schon zum Verkauf geeignet sein.“
„Ich liefern Montagnachmittag, Treffpunkt wie immer. Bis dann.“ Ivan legte auf, und André Salaun war hoch zufrieden. Die Austern von Ivan erhielt er mindestens 50% unter seinem Verkaufspreis. Ivan hatte die deutlich billigeren Austern, von der nördlichen Atlantikküste der Bretagne. Er aber verkaufte nur die besten Austern der Region, die Austern vom Belon.
Die Belon Austern wurden zu einem ganz anderen Preis von den Restaurantbetrieben bei ihm gekauft. Die huître plate, eine verhältnismäßig seltene und teure Spezialität, von Kennern gesucht und geschätzt, lieferte er genauso wie die sogenannten Pazifischen Felsenaustern.
Die huître plate wird, so gut wie immer, roh konsumiert. Da die Belon-Austern für ihr leicht nussiges Aroma berühmt sind und bei den Verbrauchern gut ankommen, sind sie auch gerne bereit gut dafür zu bezahlen.
Salaun war stolz darauf, dass seine Austernzucht zu einer der berühmtesten Austernzüchtereien der Bretagne gehörte.
Nur hier am Fluss Belon, südöstlich der Stadt Pont-Aven, genauer gesagt, in Riec-sur-Belon, mussten die Austern gewachsen sein, um diese Bezeichnung führen zu dürfen.
Aber die vier Kilometer von Riec-sur-Belon bis zur Mündung des Belon ins Meer reichen nicht aus, um die Nachfrage zu befriedigen. Daher haben die wenigen Züchter, die hier ihre Austern auf den sogenannten Tischen züchten, zu einem kleinen Kunstgriff gegriffen und sich darauf spezialisiert, die Austern aus den anderen bretonischen Gewässern zu veredeln. Die Austern werden dazu mit etwa drei Jahren angeliefert und dürfen dann hier reifen. Die Mischung aus Salz- und Süßwasser, die Ebbe und Flut hier regelmäßig vermengen und vermischen, verleiht den Austern ihren ganz speziellen Geschmack. Hier erhalten sie diesen Haselnussgeschmack, der bei den Kennern so geschätzt ist.
André Salaun besaß einen Abschnitt von etwas mehr als 400 Metern unten am Fluss. Wie auch die anderen Züchter, betrieb er die sogenannte Tischkultivierung, die nur an flachen Küsten und mit einer ausreichenden Gezeitenzone möglich war. Eisentische, in einer Höhe von etwa 50 cm, wurden im Flussbett aufgestellt. Auf diesen lagen dann die grobmaschigen Säcke, in denen die Austern heranwuchsen. Bei Flut wurden die Austern vom Wasser bedeckt und bei Ebbe lagen sie im Trockenen. Die Aufzucht auf Tischen verhinderte, dass die Austern einen schlammigen Geschmack annahmen und schützte die Tiere vor bodenlebenden Räubern. Die Säcke mussten in regelmäßigen Abständen gerüttelt und gewendet werden, damit die Austern nicht zusammenwuchsen. Auch der Algenbewuchs musste regelmäßig entfernt werden. Durch die ständige Pflege erhielten die Austern eine gut aussehende Schale. Bei Ebbe konnte man die Arbeiten trockenen Fußes erledigen.
Für die Austernzucht wurden große Flächen benötigt, und der Arbeitsaufwand war enorm. Dieser Aufwand musste bezahlt werden, was die Austern entsprechend verteuerte.
Bei Salaun mussten die Austern manchmal schneller reifen. Wenn er Engpässe hatte, wie zur Zeit gerade, dann blieben die Austern, die Ivan ihm lieferte, eben nur wenige Tage in dem Belon. Es war ihm durchaus bewusst, dass sie ihren besonderen Geschmack nicht so schnell annehmen konnten, wie es bei den Austern der Fall war, die ein ganzes Jahr lang im Fluss zubringen konnten. Aber da er diese Austern ins Landesinnere verkaufen würde kam es ihm nicht so darauf an. Er setzte darauf, dass die kleineren Restaurants sich nicht so gut auskannten und den fehlenden Nussgeschmack nicht bemerkten.
Es war Betrug, keine Frage, aber dieser kleine Betrug brachte ihm enorme Vorteile gegenüber seinen Mitbewerbern am Fluss. Während diese häufiger eine Nachfrage ablehnen mussten, war Salaun immer in der Lage zu liefern. Seine Kollegen fragten sich zwar, wie er das schaffen konnte, aber niemand hatte bis jetzt mitbekommen, dass er die Austern nur kurzfristig in den Fluss legte.
