Robin Lang

Schön, dich gesehen zu haben


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Das passt mir sowieso besser, dann können Sabrina und ich heute noch etwas unternehmen!“

      „Peter – es sind auch deine Kinder! Und du hattest gesagt, dass du sie erst am Nachmittag zurückbringen würdest. Was, wenn ich auch Pläne für heute habe? Du hättest zumindest mal anrufen können und fragen oder samstags mit ihnen einkaufen, wenn sie bei dir sind!“

      „Ach, Eva, tu doch nicht so aufgeregt – wann hast du denn schon mal was vor? Außerdem macht es doch wirklich keinen Sinn, wenn ich für alle paar Wochen Sachen einkaufe und bei mir rumstehen lasse, die sonst keiner isst. Vielleicht liegt es auch daran, dass du zu weich mit ihnen bist und ihnen alles erlaubst und kaufst, was sie wollen? Hast du darüber schon mal nachgedacht? Kein Wunder, dass du mit dem Geld nie hinkommst – aber haushalten konntest du sowieso noch nie gut.“

      Ich zuckte zusammen – wenn er mir mitten ins Gesicht gehauen hätte, dann hätte der Schmerz nicht viel größer sein können.

      Er zahlte mir den Mindestsatz und das noch nicht mal regelmäßig, um jeden Klamotteneinkauf musste ich mit ihm kämpfen, Paul wuchs so schnell, dass man ihm dabei zusehen konnte, jedes Jahr war eine komplette Schuhgröße dran, so dass ich das Gefühl hatte, ständig neue Schuhe kaufen zu müssen. Und für Vicci wurde ihre Kleidung auch immer wichtiger. Damit stand ich immer alleine da und hatte mich bisher nicht beklagt!

      Während mein Idiot von Exmann jedes Jahr ein neues Auto fuhr („du musst einsehen, ich muss ja einen guten Eindruck bei der Kundschaft hinterlassen!“), betete ich Jahr für Jahr darum, dass mein alter Golf mich nicht im Stich lassen würde und die Reifen noch eine Saison durchhielten. Aber wie so oft hatte ich keine Lust und keine Kraft, um mit ihm zu streiten.

      Er fuhr und die Kinder blieben bei mir.

      „Mama, sei nicht böse, ich weiß, du hattest dich auf einen ruhigen Sonntag gefreut. Es war nicht so, wie Papa es erzählt. Paul hat nur gefragt, ob noch Nutella da sei. Da hat Sabrina die Augen verdreht und gemeint, dass es doch wohl auch mal ohne dieses Zeug ginge und dann Papa daran erinnert, dass sie zum Brunch eingeladen seien und ob sie da alleine hingehen müsse. Da hat Papa beschlossen, dass er uns früher heimbringen würde. Hattest du was mit Thomas vor? Du kannst uns auch gerne alleine zu Hause lassen …?!“

      Ich schloss meine Kinder in den Arm. Was hätte ich auch sonst tun sollen?

      Natürlich hatten Thomas und ich den Tag miteinander verbringen wollen. Geplant war, dass wir nach dem Frühstück sein Cabrio aus der Garage holen und ein bisschen ins Umland fahren wollten. Vielleicht zu dem Ausflugslokal am See gut eine Stunde Fahrt von hier?

      Stattdessen kam Thomas nun mit seiner Übernachtungstasche in der Hand aus dem Schlafzimmer – er hatte die Unterhaltung wohl mit angehört.

      Er drückte mir einen Kuss auf die Wange „Ich ruf dich an!“ und weg war er.

      Ich ging mit den Kindern in die Küche.

      „Habt ihr jetzt überhaupt etwas gefrühstückt? Wie haben nur Reste, ich habe leider nicht so früh mit euch gerechnet.“

      Thomas hatte zum Frühstück Brötchen gekauft, aber natürlich nicht genug, um zwei Kinder damit satt zu bekommen.

      Unser Frühstückstisch war noch gedeckt – Thomas hatte nur seine Kaffeetasse und seinen Teller abgeräumt, bevor er gegangen war.

      Paul, wie immer eher unbeeindruckt, zumindest nach außen hin, nahm sich einen frischen Teller und Nutella aus dem Schrank und aß das letzte noch vorhandene Brötchen auf. Vicci dagegen kuschelte sich auf meinen Schoß.

      „Es tut mir leid, Mama, wir wollten dir deinen Tag nicht kaputt machen.“

      Was sollte ich sagen? Was konnte ich sagen?

      Ich drückte sie fest an mich. „Victoria – es ist nicht deine Schuld, das darfst du nie denken. Ich liebe euch beide, ihr seid das Wichtigste in meinem Leben. Ihr habt mir den Tag nicht kaputt gemacht, höchstens meine Pläne durchkreuzt – aber es gibt niemanden von dem ich mir meine Pläne lieber durchkreuzen lasse, als von euch! Und wo wir jetzt einen freien Sonntag haben – sollen wir was unternehmen?“

      So machten wir uns nach dem Frühstück auf ins Schwimmbad und verbrachten dort ein paar entspannte Stunden.

