Heike Möller

Weltenwanderer-Chroniken I


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Ich habe noch nie einen so guten Met getrunken“, sagte sie voller Bewunderung und trank einen großen Schluck.

      Nereide kicherte wieder und Andreas bekam erneut das Gefühl in seiner Leistengegend.

      For grinste, als er bemerkte, wie Andreas auf die Nymphe reagierte.

      „Mach dir nichts draus, Reisender. Alle Männer reagieren so auf Nereide. Und dabei hält sie sich noch zurück.“

      Andreas musste wohl verständnislos geguckt haben.

      „Weißt du denn nicht, was Nymphen und Faune bei Männern und Frauen anrichten können?“, flüsterte Sondra Andreas zu, als Nereide nach dem Essen den Tisch abräumte.

      Er schüttelte den Kopf. Faune hatten ein sehr gutes Gehör und For grinste über beide Ohren. „Wir demonstrieren dir später, was deine Gefährtin damit meint“, lachte er.

      Sondra lehnte sich auf ihren Stuhl zurück. Sie war rundum satt und der Met zeigte langsam seine Wirkung.

      „Wir sind auf dem Weg nach Iskand, um von dort weiter nach Ylra zu reisen“, sagte sie.

      „Da habt ihr euch aber keine gute Jahreszeit ausgesucht. Es wird früh dunkel, sodass ihr am Tag nicht sehr weit vorankommt. Wenn dann noch der Schnee verfrüht einsetzt, verzögert sich eure Reise noch um ein paar Tage oder Wochen.“

      For hatte sich eine langstielige Holzpfeife mit Kräutern gestopft und zündete sie sich an.

      „Vielleicht findet ihr in Iskand ja eine Karawane, die in Richtung Südwesten reist. Fragt am besten in der Taverne vom alten Bors nach. Die Taverne heißt `Zum Stinkenden Troll´, sagte For zwischen diversen Pafflauten.

      „Ihr seid wirklich zu freundlich“, sagte Andreas und meinte es total ehrlich.

      „Wir mögen Trolle nicht besonders, so wie die meisten Bewohner Vilgards“, sagte Nereide. Ihre Stimme hatte wieder diesen sanften Gesang.

      Der Met hatte bei Andreas seine Wirkung auch nicht verfehlt und er merkte, dass er auf Nereides Stimme erregt reagierte. Es war ihm peinlich und vor allem unverständlich. Sie war doch gar nicht sein Typ!

      „Warum sollten wir euch Unterschlupf und Hilfe verwehren? Das wäre nicht gut.“

      „Die Trolle ignorieren uns im Moment noch, aber irgendetwas braut sich zusammen“, brummte For.

      Sondra war auf einmal hellwach.

      „For, erzähl uns bitte, was vorgefallen ist. Wir kommen von weit her und wissen nicht viel über die Geschehnisse der letzten drei Jahre.“

      Der Faun sah Sondra stirnrunzelnd an. Dann kratzte er sich mit seiner Pfeife hinter einem Ohr und begann zu berichten.

      „Vor etwa drei Jahren begann es. Trolle griffen immer wieder in der Nacht an. Da sie ohnehin nur nachts aktiv sind, hatten Menschen, Elfen und wir anderen tagsüber die Möglichkeit, Hütten, Häuser und Siedlungen vor ihnen zu sichern. Einfache Schutzzauber halfen plötzlich nicht mehr, es mussten immer stärkere Bannsprüche verwendet werden.

      Bis vor ein paar Monaten überfielen Trolle nur vereinzelte Wanderer oder allein stehende Hütten. Dann änderten sie ihre Taktik.“

      For machte eine Pause und schloss seine Augen.

      „Sie überfielen den Hof von Zurek, einem Bauern mit großer Familie, viel Vieh und Land“, sagte Nereide leise.

      Jetzt war nichts mehr in Nereides Stimme, dass Andreas erregte. Langsam begriff er, welche Macht die Nymphe auf Männer ausüben konnte.

