Paul D. Peters

Der Sturm der Krieger


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hatte sich mit dem neuen Leib ins Groteske gesteigert und war zugleich mit monströsen Zügen verdrängt worden, aber sie vermochte nach wie vor Lust zu empfinden und auf bizarre Art zu erwecken.

      Dereinst waren es menschliche Wesen, höchste Priesterinnen der Matronen gewesen, aber mit dem Sakrileg waren sie zu Dämoninnen mutiert, zu Harpyien so groß wie Drachen und mit einer von ihnen hatte der Hexer nun eine Audienz abzuhalten.

      „Heeexer...“, krächzte sie mit ihrer spitzen, tiefen Stimme, die nicht leicht zu ertragen war.„Mann des Untergangs und Schwätzer böser Geister, wir, die göttlichen Schwestern von Schwinge und Klaue, heißen euch willkommen im unserem heiligen Nest der geborenen Brut. Cyliændra die Ewige erweist euch die Gnade mit ihr sprechen zu dürfen. Sprich also, Mann im Schweiße vor dem Weib, in Angst und mit verbotenem Zauber. Sprich!“

      Ein langsam abklingendes Fauchen folgte ihren Worten nach. Das Wort Mann hätte sie nicht abschätziger sagen können. Er ließ aber nicht zu, dass sie ihn weiter einschüchtern würden.

      Er richtete sich auf und fest war seine Stimme: „Galdor Ird Shandrach vom Zirkel der Magier des Abgrunds steht vor euch, o Göttin von Schwinge und Klaue. Lasst uns Reden über die Dinge, wie es unser kosmischer Herr in seinem Sinne gebietet.“

      Er hob sein Haupt und sah sie direkt an. Die Blicke von Mensch und Dämonin trafen sich. Ein kurzer Tanz von Beherrschern der Macht begann. Es mochte in seinen Augen und in seinem Geist schmerzen, aber er hielt stand und als es ihr nicht so einfach gelang, sich für ihn als unerträglich zu zeigen, erlaubte er sich einen hochgezogenen Mundwinkel. Ehe es aber zu einem tatsächlichen Messen von Kräften kam, das für beide Schaden an Leib und Seele bedeuten hätte können, ließen sie ab und verminderten die Intensität ihrer magischen Auren. Cyliændra bleckte zunächst die Zähne und leckte sich sodann mit ihrer langen Zunge die Lippen.

      Das hatte ihr gefallen, dieses kleine Spiel. Die schwarze Made zu ihren Füßen hatte doch etwas Potenz und Widerspenstigkeit gezeigt, so dachte sie. Ihre Schwester Aiklonea kicherte spöttisch im Dunkeln.

      So setzte die Harpyie mit rotem Haar fort: „So wollen wir mit dieser Unterredung dem Kosmischen Drachen dienen, Hexer. Solange wir im Bunde sind, wollen wir gemeinsam gegen die Welt ziehen. Aber oh, wenn denn der Tag komme, da der Sieg uns alle Macht und Freiheit bringt, dann will ich euch zuerst herausfordern. Erinnert euch immer, dass ich euch zuerst will. Euer von Magie getränktes Fleisch wird mich stärken und ihr werdet schreien mit Schmerz und zugleich mit Lust, weil es allein meine Lippen sind, die sich um euren gebrochenen Leib schließen werden. Und heute und hier lebt ihr, weil wir die Schwestergöttinnen von Schwinge und Klaue es euch erlauben. Und heute und hier seht ihr, was wir gebären mit unserem Willen. Bewundert es weiter, dieses Nest in Herrlichkeit. Mann, ihr habt große Macht aus dem Abgrund mit euch gebracht, aber dazu werdet ihr nie imstande sein, zu einem solchen Akt des Schaffens.“

      Sie war geschwätzig und hatte ihn provoziert, ja herabgewürdigt, so stellte es der Hexer mit einem gewissen Ungemach fest. Er würde erst gar nicht darauf eingehen, gerade weil ihre Worte nicht ganz ohne Wahrheit waren und die perverse Vorstellung, die sie in ihm provoziert hatte, doch ein klein wenig einnehmend für ihn war.

      Vieles galt es nun zur Sprache zu bringen. Zunächst sollte es um den Krieg gehen, der gegen die Königreiche im Westen schon sehr bald losbrechen würde, mit der Schnabelbrut als die erste Armee des Weltendrachens. Der Schwarze Avatar, der mit dem vierten Zeichen endlich seine Geburt erführe, war ein nicht minder dringliches Thema. Und da waren noch die Wilden Götter und die Matronen, denen schon sehr bald eine schreckliche Lektion von den Göttinnen von Schwinge und Klaue erteilt werden musste.

      Der Magier des Abgrunds Galdor Ird Shandrach sammelte seinen Geist und erhob das Wort an Cyliændra die Ewige, eine der sieben gefiederten Schwestergöttinnen. Es sollte eine so lange wie schreckliche Unterredung zwischen einer Dämonin und einem Hexer werden.

