N.K. Wulf

Spur der Vergangenheit


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Übliche?“

      „Nicht ganz. Die Sache ist diesmal persönlich, deshalb will ich, dass du ein Auge auf die Angelegenheit hast.“

      „Wer?“

      „Keine Sorge. Du bekommst noch früh genug alle Informationen, die du benötigst.“

      „In Ordnung.“

      „Noch etwas. Beim geringsten Zweifel …“

      „Keine Zeugen. Schon kapiert.“

      „Gut. Ich sehe, ich kann mich auf dich verlassen.“ Wieder beendete er das Gespräch und nippte vergnügt an seinem Kaffee. Bald würde nichts und niemand mehr zwischen ihm und seinem Glück stehen. Bei dem Gedanken daran vollführte sein Herz Freudensprünge. Diesmal nahm er sein persönliches Handy zur Hand. Nur wenige Ausgewählte kannten diese Nummer und sie war eine davon. Schon nach wenigen Sekunden hörte er ihre vertraute Stimme und musste lächeln.

      „Guten Morgen, Liebes. Wie war die Fahrt?“

       Montag, 30. April, 10 Uhr 42

      „So geht das nicht weiter, Tom. Du musst dich entscheiden.“ Verbittert saß Tom auf der Couch seiner Nachbarin und blickte auf seine zusammengefalteten Hände. Bereits zum wiederholten Male hatte sich seine Großmutter aus der gemeinsamen Wohnung geschlichen und war desorientiert im Viertel herum gelaufen. Granny, wie er sie liebevoll nannte, litt an Demenz und es wurde schlimmer. Er konnte nur von Glück sagen, dass Gerda sie erneut aufgegriffen hatte und auch diesmal nichts weiter passiert war.

      „Ich weiß. Aber was soll ich denn machen? Ich bringe es einfach nicht übers Herz, sie in ein Heim abzuschieben. Und ein privater Pflegedienst. Wie soll ich das bezahlen? Ich bin nur Kellner und wir kommen gerade so über die Runden.“

      „Tom. Mit Abschieben hat das rein gar nichts zu tun.“

      „Wer soll abgeschoben werden? Oh. Entschuldige, Gerda. Ich wusste nicht, dass du Besuch hast.“ Eine kleine, sehr warmherzig wirkende Dame stand in der Tür zum Wohnzimmer und blickte irritiert drein.

      „Vielleicht könntet ihr dieses Thema etwas diskreter führen, verdammt noch mal“, meldete sich nun auch Kurt, Gerdas Mann, zu Wort, der sich die ganze Zeit über hinter einer Bildzeitung am Esszimmertisch vergraben hatte. Genervt faltete er diese zusammen, ging zu Granny hinüber und legte den Arm um ihre schmalen Schultern.

      „Hier wird niemand abgeschoben, Hetti. Und wir beide gehen jetzt in die Küche und kochen uns eine schöne Tasse Tee. Hast du noch etwas von deiner köstlichen Mischung?“

      „Ich weiß nicht. Vielleicht?“

      „Wir schauen einfach mal nach. Einverstanden?“ Erbost blickte Kurt noch einmal zurück und verließ mit Granny das Wohnzimmer. Gerda ignorierte ihren Mann und nahm Toms linke Hand in die ihre. Ihm war übel, denn dass seine Großmutter ihn wieder nicht als ihren Enkel erkannt hatte, hatte ihm einen tiefen Stoß in die Magengrube versetzt. Er würde sich wohl nie daran gewöhnen.

      „Es gibt immer Möglichkeiten und wir helfen dir dabei, etwas Geeignetes zu finden.“

      „Ich weiß nicht.“

      „Was ist, wenn sie beim nächsten Mal vor ein Auto läuft oder sich im Wald verläuft? Willst du das?“

      „Nein.“

      „Es wird zu gefährlich und wir können nicht immer auf sie aufpassen, wenn du arbeitest.“

      „Ich weiß.“

      „Heute Nachmittag gehen wir beide zu eurem Hausarzt. Er wird sicherlich eine Lösung für dich haben. Ich habe bereits einen Termin gemacht.“

      Entgeistert schaute er auf. „Was? Warum denn so schnell?“, schnaubte Tom verächtlich.

