Victoria Trenton

Die beste Nutte der Stadt


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Jobs im „Erotikbereich“ ohnehin alle ihre Gewohnheiten hatte umstellen müssen.

      Manchmal vergaß sie, jemals als Nutte gearbeitet zu haben. Dann war sie ganz Mutter. Aber immer wieder geschah doch irgendetwas, das sie wieder an ihr „Vorleben“ erinnerte. Dabei waren ihre Erinnerungen keineswegs nur negativ. Die rund zwei Jahre im Puff waren in vielerlei Hinsicht prägend gewesen.

      Irgendwann begann sie damit, in ihren Gedanken die Vor- und Nachteile abzuwägen, die sowohl ihr neues Mutter-Dasein als auch ihr ehemaliges Nutten-Dasein so mit sich brachten. Beides hatte große Vorteile, aber auch große Nachteile, dachte sie. Die Freude Mutter eines munteren kleinen Söhnchens zu sein, war immer wieder groß; sie war auch wirklich darauf stolz, einen neuen Menschen zur Welt gebracht zu haben. Das blieb für sie ein ganz besonderes Ereignis. Aber die damit einhergehenden Pflichten waren ebenfalls groß und nicht immer so einfach zu erfüllen. Zum Glück unterstützte sie Bernd bei allem. Er wusste so viel und konnte ihr etliche Ratschläge geben. Sonst gab es nur andere Mütter, die sie auf dem Spielplatz oder in der Krabbelgruppe kennenlernte, die ihr mit Ratschlägen zur Seite standen. Zu ihrer eigenen Mutter hatte sie weiterhin keinen Kontakt.

      Andererseits forderte das Kind ihre gesamte Kraft. Manchmal sehnte sie sich daher nach der Freiheit, nach diesem ungezwungenen, oder besser gesagt zügellosen Leben zurück, dass sie als Nutte geführt hatte.

      Die Erinnerung an ihren früheren Job im FKK Klub kam manchmal aus heiterem Himmel. So war sie einmal zusammen mit ihrem Mann zum Gartenfest der Firma eingeladen, wo Bernd arbeitete. Für ihren Sohn Vincent hatten sie ein Mädchen aus der Nachbarschaft gefunden, um für diesen Abend (und manche anderen Abende) aufzupassen. Auch der Trauzeuge Wolfgang war dort. Er hatte sich zwar abgewöhnt, bei jeder Gelegenheit auf Ninas Vorgeschichte hinzuweisen, aber nach reichlich Alkohol verlor er seine Zurückhaltung und lallte vor versammelter Mannschaft: „Nina, Du warst die beste Nutte im Puff. Immer wenn ich hingehe, denke ich sehnsüchtig daran, wie schön es war, mit Deinen Titten zu spielen...“ Nach der Einrede einer Tischnachbarin, die ihn mäßigen wollte, meinte er dann: „Du hast doch keine Ahnung! Nina war die Beste. Ich habe alle anderen danach ausprobiert, aber mit keiner ist es so, wie mit Nina!“

      Der Frau vom Chef, Renate, war es unendlich peinlich. Wiedereinmal war Nina bloßgestellt worden. Schließlich lud das Chef-Ehepaar, Helmut und Renate Wagner, dann die beiden zum Kaffee-Trinken ein, das eine Woche darauf stattfinden sollte. Das war nicht nur als kleine Wiedergutmachung gedacht, vielmehr war Renate Wagner aufs Äußerste neugierig geworden und wollte nun mehr von Ninas Vorleben erfahren.

      Als Bernd und Nina dann bei den Wagners zum Kaffee-Plausch saßen, konnte Renate sich nicht bremsen: „Sagen Sie mal, wie ist das eigentlich in so einem Laden? Ich meine, man hat ja so seine Vorstellungen und die sind ja geprägt von dem, was man in der Zeitung liest, oder in Filmen sieht. Also ich kann mir das gar nicht so richtig vorstellen. Aber wenn man das alles freiwillig macht – und das tun wohl die wenigsten Frauen – dann stelle ich mir das ein wenig so vor, wie bei dem Film Belle de Jour. Kennen Sie den? Mit der unvergleichbaren Catherine Deneuve.“

      Nina kannte den Film tatsächlich nicht.

