Minuten eintreffen.
„Hätten Sie Lust, mit mir aufs Meer zu fahren, sagen wir übermorgen Vormittag?“ Guy sah Claudine an und erhoffte sich eine positive Antwort.
„Wenn ich Ihnen keine Unannehmlichkeiten mache, dann sehr gerne. Ich liebe das Wasser.“
„Dann nehmen Sie sich ihren Badeanzug mit, und seien Sie um neun Uhr vor dem Hotel. Ich hole Sie ab.“
Guy war hocherfreut, den Montag mit dieser Frau zu verbringen. Marie-Julie würde ja doch wieder in die Boutique fahren, wie an jedem Werktag, und er könnte mit Claudine einen schönen Vormittag verbringen.
Marcel brachte ihm das Dessert und den Espresso. Nachdem er fertig war, stand er auf und verabschiedete sich von seiner unerwarteten Bekanntschaft. Die Rechnung brauchte er nicht zu begleichen, das machte er einmal im Monat.
„Bis übermorgen dann, und seien Sie pünktlich!“ Damit verabschiedete sich Guy von Claudine, winkte Marcel kurz zu, als dieser aus dem Lokal kam, und fuhr vergnügt zurück nach Loctudy.
Marie-Julie hatte, wie jeden Tag, in der Boutique gearbeitet und war etwas früher als gewöhnlich nach Hause gefahren. Als sie in Loctudy eintraf und das Haus leer fand, ging sie in den Garten, zum Arbeitsplatz ihres Mannes unter der großen Kastanie. Aber auch da konnte sie ihn nicht finden. Sie trat an seinen Arbeitstisch und sah dort sein Fernglas liegen.
Sie war es gewohnt, hinter ihm herzuräumen. Ständig ließ er seine Sachen liegen. Marie-Julie nahm das Fernglas und wollte gerade damit ins Haus gehen, als ihr einfiel, dass es ja Samstag war, und dass Guy dann bei Marcel seine Austern zu essen pflegte.
Sie nahm das Fernglas vom Tisch und sah über die Bucht hinweg auf die Terrasse von Marcel. Marie-Julie entdeckte ihren Mann sofort, aber an seinem Tisch saß noch eine hübsche junge Frau. Seltsam, dachte sie sich, er ist doch sonst alleine am Tisch. Nur hin und wieder setzte sich Marcel zu ihm, und sie plauderten über ihre Jugendzeit.
Marie-Julie betrachtete die Frau genau und versuchte, sich ihr Gesicht einzuprägen. Sie hatte diese Frau noch nie gesehen, da war sie sich sicher. Weder in Loctudy, noch in der Boutique in Quimper. Sie beließ es dabei und ging ins Haus. Es dauerte über eine Stunde, bis Guy nach Hause kam und Marie-Julie mit einem Kuss begrüßte.
„Wie war dein Tag?“, fragte er sie und lächelte sie an.
„Viviane hat uns ihr libanesisches Dessert mitgebracht und eine Flasche Cidre. Sie hat heute Geburtstag, und den haben wir ein wenig gefeiert. Ansonsten hat es keine Besonderheiten gegeben. Und was hast du gemacht?“
„Ich habe an meinem neuen Roman gearbeitet, fast den ganzen Tag. Ich bin auch sehr gut vorangekommen, so dass ich morgen und übermorgen eine kleine Pause einlege und vielleicht am Montag zum Fischen fahre. Dann bin ich bei Marcel gewesen und habe meine Austern gegessen.“
„Hast du dich mit jemanden getroffen?“, fragte Marie-Julie.
Guy war etwas erstaunt über die Frage, antwortete aber sofort:
„Nein, wie kommst du darauf? Ich habe wie immer allein bei Marcel gegessen und bin nach dem Essen nach Hause gekommen. Ich habe mich nicht einmal mit ihm unterhalten können. Sein Kellner ist erkrankt und er hat alle Hände voll zu tun gehabt.“
„Ich habe nur gedacht, weil du etwas später als sonst nach Hause gekommen bist. Ich mache mir jetzt schnell etwas zu essen, dann können wir noch ein Glas Rosé im Garten trinken.“
„Gute Idee!“, meinte Guy und ging schon in den Garten und befreite die Gartenstühle von dem Staub der Kastanienblüten.
Nachdem er sich in seinen Stuhl gesetzt hatte kam ihm diese Frau wieder in den Sinn. Er wusste nicht was ihm an ihr gefiel, aber er fühlte sich sehr stark zu ihr hingezogen. Marie-Julie durfte nichts davon erfahren, er wollte ihr auf keinen Fall wehtun. Aber diese Frau einfach vergessen, das konnte er auch nicht.
