Marianne Christmann

Doppeltes Spiel


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      So erhielt Julia einen Vertrag. Am Anfang war sie die Assistentin des Pathologen, aber das machte ihr nichts aus, denn dieses Stadium mussten alle durchlaufen.

      Julia und Verena brachen ihre Zelte in Ulm ab. Sie taten es mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Sie hatten sich in der Stadt zu Hause und geborgen gefühlt und waren nun ein wenig traurig, sie verlassen zu müssen. Andererseits freuten sie sich auf die neue Herausforderung, denn sie kannten Freiburg bereits und es gefiel ihnen sehr gut.

      Verena hatte sich in Freiburg bei einer renommierten Zeitung beworben und die Stelle mit Unterstützung ihres Chefs, der sie wärmstens empfohlen hatte, auch bekommen. So brauchten sie nur noch eine Bleibe.

      Doch die beiden hatten Glück. Kurz zuvor war Verenas Großtante gestorben und hatte ihr Häuschen, wie sie es nannte, ihrer Lieblingsnichte hinterlassen, da sie selbst keine näheren Verwandte mehr hatte.

      Verena war vollkommen überrascht gewesen, denn so gut wiederum hatte sie die Tante nicht gekannt.

      „Tante Amalie war schon immer etwas spleenig“, erklärte sie Julia, „aber sie hat klar und deutlich in ihrem Testament geschrieben, dass ich ihr Häuschen bekommen soll. Sie wusste, dass Harald und Marco in einer separaten Wohnung in meinem Elternhaus leben und Volker und seine Frau beruflich in Norddeutschland sind, wo sie wahrscheinlich auch bleiben werden. Also blieb nur ich übrig. Das ist doch toll, damit sind unsere Wohnungsprobleme gelöst, zumal es noch am Stadtrand von Freiburg liegt.“

      Verena und Julia fuhren hin, um sich ihr neues Domizil anzusehen. Das ‚Häuschen‘ entpuppte sich als stattliches zweistöckiges Gebäude, das fast wie eine Villa aussah und von einem ebenso großen Garten umschlossen wurde.

      „Das ist ja ein Riesending“, entfuhr es Julia, als sie vor dem Haus standen, „können wir uns das überhaupt leisten?“

      Es stellte sich heraus, dass Tante Amalie wohl doch nicht ganz so spleenig gewesen war, wie alle immer angenommen hatten, sondern einen ausgezeichneten Geschäftssinn besaß. Denn die Grundsteuer und alle Kosten, die mit dem Haus zusammenhingen, waren bereits für zehn Jahre im Voraus bezahlt worden. Außerdem hatte Amalie noch ein Sonderkonto angelegt, von dem eventuelle Reparaturen und künftige Ausgaben bezahlt werden konnten. Alles in allem ein riesiger Betrag.

      Es war auch alles bereits soweit geregelt, dass Verena und Julia nur zu unterschreiben brauchten und dann Eigentümerinnen eines eigenen Heims waren.

      „Jetzt können wir in unseren neuen Lebensabschnitt starten“, jubelte Verena und klatschte begeistert in die Hände.

      „So ist es, ich bin froh, dass deine Tante so vorausschauend war“, bemerkte Julia, die sich ebenfalls sehr freute.

      Mit Hilfe ihrer Eltern renovierten sie das Haus und machten es einzugsbereit.

      Kapitel 13

      Verena Schneider saß an ihrem Schreibtisch in der Redaktion und stöhnte. In einer halben Stunde war Redaktionsschluss und sie hatte ihren Artikel noch nicht ganz fertig. Sie beeilte sich, um den letzten Absatz noch fertigzustellen.

      Endlich hatte sie es geschafft. Es waren sogar noch zehn Minuten übrig. Seufzend und erleichtert drückte Verena die ‚Senden‘-Taste, die den Bericht an die zuständige Stelle übermittelte.

      Jetzt hatte sie sich ihren Feierabend redlich verdient. Sie kramte in ihrer Tasche gerade nach ihrem Autoschlüssel, als sich die Tür öffnete und ihr Chef hereinkam.

      „Haben Sie den Artikel noch fertigbekommen, Frau Schneider?“, fragte er.

      Verena nickte.

      „Sehr gut“, lobte ihr Chef.

      Rolf Neumann war Anfang sechzig und leitender Chefredakteur der Badischen Rundschau, die etwa zehntausend Leser hatte.

