er sich dem Parkplatz von Guilvit näherte sah er bereits den großen Kühllaster von Rostropovich auf dem Platz stehen. Rostropovich hatte die hintere Hebebühne heruntergelassen und die Türen geöffnet. Salaun fuhr mit seinem LKW zu dem Lastwagen, wendete seinen Wagen und fuhr rückwärts an das Fahrzeug seines Lieferanten heran. Rostropovich wies ihn mit Handzeichen ein, so dass sein Lastwagen unmittelbar vor der Hebebühne zum Stehen kam.
André Salaun stieg aus und begrüßte seinen Lieferanten.
„Bonjour Ivan, wie geht es dir?“
„Immer gut, mein Freund, immer gut.“
Dann ließ auch André seine Hebebühne herab, bis sie auf der anderen auflag. Er stieg hinauf und schob die Rolltür seines LKW hoch. Auf diese Art und Weise konnten sie mit dem Hubwagen die Austernpaletten über die so entstandene Verbindung fahren. Schon nach einer viertel Stunde war alles erledigt, und Salaun konnte sich auf den Weg nach Riec-sur-Belon machen.
Als Guy de Moros an diesem Montagmorgen aufstand, war er in allerbester Laune. Marie-Julie war leicht irritiert, sie kannte ihren Morgenmuffel und hatte ihn, in den letzten dreißig Jahren, nur sehr selten und schon gar nicht am frühen Morgen, in einer solchen Stimmung erlebt.
„Das Fischen scheint dir eine große Vorfreute zu bereiten“, meinte sie, als er in die Küche kam und sich an den Frühstückstisch setzte.
„Jawohl, meine Liebe. Ich freue mich schon seit Tagen darauf.“
„Du kannst doch jederzeit zum Fischen hinausfahren. Ich habe eher den Eindruck, dass es dir in den letzten Jahren nicht mehr so zugesagt hat.“
„Ich muss einfach eine kleine Pause beim Schreiben einlegen, und da ist das Fischen genau die richtige Ablenkung. Wann kommst du heute zurück von der Boutique?“
Guy sah seine Frau an, die sich eine zweite Tasse Kaffee bereitete.
„Komische Frage! So wie immer, ich schätze, dass ich so gegen 20 Uhr wieder zurück bin, wie an jedem Tag.“
„Ich möchte nur rechtzeitig zuhause sein und dich nicht mit dem Aperitif warten lassen, so wie vorgestern.“
Guy sah seine Frau liebevoll an und versuchte unauffällig zu wirken. Nach dem kurzen Frühstück machten sie sich beide fertig. Marie-Julie stieg in ihre A Klasse und machte sich auf den Weg nach Quimper, und Guy holte seine Angel aus der Garage und brachte sie zum Boot. Er konnte seine Frau noch sehen und winkte ihr nach, als sie das Grundstück verließ.
Dann ging er wieder zum Haus zurück, sah auf seine Uhr und stellte fest, dass es an der Zeit war, ins Hotel Domaine du Dourdy zu fahren und Claudine Lebrun abzuholen.
Als Guy de Moros vor dem Hotel eintraf, stand Claudine bereits auf der Treppe des Hotels und wartete auf ihn. Guy hielt an und öffnete die Wagentür, ohne auszusteigen.
„Steigen Sie ein!“, rief er Claudine entgegen.
„Guten Morgen, Monsieur de Moros, Sie scheinen bester Laune zu sein.“ Claudine Lebrun sah ihn mit einem bezaubernden Lächeln an und bestieg den offenen Sportwagen. Nobel, nobel dachte sie sich, als sie in den Mercedes SLK einstieg.
Die Fahrt bis zu seinem Haus dauerte nur wenige Minuten. Sie stiegen aus, und Guy de Moros führte seine neue Bekanntschaft, die mit einer Jeans und einer weißen Bluse bekleidet war, zu seinem Boot an der Anlegestelle unterhalb seines Grundstückes.
„Wir müssen uns beeilen, das Wasser ist bereits auf dem Weg zurück. In einer halben Stunde sind wir hier auf dem Trockenen.“
„Ich vergesse immer, dass man sich nach den Gezeiten richten muss, wenn man aufs Meer hinausfahren will“, antwortete Claudine.
„Wir müssen für den Rückweg auch wieder auf die Flut warten, ich habe ausgerechnet, dass wir so gegen 15 Uhr wieder zurück sein werden.“ Guy war inzwischen auf sein Boot gestiegen und reichte Claudine die Hand.
„Wow, was für ein tolles Boot!“ Claudine war tief beeindruckt von der Yacht, die Guy de Moros hier liegen hatte.