Als sein Handy klingelte sah er, dass es Martine war, und er nahm das Gespräch an.
„Guten Abend, mein Kind, wie geht es dir? Mama macht sich gerade etwas zu essen, und ich sitze bereits im Garten. Wir wollen noch ein Glas trinken. Das Wetter ist so ausgesprochen schön.“
„Hast du übermorgen Zeit für mich? Ich brauche deine Hilfe, ich muss einen kleinen Schrank zusammenbauen.“
„Klar kann ich dir helfen, Martine, aber ich kann erst am späteren Nachmittag vorbeikommen. Ich habe übermorgen früh noch einen Termin.“
„Schade, morgens wäre es mir lieber gewesen. Aber dann bis Montagnachmittag.“
Damit war das Gespräch beendet, und Guy legte sein Telefon wieder auf den Tisch.
Marie-Julie war mit einem unguten Gefühl in die Küche gegangen. Warum hatte Guy sie angelogen? Sie hatte doch die junge Frau gesehen.
Als Marie-Julie in den Garten kam fragte sie ihn, mit wem er telefoniert hatte. Als er den Namen ihrer Tochter nannte fiel ihr ein, dass sie unbedingt noch mit Martine sprechen musste. Sie brauchte noch etwas für die Boutique, und Martine könnte ihr es übermorgen mitbringen.
Martine half ihrer Mutter in der Boutique, wenn sie Zeit hatte. Sie betrieb ein eigenes kleines Unternehmen in der Umgebung von Quimper, in dem sie Dekorationsartikel für die Auslagen der Geschäfte herstellte. Das Geschäft lief ganz gut, und sie beschäftigte vier Frauen, die ihr bei der Arbeit halfen. So war es selbstverständlich, dass Martine die Schaufenster der Boutique Plus Value regelmäßig neu dekorierte.
Marie-Julie setzte sich zu ihrem Mann, und er füllte die Gläser mit gut gekühltem Rosé.
Für einen kurzen Augenblick dachte sie noch an die Frau, die ihr am Tisch von Guy aufgefallen war und an seine Aussage, dass er alleine am Tisch gesessen hatte. Vielleicht war die Frau ja auch erst an den Tisch gekommen, als Guy sich schon auf den Weg machen wollte. Sie dachte nicht weiter darüber nach.
Marie-Julie nahm das Handy von Guy, das vor ihr auf dem Tisch lag und rief Martine an.
„Du hast ja nichts dagegen, wenn ich kurz dein Handy nehme?“
„Natürlich nicht!“
Marie-Julie wählte die Nummer von Martine und brachte ihr Anliegen vor.
„Kein Problem, ich bringe dir die kleinen Silberkugeln am Montag mit. Eigentlich wollte ich ja Montagmorgen meinen neuen Schrank aufbauen, aber Papa hat erst am Nachmittag Zeit. Er hat noch einen Termin am Vormittag.“
Marie-Julie ging nicht weiter darauf ein, bedankte sich bei Martine und legte auf.
Hatte Guy nicht gesagt, dass er zum Fischen gehen wollte? Das Fischen konnte er ja auch verschieben. Wieso sagte er Martine, dass er einen Termin hatte? Marie-Julie fiel die Frau erneut ein.
Sie nahm ihr Glas Wein in die Hand und wollte nicht weiter darüber nachdenken. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Guy ein Verhältnis mit einer anderen Frau hatte. Sie genossen den Wein und gingen dann zu Bett.
Kapitel 2
André Salaun stieg aus dem kleinen Lieferwagen, der zum Fuhrpark seiner Firma gehörte und ging geradewegs in sein Büro, das er sich neben dem Schuppen, in dem die Austern verpackt wurden, eingerichtet hatte. Er hatte soeben einen Auftrag von 450 Kisten Austern erhalten, ein sehr lukrativer Abschluss. Er schaltete seinen Computer ein und sah, dass er Bestellungen von insgesamt 230 Kisten für die nächsten Wochen hatte. Mit den 450 von heute würde er mindestens 680 Kisten Austern brauchen. Der Computer zeigte ihm auf, dass sein Bestand noch gerade für etwa 300 Kisten reichte.
André Salaun griff zum Telefon und wählte eine Nummer in Brest.
„Rostropovich“, meldete sich eine markante, männliche Stimme mit starkem, ausländischem Akzent.
„Salaun hier, Ivan, ich brauche bis morgen Abend 400 Kisten Austern, kannst du liefern?“
„Ivan kann immer liefern. Du brauchen etwa 250 Säcke. Groß,