      „Nur eine Tochter Zureks hat das Massaker überlebt, indem sie einen sehr starken Lichtzauber um sich selbst herum ausgesprochen hatte und die ganze Nacht aufrecht hielt. Der Rest der Familie, die Knechte und Mägde, ja selbst die Tiere wurden regelrecht abgeschlachtet und noch teilweise vor Ort gegessen. Das arme Mädchen hatte alles mit ansehen müssen. Sie erzählte dann später, dass die Trolle organisiert angriffen.“

      „Was?“, Sondra horchte auf. „Aber Trolle waren noch nie organisiert. Sie sind primitiv und haben keine Hierarchie. Es gibt nicht mal richtige Stämme oder Familien, nur zufällige Gruppen, die sich nach Bedarf zusammenfinden oder auflösen. Manchmal sogar gegenseitig auffressen.“

      Andreas hatte bei der Vorstellung von Kannibalismus plötzlich das Gefühl, sein Essen wieder hergeben zu müssen. Rasch trank er einen großen Schluck von dem Met.

      „Das war einmal“, seufzte For. „Das Mädchen erzählte, das in einiger Entfernung von dem Hof auf einem Hügel zwei Männer standen Einer war ein Magier oder Druide, der die Bannsprüche des Hofes aufzuheben verstand. Ihren eigenen Schutz vermochte er nicht zu durchbrechen, da das Mädchen eine angeborene Begabung für Magie hat und sehr stark ist.

      Der andere Mann gab den Trollen immer wieder Befehle. Das Mädchen konnte weder die Gesichter der Männer erkennen noch sagen, ob es Menschen, Elfen oder andere Wesen waren.“

      Sondra und Andreas waren bleich geworden.

      „Aber das bedeutet doch, dass es einen Verräter geben muss. Einen Verräter an alle freien Völker und an die Königreiche der Menschen, Elfen und Zwerge!“, keuchte Andreas.

      Nereide nickte traurig und setzte sich auf den Schoß ihres Gefährten.

      „Tja, sieht so aus. Die einzige Hoffnung im Moment liegt in den Archiven von Ylra.“

      Sondra runzelte die Stirn. „Warum?“

      For nahm den letzten Zug aus seiner Pfeife. „In der Bibliothek soll es einen Hinweis geben auf eine Art Waffe, um die Trolle endgültig zu vernichten oder zu bannen. Der Weltenwanderer hatte vor zwei Jahren einen Hinweis gefunden. Man sagt, er sei aber zu alt geworden und konnte dem Hinweis nicht mehr nachgehen. Es heißt, sein Erbe würde diesen Weg beschreiten.“

      Andreas sog scharf die Luft ein und sah zu Sondra. Sie hatte einfach aufgehört zu atmen und starrte in das Kaminfeuer. Sie sackte regelrecht zusammen, als die Luft stoßartig aus ihr herausschoss. Das Schimmern auf Sondras Haut war verschwunden.

      „Das wusste ich alles nicht“, flüsterte sie. Zitternd sah sie Andreas an. „Ich schwöre dir, ich wusste nicht, wie ernst die Lage ist. Vater hat mir das alles nicht gesagt. Ich hätte dich sonst niemals damit hineingezogen, dich in Gefahr gebracht.“

      Ihre Stimme war zum Schluss immer lauter, fast hysterisch geworden. Andreas kniete vor Sondra und nahm ihr Gesicht in die Hände.

      „Hör auf, beruhige dich. Es ist gut, Sondra.“

      Sondra hatte Tränen in den Augen. „Ich wollte dich nie in Gefahr bringen.“

       Andreas nahm Sondra in die Arme und küsste ihren Nacken. So hatte er Sondra noch nie gesehen.

      „Du bist der Erbe des Weltenwanderers, nicht wahr, Andreas?“, fragte Nereide.

      Andreas sah die hübsche Nymphe an. „Nein, bin ich nicht.“

      Er sah Sondra fragend an und sie nickte, immer noch mit den Tränen kämpfend.

      „Sondra ist der Erbe.“

      Der Faun stieß einen verblüfft klingenden meckernden Laut von sich.

      „Verzeih uns, Weltenwanderer. Aber wir dachten, der Weltenwanderer sei ein Mann.“

      „Es gibt nichts zu verzeihen, For. Du musst mir den Moment der Schwäche vergeben. Mein Vater starb, als er vor zwei Jahren von seiner Reise zurückkehrte. Er hatte keine Möglichkeit mehr, mich in alles einzuweihen. Ich bin nur zutiefst erschrocken über das Geschehene.“

      Andreas setzte sich wieder auf seinen Hocker, rückte aber näher an Sondra ran und nahm ihre Hand.

      „Wie stehen die einzelnen Königreiche zueinander?“

      „Die Menschen und die Elfen versuchen gemeinsam eine Lösung zu finden. Sie fragen die Orakel und die Druiden, durchsuchen jedes Archiv und jede Bibliothek. Boten gehen von Dorf zu Dorf,