      „Haben Sie Neuigkeiten über den Mordfall?“, wollte er wissen.

      Verena verneinte.

      „Nur das, was wir heute schon berichtet haben.“

      „Dann kümmern Sie sich darum, dass Sie weitere Einzelheiten erfahren. Ich übertrage Ihnen die Berichterstattung.“

      „Und meine andere Arbeit?“, fragte Verena und deutete auf ihren Schreibtisch, auf dem einige Aktenordner lagen.

      „Geben Sie das Lothar Hauser, das kann er bearbeiten. Sie kümmern sich um den Mordfall.“

      „Okay.“

      „Warten Sie … hier habe ich den Namen des zuständigen Kommissariats.“

      Er fischte einen Zettel aus seiner Tasche.

      „Wenden Sie sich an Kriminalhauptkommissarin Carolin Sommer, die bearbeitet den Fall.“

      „Was … Caro?“, entfuhr es Verena.

      „Sie kennen die Dame?“, fragte ihr Chef und sah sie neugierig an.

      „Ja, sie ist die Schwester meiner Fr … einer Freundin“, erwiderte Verena und wurde rot.

      „Aber das ist ja ausgezeichnet“, freute sich Neumann, „dann kommen Sie ja leichter an die Informationen. Aber denken Sie daran, nur seriöse Berichterstattung. Wir gehören nicht zur Klatschpresse und das soll auch so bleiben.“

      Mit diesen Worten verließ Rolf Neumann den Raum.

      Verena verließ die Redaktion und ging zu ihrem Auto. Unterwegs dachte sie über das eben geführte Gespräch nach. Sie freute sich, dass Neumann ihr so viel Vertrauen entgegenbrachte und ihr die Berichterstattung übertrug. Aber beinahe hätte sie sich verplappert und ‚die Schwester meiner Frau‘ gesagt. Sie hatte gerade noch rechtzeitig die Kurve gekriegt. Ob ihr Chef etwas bemerkt hatte? Wohl eher nicht, das ging auch niemanden etwas an. Sie startete den Motor und schlug den Weg zum Kommissariat ein.

      Kapitel 14

      Mit Beginn ihrer beruflichen Laufbahn merkte Julia sehr schnell, dass auch die Gerichtsmedizin eine Domäne war, in der, damals zumindest, überwiegend Männer arbeiteten, die eine Frau, zumal noch eine Anfängerin wie Julia, mit Misstrauen, Skepsis und vor allem mit Herablassung betrachteten.

      Zu Anfang bekam sie nur die niedrigen Arbeiten zugeteilt, wie z.B. Vorbereitung für eine Obduktion, saubermachen des Raumes nach einer Obduktion, Abheften der Berichte etc.

      Nach einiger Zeit frustrierte sie das und sie bestand darauf, anspruchsvollere Arbeiten zu bekommen, z.B. bei einer Obduktion assistieren zu dürfen, was jedoch von ihrem unmittelbaren Vorgesetzten, dem Chefpathologen, zunächst abgelehnt wurde, mit der lapidaren Begründung, sie sei noch nicht so weit.

      Als Anfängerin musste sie sich gegen ihre meist männlichen Kollegen behaupten und durchsetzen. Aber Julia war zäh und blieb am Ball, überzeugte durch Wissen und Kompetenz. Sie konnte sehr gewinnend sein, sich aber auch wehren.

      Langsam gewann sie an Ansehen und wurde mit Respekt behandelt und schließlich wurde ihr erlaubt, an einer Obduktion teilzunehmen.

      Mit ihren Kollegen und Vorgesetzten kam sie gut aus, blieb aber dennoch distanziert.

      Natürlich wurde sie anfangs auch nach ihrer privaten Situation gefragt, nicht direkt, aber doch schon ziemlich deutlich, aber sie wich diesen Fragen immer geschickt aus und antwortete freundlich aber bestimmt. So wusste niemand etwas über ihr Privatleben.

      Einige Kollegen spekulierten darüber ob sie wohl verheiratet sei. Keiner wusste genaueres.

      „Ich denke, sie ist verheiratet, denn sie trägt einen Ring am rechten Ringfinger“, meinte Florian Läufer aus der Forensik.

      „Das ist mir noch gar nicht aufgefallen“, ließ sich nun ein anderer Kollege hören.

      „Warum ist das so wichtig?“, fragte Florian.

      Er