Norma Rank

Schlampe, Opfer, Schwein.


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rum. Es knisterte in der Luft wie vor einem Gewitter, und ich fragte mich, ob ich mit meinem Aufzug nicht doch zu weit gegangen war. Mark, der ganz nah vor mir stand, schien zu überlegen, abzuwägen, ob er mich erst zart in den Arm nehmen oder direkt über mich herfallen sollte. Sein Blick loderte förmlich, und auch seine Atmung hatte sich merklich beschleunigt.

      „Du sahst heute wirklich hammermäßig aus, weißt du das?“, meinte er gepresst und mit belegter Stimme.

      Mir fehlten die Worte. So gerne hätte ich mich ihm angeboten, mich auf der schmuddeligen Couch meinem Verlangen hingegeben. Ihn nicht anzufassen schmerzte fast, und meine Lippen brannten nach seinem Kuss. Die Situation war absolut eindeutig, aber Mark gebunden. Und mit einem Blick auf seinen Ehering wich ich einen Schritt zurück.

      Nun gab es eigentlich nichts mehr zu sagen. Wir waren erwachsen und uns der Eindeutigkeit der Situation bewusst, ohne dass wir uns dafür schämten. Er akzeptierte, ebenso wie ich, den Sachverhalt, auch wenn wir dem Moment fast nachgegeben hätten – aber eben nur fast. So betonten wir mehrmals, dass uns der Abend gefallen hatte, gingen zur Normalität über und taten, als sei nichts passiert. War es ja auch nicht! Leider!

      Natürlich fielen mir Marks hängende Schultern auf, die leichte Traurigkeit in seinem Blick, aber ich ignorierte es. Denn eines stand ganz klar fest: Morgen würden wir wieder im Büro sitzen, als zwei Kollegen, die sich in der Tat gut verstanden, doch der Zauber wäre vorbei. Einen Abend lang hatten wir uns frei von Verpflichtungen jeglicher Art an einem neutralen Ort befunden, ohne ständiges Nachdenken, sondern nur um sich an dem Anderen zu erfreuen. Doch es gab keinen gläsernen Schuh, den mir der Königssohn nach dem Ball hinterhertragen würde, keine Kutsche aus einem Kürbis, und ein Happy End würde uns ebenfalls vorenthalten bleiben. Wozu also mehr Energie verschwenden als nötig? Worauf hoffen? Weshalb leiden?

      Nach einer unspektakulären Verabschiedung ging ich zu meinem Auto und fuhr alleine nach Hause, während Mark in ein vorgewärmtes Bett schlüpfen würde. Ich versuchte, mich trotzdem über den Abend zu freuen, meine Ängste die Zukunft betreffend auszuschließen und fiel ins Bett. Dort schlief ich übermüdet sofort ein, mit einem leisen Summen in den Ohren, das mich an die laute Musik eines wunderbaren Abends erinnerte.

      BONGO BAR

      Um mein Leben nicht rein auf „K-Messe“ und Mark zu reduzieren, will ich ein bisschen aus meinem Privatleben erzählen und aus dem Nähkästchen plaudern. Ein Exfreund namens Tom probierte derzeit, mich immer wieder zu kontaktieren.

      Die einstige On-Off-Beziehung zwischen uns lässt sich leicht in zwei Sätzen zusammenfassen: Er war – und ist es wohl immer noch – etwas jünger als ich, und vom Kopf her bei Weitem noch nicht so weit, wie ich stets geglaubt hatte. Der ewige Leonardo- DiCaprio-Typ, als dieser mit Titanic berühmt wurde – hübsch, aber von Alters wegen leider auch unbeständig! Drei Jahre lang machten wir in regelmäßigen Abständen miteinander Schluss und vertrugen uns dann in der Kiste wieder, nur um zu erkennen, dass es – bei allen Gefühlen – doch nicht funktionierte. So eine Art des Zusammenseins war gleichzeitig anstrengend und nervenaufreibend. Anders ausgedrückt: Es ging mir nicht sonderlich gut damit.

      Wann immer ich mich emotional von Tom löste, spornte ihn das an, mich aufs Neue zu umwerben. So auch jetzt, als er merkte, dass ich mich in einen anderen Mann verknallt hatte. Keine Ahnung, ob es für ihn einen sportlichen Aspekt hatte, mich zu halten oder ob er mich wirklich liebte. Fakt war, dass wir längerfristig nicht miteinander konnten. Der Sex war durchaus passabel, und ich dachte lange Zeit, wir würden es schaffen, wurde aber systematisch eines Besseren belehrt. Jung und wild wie ein Fohlen wollte Tom das Leben ausschöpfen, während mir Verlässlichkeit und Geborgenheit fehlten. Jetzt aber fielen zwei Dinge aufeinander: Mark beschäftigte mich mehr, als er es hätte tun sollen, und Toms Ausdauer beeindruckte mich letztendlich dann doch. Kurzum: Wir hatten uns ewig nicht gesehen, und ich ließ mich zu einem Essen einladen.

      Als wir uns eines Abends in einem Restaurant gegenüber saßen, wurden mir drei Dinge sofort klar: Irgendwie mochte ich ihn, wir passten nicht zusammen und: Tom wollte mit mir schlafen. Somit fiel das Dessert aus, und wir gingen stattdessen zu mir, da er noch bei Mama wohnte, um dort die Fleischeslust zu befriedigen – ein Schema, das ich zwar bereits kannte, aber was soll’s?