      Als Wiedergutmachung für den verpatzten Vormittag beschlossen die Kinder, für mich zu kochen, während ich es mir auf dem Sofa bequem machen durfte. Allzu viel konnten die beiden noch nicht kochen, aber für Pasta mit Pesto reichte es immer. Es war auch erstaunlich, wie gut die beiden sich in solchen Situationen verstanden. Mal gönnten sie sich nichts, stritten nur und konnten es keine zehn Minuten zusammen in einem Raum aushalten, bevor die Ärgerei losging. Wenn sie aber wussten, dass es mir nicht so gut ging, sie etwas ausgefressen hatten oder gut drauf waren, dann waren sie wie ausgewechselt und ergänzten sich prima! So sehr ich für mich die Ehe mit Peter bereute und mich immer wieder fragte, wie ich mich so in diesem Mann hatte täuschen können – meine Kinder wollte ich für nichts auf der Welt tauschen oder missen. Sie waren das einzig Gute in meinem Leben und da konnte man mir tausend Mal vorwerfen, ich würde mit angezogener Handbremse leben, wenn es dadurch meinen Kinder gut ging, würde ich es mit Freude immer wieder so machen.

      - Max -

      Ich steckte mein Handy wieder ein.

      Es war soweit, es war passiert, ich war so stolz auf Lucca und gleichzeitig traurig. Sie hatte ihr Traumhaus gefunden. Ein durch und durch behindertengerechtes Haus, das fast neu war und bezugsfertig. In weniger als zwei Wochen würde sie einziehen können und ich hatte ihr zugesagt, dass ich ihr die nötigen Küchenmöbel bauen würde. Wir hatten oft darüber gelacht und nachgedacht, wie eine perfekte Küche für sie als Rollifahrer aussehen müsste. Wir hatten Kataloge gewälzt und mit der Zeit war ich sowas wie ein Experte dafür geworden. Ich hatte sogar das Angebot meiner kleinen Möbelwerkstatt dahingehend verändert, dass ich eben solche Aufträge auch anbot. Die Möbelmaße blieben dieselben, nur die Höhen mussten an den jeweiligen Kunden angepasst werden.

      Ich würde sie bald besuchen fahren und dann die genauen Maße für ihre Küche nehmen. Bis dahin würde ich die ganze Vorarbeit leisten können. Endlich konnte ich mit meiner Hände Arbeit ihr all das zurückgeben, was sie mir in den letzten Jahren gegeben hatte. Sie klang so verdammt glücklich und zufrieden. Sie hatte mir schon von ihren Arbeitskollegen erzählt, von Sue und Nate, bei denen sie wohnte, von einem schwulen Tätowiererpaar, das beim Umzug mitgeholfen hatte und von einem sexy Fahrradkurier, der ihr und ihrer Kollegin immer eine Rose mit ins Büro brachte. Nein, ich musste mir keine Sorgen mehr um sie machen. Ihr waren Flügel gewachsen und die hatten sie aus diesem Dorf hinausgetragen.

      Gedankenverloren fuhr ich über mein Tattoo am Unterarm. Es war ein kleines Flügelpaar – es sollte mich immer daran erinnern, dass mein kleines Wunder, meine Mira, ein Engel war und über mich wachte, zusammen mit ihrer Mutter. Ich war nie ein besonders gläubiger Mensch gewesen, aber der Gedanke, dass die beiden für immer weg wären, den konnte und wollte ich nicht zulassen. Ich war fest davon überzeugt, dass die beiden auf mich warteten. Und genauso sicher war ich, dass sie ziemlich unzufrieden waren mit der Art, wie ich mein Leben lebte. Aber zwischen der Erkenntnis, dass es nicht genug war und dem totalen Umkrempeln meines Lebens, wie ich es kannte, lagen Meilen!

      Apropos Meilen …

      Ich pfiff die Hunde zu mir und wir machten uns auf zu einem unserer Spaziergänge. Hier draußen konnte ich meinen Gedanken nachhängen.

      Es war ja nicht so, als hätte ich es nicht probiert, wieder mehr Kontakt zu anderen Menschen zu haben. Aber es hatte sich nie richtig angefühlt.

      Ich hatte mal einen Abend mit lauter Pärchen in meinem Alter verbracht. Es war ein Eiertanz gewesen, jeder wusste, was mit meiner Familie passiert war, keiner traute sich darüber zu sprechen. Es gab leider nicht viele Themen, die in einer solchen Runde besprochen wurden – Kinder, Ehe, Freundin, Karriere. Nichts, wo ich großartig hätte mitreden können. Und als das Gespräch auf meine Möbelfirma kam, sah ich die Erleichterung in den Augen der Gastgeber, dass man ein scheinbar neutrales Thema gefunden