      Kapitel 1: DER GOTTSCHLÄCHTER

      Es war der neunte Tag, da er da hing. Silberne Nägel in die Glieder gerammt, vom Baum der Anklage herab röchelnd. Gespreizt die Arme, gespreizt die Beine. Das gekreuzigte Fleisch am kalten Stamm. Halb erblindet, nackt und fast tot. Das Weiß des Winters legte sich auf das Rot seiner Wunden. Der gefrorene Atem kam abgehackt zwischen zerschlissenen Lippen hervor.

      Der neunte Tag. Nicht, dass er die Tage überhaupt noch zählen konnte, mit eingeschlagenem Schädel, vor Hunger berstenden Leib und zugleich vom Schmerz bestimmten Geist, aber andere zählten, viele andere mit ihrem Schmerz: ein ganzer Klan von Kriegern und ein ganzer Zirkel von Zauberinnen. Die Werwölfe ritzten es in den Baum, in seine Haut und schrien es in seine Ohren. Seine Hölle war gewiss längst bereit für ihn im jenseitigen Reich, aber zuvor sollte er noch in der Dieswelt so lange wie möglich erfahren müssen was es hieß, seinen eigenen Gott und Vater getötet zu haben.

      Ein verkrusteter Strom aus Blut herab der Rinde, eine stinkende Lache zu seinen Füßen. Immerhin der Schnee verbarg ein wenig das Ekelhafte, immerhin der Schnee brachte etwas Kühle und Taubheit in die frischen Wunden. Eis im langen Haar, im dunklen Bart. Das rechte Auge war verletzt und zugeschwollen. Somit sah er nur noch mit einem, dem Blick von gelber Farbe. Weiß, rot, blau und violett die Haut. Abgemagert, kraftlos. Narben von Klauen quer, gekreuzt und tief. Bissspuren von Wölfen.

      Das, was da hing, war kein Krieger des Wilden Heeres mehr, auch kein Mann und kein Mensch. Es war eine aufgerissene, gefolterte und allein dem Tode entgegen siechende Hülle aus Fleisch, die nur den so stumpfen wie brennenden Wunsch nach einem endgültigen Ende hatte. Doch wäre er nicht mehr als ein Mensch, so wäre er seinen Verletzungen längst erlegen. Noch heilte die regenerierende Gabe des Werkriegers die immer neuen Verwundungen, noch ertrug er mit seiner Widestandskraft die Entbehrung von Nahrung und Wasser. Noch gab nichts in ihm auf.

      Mochte auch gewiss keine Erlösung für ihn jemals mit dem Ende im Diesseits folgen, so gäbe es wenigstens keine Blicke der Anklage, des Hasses und der Verzweiflung seiner Brüder mehr, so würde er wenigstens nicht mehr das andauernde Heulen der Trauer hören müssen, das Tag und Nacht im Wald der Welt angestimmt wurde.

      Mit dem Winter war das Ende von Klan Wolf gekommen und allein er trug die ganze Schuld daran.

      Der Himmel war schwarz, mondlos und es war bitterkalt. Warug zitterte fast beständig mit äußerster Heftigkeit, denn der Frost kroch tief in sein Fleisch bis an die Knochen. Tatsächlich hatte er den Winter noch nie so sehr und so schrecklich gespürt wie zu jenen finsteren Stunden. Immer wieder brauste ein Wind auf, der zuerst über die weißen Kronen tanzte, zwischen die Stämme hindurch fuhr, ehe dieser wie eine Faust aus Eis seinen Leib umkrallte. Gänzlich dunkelblau waren Finger und Zehen und weiter noch kroch die immer schwärzer werdende Farbe seine Gliedmaßen hoch. Bevor ein Körperteil abfror, brannte dieser wie Feuer, so hatten ihm die älteren Krieger dereinst erzählt und so erfuhr er es jetzt auch. Alles, war noch an Regenerationskraft in ihm mobilisiert werden konnte, arbeitete gegen das Ende an. Schlafen war unmöglich, bloß das Fallen in Bewusstlosigkeit gewährte gnadenvolle Ruhe.

      Und so forderte die Qual wieder einmal zu viel und der Geist gab gänzlich nach, doch war es dieses Mal nicht verlorene Dunkelheit, die ihn umfing, sondern ein Alptraum, in dem er sich schließlich wieder fand und den er niemals vergessen sollte. Es war wie eine Erinnerung an etwas, das er so nicht erlebt hatte und doch genau so geschehen sein musste.

      Er sah sich selbst, wie er da lag am Fuße des Weltenbaums, kurz nachdem er seinen Gott enthauptet hatte. Wie ein hilfloser Beobachter schwebte er über allem, kurz nachdem sein damaliges Ich zusammengebrochen war und lange nichts mehr bewusst erfahren hatte. Alles fühlte sich real an, viel zu real und zugleich völlig irreal. Wie fürchterlich war all dies, das er so erneut und doch zum ersten Mal erblicken musste. Dort, auf dem heiligen Hügel zwischen den gigantischen Wurzeln. Unter einer himmlischen Baumkrone, im wieder erstarkten Licht der Allmutter. In schwarzes und rotes Blut war sein Fell gebadet. Sein Schwert im weißen Gras. Der abgetrennte Schädel seines zum Dämon gewordenen Vaters lag mit einem letzten Zucken der Tentakel, die dem Ding aus dem Maul hingen, daneben. Die Berge von gefallenen Feinden ringsherum, sich langsam zersetzend, auflösend.