      Erst machten wir es in der Dusche, das zweite Mal kullerten wir über den neuen Teppichboden, und am Schluss brachte mich Tom auf meinem französischen Bett zum wohlverdienten Höhepunkt. Wie sehr ich das vermisst hatte!

      Auf angenehme Weise erschöpft, wurde mir klar, dass es durchaus von Vorteil war, wenn ein Kerl schon vorab wusste, was einem gefiel, und man nicht bei Null anfangen musste. Der Sex mit Tom war echt in Ordnung, treffsicher und rundherum eine höchst befriedigende Angelegenheit, was die körperliche Ebene betraf.

      Fest stand natürlich, dass eine Beziehung mit ihm für mich trotzdem nicht mehr in Frage kam. Und daran war nicht Mark alleine Schuld! Mit Tom machte es schlichtweg wenig Sinn, über die Zukunft nachzudenken, auch wenn er immer wieder über Kinder sprach. Er lebte von heute auf morgen, was darüber hinausging, nervte ihn nur. Der Zerstreuung durch ihn stand ich dennoch offen gegenüber. Wie ein Kätzchen umgarnte er mich, und seine Vehemenz beweihräucherte mein Ego. Für den Augenblick erfüllte er somit seinen Zweck, ohne dass wir uns etwas schuldig blieben. Wir einigten uns auf ein sporadisches „Light-Verhältnis“, trafen uns, wann immer wir Lust aufeinander hatten, was auch Toms Vorstellungen entgegenkam, der ebenfalls nichts Festes wollte. Der Zeitfaktor wurde somit relativ gering gehalten und das Gegenüber nicht mit dem Seelenmüll des Anderen überladen.

      Bisweilen fühlte ich mich durch Tom etwas weniger einsam, zumal wir im Punkt Erotik recht gut harmonierten. Zwar hatte ich grundsätzlich kein Problem mit dem Alleinsein, aber es gab doch Phasen, in denen ich mir vorkam, als säße ich auf der Strafbank. Gestritten haben wir natürlich nach wie vor, und häufig lag eine erhebliche Zeitspanne zwischen unseren Verabredungen, aber das störte nicht weiter. Genau genommen führte ich ein typisches Single-Dasein. Ich hatte jede Menge Zeit, die ich meist mit Freunden, aber auch manchmal mit einem Joint oder einer Flasche Wein zu Hause verbrachte. Beides füllte mich nicht zu hundert Prozent aus, hatte aber unbestritten einen gewissen Spaßfaktor. Und Mark gegenüber konnte ich – mit Tom im Rücken – zumindest so tun, als wäre ich „besetzt“!

      Mittlerweile hatte ich mich mit meiner Kollegin Marion angefreundet, und sie entpuppte sich als grandiose Zuhörerin, was in meiner Gesellschaft durchaus von Vorteil sein konnte, ohne sich über das Gehörte in irgendeiner Weise kritisch zu äußern, und auch diesen Charakterzug schätzte ich sehr. Damit meine ich nicht, dass sie automatisch zu den „Jasager-Typen“ gehörte, sondern vielmehr eine extrem diplomatische Art hatte, an die Dinge heranzutreten.

      Sie schaffte es, komplett wirre Geschichten, die aus mir herausgesprudelt kamen, in einem Satz zusammenzufassen und das sogar meist mit einem Lösungsvorschlag im Gepäck. Wenn ich mir ihr Alter vor Augen hielt, staunte ich jedes Mal nicht schlecht, dass sie erst zwanzig war. Der Unterschied von vier Jahren spielte kaum eine Rolle – im Gegenteil! Manchmal verblüffte es mich, ihren Rat so dringend zu brauchen.

      Wir verbrachten relativ viel unserer Freizeit gemeinsam. Und da Marion etwas außerhalb wohnte, übernachtete sie an den Wochenenden gerne bei mir. Wir gingen in angesagte Diskotheken, hatten Spaß, tranken viel und nahmen gelegentlich Genussmittel zu uns, die unter dem Namen Partydrogen gehandelt wurden. Anfänglich störte mich die Häufigkeit, in der sie das Zeug nahm, da sie immer etwas einstecken hatte, merkte aber bald, dass sie mit mir weit weniger einschmiss als ohne mich. Nun, sie war kein Kind mehr und musste selber wissen, was sie tat, zumal sie Bevormundungen verabscheute. Dennoch behielt ich sie im Auge.

      Die Freundschaft mit Marion tat mir auch in der Arbeit gut, denn dort wurde ich inzwischen ganz schön gemobbt. Die Kollegen glaubten, bei Mark hintenanzustehen, und nervten damit sowohl ihn als auch mich grenzenlos. Marion, die nur darauf wartete, ihr Praktikum bei „K-Messe“ abzuschließen, um dem verhassten Job endlich den Rücken kehren zu können, verstand meinen Unmut diesbezüglich bestens. Sie konnte die Leute dort pauschal nicht ausstehen und plante mal wieder einen beruflichen Wechsel – Journalismus sollte es dieses Mal werden.

      Ich