Unweit von seinen Tischen hatte er eine Halle errichtet. Darin stand ein großes Becken, gefüllt mit Wasser aus dem Belon. Das war sein Zwischenlager. Regelmäßig wurde das Wasser ausgewechselt. In dieses Becken legte er die Austern von Rostropovich und brachte sie erst bei einer nächtlichen Ebbe auf die Tische. Die anschlieβende Ernte konnte er dann ohne Weiteres bei Tag erledigen. Wer wusste schon, wie lange die Austern dort gelegen hatten.
Der Treffpunkt mit Ivan Rostropovich lag etwas nördlich von Quimper, in der Nähe von Guilvit. Auf dem dortigen Parkplatz, direkt an der Voie Express, konnte er die Austern, ohne aufzufallen, auf seinen LKW umladen. Wenn er eine neue Lieferung Austern bekam kam der große LKW zum Einsatz, ansonsten reichte der kleinere Lieferwagen.
André Salaun machte schon seit drei Jahren Geschäfte mit Ivan Rostropovich und wusste, dass er sich auf ihn verlassen konnte.
Während er auf der Voie Express von Pont Aven nach Guilvit fuhr, um Rostropovich zu treffen, dachte er an seine zukünftige Frau.
Sie hatten sich in Pont Aven, auf der Terrasse des Restaurants Le Moulin du Grand Poulguin, kennengelernt.
Ein Treffen mit einem Geschäftspartner hatte ihn nach Pont Aven geführt. Er war bereits im Begriff gewesen zu gehen, als diese schöne Frau eilig auf die Terrasse des Restaurants gelaufen kam. Ein junger Bursche versuchte sie festzuhalten und redete unentwegt auf sie ein. Sie riss sich von ihm los und sagte etwas wie ich habe eine Verabredung. Da die Tische wie an beinahe allen Tagen um die Mittagszeit, vollständig besetzt waren, kam die Frau auf seinen Tisch zu und fragte Salaun, ob er ihr helfen könne, diesen lästigen jungen Mann loszuwerden.
„Natürlich gerne“, hatte André Salaun gesagt und der Frau einen freien Stuhl angeboten. Er machte jetzt keine Anstalt mehr aufzubrechen, als der Kellner ihm die Rechnung brachte. Sie unterhielten sich ein wenig, und André stellte fest, dass er der Frau wohl auch sympathisch erschien.
Er fragte sie, ob es Sie nicht stören würde, wenn er noch etwas am Tisch bliebe und Ihr Gesellschaft leisten würde. Sie verneinte seine Frage und antwortete, dass es ihr sogar sehr recht wäre. Schließlich habe sie dem jungen Mann gesagt, dass sie eine Verabredung habe. André Salaun bestellte sich noch einen Kaffee und plauderte mit der Schönen, während sie eine Crêpe genoss.
Ihr Name war Patricia Faucon, sie kam aus Nantes und arbeitete dort als Sekretärin. Sie war jetzt für ein oder zwei Wochen in Pont Aven und verbrachte hier ihren Urlaub. Sie plauderten noch fast eine Stunde und verabredet sich dann für den Abend.
André Salaun führte Patricia Faucon in die Moulin de Rosmadec, dem besten Restaurant von Pont Aven.
André Salaun hatte sich bis über beide Ohren in Patricia verliebt. Ähnlich war es auch Patricia ergangen. Auch sie schien sich unsterblich in den Austernzüchter verliebt zu haben.
Nach der ersten gemeinsamen Nacht konnte er sie überzeugen, auch weiterhin bei ihm zu bleiben. Das Hotelzimmer stornierte sie und zog bei ihm ein. André schwebte im siebten Himmel, und Patricia entpuppte sich als seine ideale Ergänzung.
Nach 14 Tagen hatte er sie überzeugt, dass sie ihre Stelle in Nantes aufgeben und mit ihm zusammenleben sollte. Von da an erledigte sie für ihn die gesamte Büroarbeit und war schon nach wenigen Wochen unentbehrlich.
Und wenn André nach Hause kam, hatte sie bereits einen kleinen Aperitif vorbereitet und ein gutes Essen gekocht.
Ihre Nächte waren kurz, sie liebten sich lange und ausgiebig. Patricia war für André ein Geschenk des Himmels.
Als er Patricia einige Wochen später fragte, ob sie ihn heiraten würde, wich sie einer sofortigen Antwort etwas aus.
„Ich bin noch nicht so weit, um mich endgültig zu binden, André, gib mir bitte noch etwas Zeit“, war ihre Antwort.
Heute, am frühen Morgen, kurz bevor er sich auf den Weg machen wollte, um die Austern von Rostropovich abzuholen, hatte sie ihm gesagt, dass sie ihn heiraten wolle. Sie müsse aber noch ein altes Problem lösen, und dann wäre sie endgültig frei für ihn. André war überglücklich, fragte sie nach dem Problem, und ob er ihr bei der Lösung helfen könnte.
„Da muss ich schon alleine durch, André, dein Angebot ist ganz lieb,