      „Auf was willst du warten? Muss erst etwas passieren?“

      „Tut mir leid. Du hast ja recht. Ich fühle mich nur einfach nicht wohl bei dem Gedanken. Sie ist alles, was ich noch habe, und war immer für mich da. Und jetzt müsste ich doch für sie da sein, oder?“

      „Das bist du doch auch. Du kannst sie jeden Tag besuchen.“ Gerda verzog ihre Lippen zu einem Lächeln. „Der Termin ist um 16.30 Uhr. Bitte sei pünktlich.“

      „Na schön. Aber vorher muss ich noch mal ins Café. Würdest du …?“

      „Geh schon. Hetti bleibt erst mal hier.“

      „Danke. Ihr habt wirklich was gut bei mir.“

      Drei

       Dienstag, 01. Mai, 16 Uhr 24

      „Ein Cappuccino mit extra viel Sahne für die Dame.“

      In seiner unnachahmlich charmanten Art servierte Tom das Heißgetränk und lächelte verlegen. Normalerweise hatte er mit dem weiblichen Geschlecht keinerlei Probleme. Er kam im Allgemeinen gut bei ihnen an. Was nicht zuletzt ein Grund dafür war, dass sein Chef immer wieder ein Auge bei ihm zudrückte. Aber bei diesem engelsgleichen Wesen schien er auf Granit zu beißen.

      In regelmäßigen Abständen tauchte sie auf, setzte sich, wenn möglich, immer an den gleichen Tisch, trank etwas und verschwand wieder, ohne großes Aufsehen zu erregen. Ihm war sie allerdings ganz und gar nicht entgangen. Das Dumme war nur, dass er für sie leider nur aus Luft zu bestehen schien. Tom räusperte sich und sie schlug die Augen auf und musterte ihn kritisch.

      „Ich habe noch gar nicht bestellt.“

      „Ich kann mir die Bestellungen unserer Stammgäste ziemlich gut merken.“ Tom legte die Hände übereinander und neigte den Kopf. „Du bist mir hier schon öfter aufgefallen.“

      Ihre Haltung hatte sich kaum verändert und sie beäugte ihn immer noch skeptisch. Schließlich zuckte sie mit den Schultern. „Ist ein netter Laden. Ideal zum Nachdenken.“

      „Und worüber zerbricht sich eine so schöne Frau wie du den Kopf?“

      Sie stieß den Atem aus. „Was bin ich für den Cappuccino schuldig?“

      „Na wunderbar, Herr Jäger. Verkackt auf ganzer Linie.“ „Entschuldigung. Ich wollte nicht unhöflich sein.“ Unsicher umklammerte er sein Tablett. „Ich dachte einfach nur ...“

      „Du kannst also auch denken?“ Jetzt war sie es, die ihn anlächelte.

      „Na ja. Mein Mundwerk arbeitet oft schneller, als gut für mich ist. Also sorry noch mal.“

      „Schon in Ordnung.“ Sie griff in ihre Tasche und zog ein braunes Lederetui hervor. Tom winkte ab. „Geht aufs Haus. Quasi als kleine Wiedergutmachung.“

      „Nun, dann vielen Dank.“ Eigentlich hätte sie liebend gern auf eine weitere Unterhaltung verzichtet, aber sie brachte es nicht übers Herz, ihn einfach so stehen zu lassen. „Hör mal, ich will jetzt nicht unhöflich sein, aber wahrscheinlich bin ich im Augenblick mit Abstand der schlechteste Gesprächspartner, den du dir vorstellen kannst. Vielleicht probierst du es bei den Mädels da drüben, okay?“ Sie verzog noch einmal ihre Mundwinkel und Tom hatte verstanden.

      „Vielleicht beim nächsten Mal.“ „Gott, du bist so ein Hornochse.

      Enttäuscht über den Verlauf seines Auftrittes wandte er sich ab und ging schnurstracks zurück zum Tresen. Lisa, eine Kollegin, trocknete gerade ein Glas ab und begegnete seinem geknickten Blick.

      „Ist wohl nicht so gut gelaufen?“

      Tom lehnte mit dem Rücken an der Bar und konnte seine Augen nach wie vor nicht von ihr lassen. „Die Frau ist wie ein Eisklotz.“

      „Nee, mein Lieber, ganz und gar nicht. Chris ist in Ordnung. Sie hat nur eine Menge durchgemacht.“

      „Chris …“, flüsterte er, drehte sich um und stützte sein Kinn auf den Ellbogen ab. „Wie kommt es, dass du sie