„Es ist ein schönes Schiff, da stimme ich Ihnen zu. Es ist eine Azimut 40, die ich gebraucht gekauft habe.“
„Das sieht man dem Schiff nicht an, es sieht aus, als ob es gerade erst aus der Werft gekommen wäre. So ein Schiff kostet bestimmt ein Vermögen?“
„Nun, geschenkt bekommt man es nicht. Der Preis ist in der Tat etwas erhöht.“ Guy beließ es bei dieser Bemerkung und machte das Boot startklar. Er nahm die Achterleine und streifte sie über den Poller, ging dann an den Bug und nahm die Bugleine vom Poller. Das Boot wurde vom Wasser leicht bewegt. Guy startete den Motor, und die Yacht fuhr rückwärts, von der Anlegestelle hinaus, aufs offene Meer. Als sie das tiefere Wasser erreicht hatten, schaltete er auf vorwärts, gab Gas und steuerte in einem großen Bogen aufs offene Meer hinaus.
Marie-Julie war bereits einige Kilometer gefahren, als ihr einfiel, dass sie ihre Handtasche vergessen hatte. Sie wendete und fuhr sofort zurück. Als sie eintraf, stand die Garage offen, und der SLK von Guy war weg.
Seltsam, dachte sie, er wollte doch zum Fischen. Sie betrat das Haus und holte ihre Handtasche aus dem Schlafzimmer. Beim Verlassen des Hauses warf sie einen kurzen Blick in den Garten, hinab zur Anlegestelle. Die Motoryacht von Guy lag noch immer dort.
„Er wird mal wieder vergessen haben, sich einige Köder zu besorgen“, dachte sie, als sie erneut nach Quimper fuhr. Kurz vor der Rue Camélias kam ihr auf der Gegenfahrbahn ein Mercedes SLK entgegen. Sie konnte nicht genau sehen, wer sich in dem Wagen befand, erkannte aber, neben dem Fahrer eine Frau. War das das Auto ihres Mannes? Aber eine Frau auf dem Beifahrersitz, das war doch eher unwahrscheinlich. Sie beschloss, dass es Guy nicht gewesen sein konnte, fuhr weiter nach Quimper und dachte nicht mehr darüber nach.
Als André Salaun in Riec-sur-Belon eintraf, stellte er seinen LKW vor der Halle mit dem Wasserbecken ab. Er ließ die Hubplattform herunter und öffnete das Rolltor am Wagen. Aus der Garage holte er sich seinen Hubwagen und fuhr auf die Plattform. Das Entladen der Austern würde ihn höchstens zwanzig Minuten lang beschäftigen. Das Einbringen der Säcke in das Bassin würde auch nicht mehr Zeit beanspruchen. Er hatte sich über dem Bassin eine elektrische Hebevorrichtung anbringen lassen, mit der er bis zu fünfhundert Kilo anheben konnte. Damit war es einfach, die Austern ins Wasser zu bringen. Er musste jetzt nicht erst Sack für Sack hineinheben, er konnte immer gleich eine ganze Palette hineinbefördern. Er schob die Krangabel unter die Palette und befestigte die Kette der Hebevorrichtung daran. Dann hob er die Palette an, beförderte sie und ließ sie in das Becken gleiten. Nach einer guten halben Stunde waren die Austern alle im Becken. Wenn er den Tidekalender richtig im Kopf hatte, dann würde er in drei Tagen die Austern in den Belon bringen können. Die Auslieferung an seinen Kunden sollte in der übernächsten Woche stattfinden.
Als André ins Haus kam, rief er nach Patricia. Da sie ihm nicht antwortete, nahm er an, dass sie noch einkaufen gegangen war. Er ging in die Küche und holte sich eine Baguette aus dem Brotschrank, schnitt ein großes Stück davon ab, legte sich einige Scheiben Käse und Schinken darauf und begann zu essen.
Kapitel 3
Claudine genoss die Fahrt aufs Meer hinaus. Der starke Wind wehte ihre langen, braunen Haare nach hinten und trieb ihr Tränen in die Augen. Dennoch blieb sie hier im Fahrtwind stehen und sah auf die langsamen Segelyachten, an der die schnelle Motoryacht vorbeifuhr. Nachdem sie ungefähr eine viertel Stunde lang im Wind gestanden hatte stieg sie zu Guy hinauf. Der Führerstand war durch eine Scheibe geschützt, hier stand man deutlich wärmer.
„Wo fahren wir denn hin?“, fragte Claudine Lebrun.
„Wir sind gerade dabei, an Guilvinec vorbeizufahren und werden in Kürze Penmarch erreichen.“
„Für mich sind das alles Spanische Dörfer. Ich weiß nicht einmal, wo Guilvinec überhaupt liegt, geschweige denn Penmarch.“
„Wir