das Blut?“ schrie, war ich bereits aufgesprungen.

      Als ich bei Zoé und Jana ankam, waren sie schon dabei, die Scherben einzusammeln, die in einem Radius von gut drei Metern um sie herum verstreut lagen.

      „Was ist passiert?“, stieß ich aus.

      „Nichts. Ich habe Jana erschreckt, und da ist ihr das Tablett aus der Hand gerutscht. Es war meine Schuld.“

      Als ich den betont weichen Klang in Zoés Stimme bemerkte, sprangen meine Augen zu Jana. Deren Gesicht war so puterrot, dass ich den Blick instinktiv wieder abwandte.

      „Lasst die Finger von den Scherben, ich bitte jemanden von der Reinigung, das wegzumachen. Hat sich jemand von euch geschnitten?“ Beide verneinten.

      „Falls du auf das Blut anspielst, das liegt dort drüben.“

      Zoé zeigte auf einen dicken Spritzer Ketschup auf dem schwarzweiß karierten Fliesenboden.

      „Alles klar bei euch?“, mischte sich nun auch Thorsten in unsere Runde.

      Jana blickte erschrocken auf – und wurde, falls überhaupt möglich, noch röter. Ehe jemand etwas sagen konnte, wurden wir von einem jungen Mann mit weißer Schürze und Wischmopp aus der Gefahrenzone gescheucht. Wahrscheinlich hatte die Kassiererin dem Reinigungsteam Bescheid gesagt.

      Ohne weitere Absprache eskortierten wir Jana wie selbstverständlich zu unserem Cliquenstammtisch in der hinteren Ecke des Saals. Währenddessen redete Zoé die ganze Zeit beruhigend auf sie ein, als wäre sie ein verwundetes Tier:

      „Komm, jetzt setzen wir uns erst mal und erholen uns von dem Schreck. Hast du sehr großen Hunger? Wir können dir bestimmt noch etwas organisieren … ist schon ärgerlich, so etwas passiert immer dann, wenn man es am wenigsten gebrauchen kann. Neulich stand ich auch an dieser Kasse, und da hat mich der Typ hinter mir so angerempelt, dass ich mein ganzes Mittagessen fallen ließ.“

      „Da ist aber nichts kaputt gegangen …“, murmelte Thorsten, ehe Zoés böser Blick ihn zum Schweigen brachte.

      „Nein, kaputt gegangen ist nichts. Aber auch nur deshalb, weil die Sachen, die ich fallen lasse, nie besonders tief fallen.“

      Während sie so weiterplauderte, beobachtete ich Jana aus den Augenwinkeln. Sie wirkte immer noch ein wenig benommen: Ständig strich sie sich eine schwarze Strähne hinter das Ohr, die ihr dann doch wieder in die Stirn fiel. Die Röte ihrer Wangen war allerdings einer Blässe gewichen, die ihr, wie ich widerwillig zugeben musste, ziemlich gut stand.

      Sie