Marianne Christmann

Doppeltes Spiel


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konnte. Daher versuchten alle, sich mit ihm gut zu stellen, denn jeder hatte früher oder später einmal ein Anliegen, dass er etwas untersuchen sollte.

      Auch Julia hatte ihm schon einige Male ein paar Proben zum Untersuchen gebracht. Sie hatten sich ein wenig unterhalten und sich gegenseitig sympathisch gefunden.

      Julia mochte ihn, weil er ein umfangreiches Wissen hatte und auch sonst zurückhaltend und nicht so aufdringlich war, wie manch anderer Kollege.

      Sie hatte einmal mit Verena darüber gesprochen.

      „Er ist unaufdringlich und nett, man kann sich gut mit ihm unterhalten. Das kann ich so ungezwungen mit den meisten Männern nicht.“

      „Vielleicht ist er ja schwul“, hatte Verena gemeint.

      „Wie kommst du denn darauf?“

      „Ich für mein Teil komme am besten mit schwulen Männern zurecht. Die wollen nichts von mir, baggern mich nicht ständig an. Und sie verstehen die Situation.“

      „Hm … vielleicht hast du Recht. Vielleicht stellt es sich früher oder später heraus, dass es so ist.“

      Julia hielt die Augen offen und beobachtete Florian aufmerksam, wenn sie ihm Proben zum Untersuchen brachte. Sie konnte aber nicht den kleinsten Hinweis darauf entdecken, dass er schwul sein könnte.

      Auch er hielt sein Privatleben unter Verschluss. Sie verstand sich weiterhin gut mit ihm und sie trafen sich oft in der Kantine zu einem Schwatz.

      Natürlich blieb das den Kollegen nicht verborgen und entsprechend wurde gelästert.

      „Pumuckl und Fridge“, sagte einer, „was findet sie bloß an dem?“

      „Sie unterhalten sich doch nur“, meinte Renate, die ebenfalls in der Forensik arbeitete.

      „Worüber denn? Der kennt doch nur seine forensischen Untersuchungen.“

      „Ach, und Sie kennen mehr, Dr. Vollmer?“, fragte sie scherzend, aber mit einem ernsten Unterton.

      „Die Diskussion ist mir zu dumm“, antwortete Vollmer leicht pikiert und marschierte davon.

      Kapitel 15

      „Da will Sie jemand wegen des Mordfalls sprechen, Frau Sommer“, sagte Bernd Hübner vom Einbruchsdezernat, „eine Journalistin.“

      Caro stöhnte. Die Presse zu diesem Zeitpunkt hatte ihr gerade noch gefehlt.

      „Schicken Sie sie herein“, sagte sie dann.

      Hübner trat einen Schritt zur Seite und ließ die Frau vorbei. Dann schloss er die Tür hinter ihr.

      „Hallo Caro, wie geht es dir?“

      „Verena, was machst du denn hier?“

      „Ich möchte etwas über den Mordfall wissen. Mein Chef hat mir die Berichterstattung übertragen.“

      „Das ist ja toll. Ich dachte schon, es käme so eine aufdringliche Person von einem Klatschblatt vorbei und will uns mit Fragen löchern. Es freut mich, dass du es bist.“

      Die beiden umarmten sich. Dann bot ihr Caro einen Stuhl an.

      „Das ist mein Kollege, Kevin Reichel“, stellte sie den jungen Mann vor, der die Szene interessiert beobachtet hatte.

      „Hallo“, sagte er und hob lässig die Hand zum Gruß.

      „Hallo“, antwortete Verena und setzte sich.

      „Also, dann schieß mal los. Was willst du wissen?“

      „Wisst ihr schon, wer den Mord begangen hat? Und warum? Wann war der genaue Todeszeitpunkt? Welche Erkenntnisse habt ihr schon?“

      „Bisher haben wir noch nicht allzu viel, eigentlich fast gar nichts. Was wir definitiv wissen ist, dass der Fundort auch der Tatort ist und dass er mit einem einzigen Stich ins Herz getötet wurde, der sofort zum Tod geführt hat.“

      Verena machte sich eifrig Notizen.

      „Wann wurde die Tat verübt?“

      „Laut der Pathologie geschah der Mord zwischen Mitternacht und zwei Uhr morgens. Das ist aber auch schon alles. Mehr kann ich dir nicht sagen.“

      „Was ist mit der Tatwaffe? Die wurde doch nicht am Tatort gefunden, oder?“

      „Nein, wurde sie nicht. Wir nehmen an, dass der Mörder sie wieder mitgenommen hat. Wir haben jedenfalls nichts gefunden.“

      „War es ein normales Küchenmesser?“

      „Soweit sind wir noch nicht. Ich will auch nicht, dass diese spezielle Einzelheit in der Zeitung steht. Wir sind uns darüber auch noch nicht im Klaren. Julia meinte, inoffiziell natürlich, dass es sich um ein Skalpell handeln könnte.“

      „Wieso das?“

      „Weil der Täter nur einen einzigen Stich benötigte und offenbar ganz genau wusste, wo er diesen ansetzen musste. Die Wunde ist scharf und glatt, deshalb die Annahme, es könnte ein Skalpell sein. Aber das mit der Tatwaffe bleibt unter uns, Verena. Ich verlasse mich darauf.“

      „Natürlich, Caro. Ich schreibe nur ‚mit einem scharfen Gegenstand‘, das kann alles Mögliche sein.“

      „Danke für dein Verständnis. Wir wollen noch nicht zu viele Einzelheiten verraten, obwohl wir ja eigentlich noch fast gar nichts haben.“

      „Trotzdem vielen Dank. Hältst du mich auf dem laufenden, wenn es Neuigkeiten gibt?“

      „Klar. Du erfährst es als Erste.“

      „Danke für deine Zeit. Ich fahre jetzt nach Hause und schreibe den Artikel.“

      Verena stand auf, umarmte Caro und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Sie nickte Kevin zu, sagte dann ‚tschüss‘ und verließ das Büro.

      Kevin sah ihr nach, dann wandte er sich an seine Chefin.

      „Kanntest du diese Journalistin? Du bist doch sonst nicht so auskunftsfreudig. Wenn jetzt morgen eine Menge Unsinn in der Zeitung steht, was dann?“

      „Das wird es nicht. Verena schreibt für den Badischen Kurier, das ist eine seriöse Zeitung, kein Klatschblatt.“

      „Du kennst diese Verena Schneider?“, ließ er nicht locker.

      „Ja.“

      „Sehr gut offenbar, wenn ihr euch zur Begrüßung umarmt.“

      „Wenn du wissen willst, woher ich Verena kenne, dann frag doch direkt und nicht auf diesem Umweg.“

      Caro schaute ihn herausfordernd an.

      „Woher kennst du Verena Schneider?“

      „Eigentlich geht dich das gar nichts an. Aber da wir bei diesem Mordfall wahrscheinlich noch öfter mit ihr zu tun haben werden, werde ich dir deine Frage beantworten. Verena ist meine Schwägerin.“

      Kevin fiel die Kinnlade herunter.

      „Deine Schwägerin? Aber ich dachte, die Frau deines Bruders heißt Nadine und ist Tierärztin?“

      „Das hast du sehr gut behalten, Kevin. Verena ist nicht die Frau meines Bruders. Sie ist die Frau meiner Schwester.“

      Gespannt blickte Caro ihren jungen Kollegen an.

      „Was? Deiner Schwester? Aber dann … dann … ist deine Schwester …“

      „Lesbisch, ja. Verena und Julia sind schon lange ein Paar, sie haben sogar eine eingetragene Lebenspartnerschaft. Hast du damit ein Problem?“

      „Äh, nein … eigentlich nicht. Ich kenne nur niemanden, der homosexuell ist.“

      „Das, was ich dir eben gesagt habe, bleibt aber unter uns, Kevin. Julia und Verena wollen selbst entscheiden, wer davon erfährt und wer nicht. Im Grunde hätte