      „Also den müssen Sie unbedingt anschauen,“ bekräftigte die Frau vom Chef. „Der ist von Luis Buñuel, ein echtes Kunstwerk. Es ist einer meiner Lieblingsfilme, da er so schön mit den Träumen der Frauen spielt und man nicht immer weiß: ist das jetzt Real oder Fantasie? Die Deneuve spielt eine Arztgattin, die sich ihrem Ehemann verweigert aber heimlich in den Puff geht. Dort muss sie sich hingeben und findet gerade darin ihre sexuelle Erfüllung, denn sie hat immer solche Vergewaltigungsfantasien. Und das wird alles ganz toll umgesetzt, in dem Film.“

      Ihr Ehemann Helmut intervenierte: „Das ist doch eine uralte Kamelle aus den 60er Jahren. Die jungen Leute sehen heute doch ganz andere Filme.“

      Nina fühlte sich jedoch nicht bedrängt: „Ich kenne den Film nicht, wie gesagt, aber es klingt doch interessant. Vielleicht kann man ihn im Internet gucken?“

      „Ich habe ihn auf DVD,“ sagte Renate Wagner: „Wir könnten doch einen DVD-Abend machen, denn ich würde ihn auch noch einmal ansehen, obwohl ich ihn vielleicht schon an die zwanzig Mal gesehen habe. Aber ich entdecke jedes Mal etwas Neues in dem Film.“

      Die Frau vom Chef

      Zwei Wochen später ging Nina dann allein zu dem Ehepaar, um den Film anzuschauen. Bernd hütete das Kind derweil.

      Renate hatte gleich ein Abendessen vorbereitet und eine Flasche Rotwein aufgetischt, die sie im Laufe des Abends fast allein trank, da Nina sich weiterhin mit dem Wein sehr zurückhielt. Nachdem beide den Film geschaut und noch etwas über das merkwürdige Ende diskutiert hatten, wurde Renate plötzlich sehr vertraulich: „Ich kann mich ja wirklich nicht beklagen, weil ich Helmut ja schon sehr früh kennengelernt habe und wir zusammen drei Kinder großgezogen haben. Helmut hat ja die Fabrik von seinem Onkel übernommen und wir haben immer auf der Sonnenseite des Lebens gestanden. Ich verdanke ihm so viel, meinem Mann. Und wir sind beide auch glücklich. Aber gerade in letzter Zeit ist es eher so, dass er mehr mit seiner Firma verheiratet ist, als mit mir. Die Kinder sind ja längst aus dem Haus. Oh, ich weiß natürlich mich zu beschäftigen. Aber es ist nicht mehr wie früher. Verstehst Du worauf ich hinaus will?“ Beide Frauen waren im Laufe des Abends zum Duzen übergegangen.

      Aber Nina verstand überhaupt nicht, worauf die Frau vom Chef hinaus wollte.

      „Ich meine, wir sind beide über sechzig. Mein Mann arbeitet jeden Tag neun bis zehn Stunden, oft auch noch am Samstag. Wir sind wenig zusammen und wenn wir mal zusammen sind, dann will sein kleiner Helmut oft nicht so wie ich. Was ich sagen will: mein sexuelles Verlangen ist eigentlich genau so groß wie früher, aber mein Mann kann nicht mehr so wie früher. Ich hatte sogar daran gedacht, ob er mich betrügt, oder anderswo seine Befriedigung holt, aber das ist wohl nicht der Fall.“

      Nina begriff langsam: „Nun ja, dass kommt bei Männer häufiger mal vor. Selbst als ich mich dafür bezahlen lies, gab es manche, nicht viele, aber es ist doch vorgekommen, die zwar bezahlt haben, aber dann beim besten Willen nicht konnten.“

      „Ach. Ich dachte nun, in dem Gewerbe kennen die Frauen vielleicht Tricks, wie sie den Mann dann doch noch beglücken...“

      „Na ja, ein paar Möglichkeiten gibt es schon. Oft ist es einfach nur die Psyche. Manche Männer versagen aus Angst vor dem Versagen. Manchmal kann man da etwas machen, aber da muss man sich schon sehr auf den Mann einlassen, auf seine individuellen Vorstellungen und so.“

      „Ja so etwas habe ich mir auch gedacht. Dabei kam mir die Idee, ob Du meinem Mann nicht etwas behilflich sein kannst?“

      „Wie stellst Du Dir das vor? Vielleicht kann ich ihn zum Abspritzen bringen, aber davon wird doch Dein Sexleben nicht besser...“

      „Nun, ich weiß selbst nicht, wie ich mir das vorstelle. Deshalb frage ich Dich ja.“

      „Also wenn Du Tipps willst, wie Du ihn aufgeilen kannst, da kann ich helfen. Aber weißt Du denn selbst schon genau, was Du willst?“

      „Wenn ich jünger wäre – also als junge Frau war ich wirklich schön – da würde ich mir etwas vorstellen, wie diese Belle de Jour. Ein verruchtes Abenteuer. Aber dafür bin ich ja jetzt zu alt.“

      „Es muss ja nicht gleich ein Bordell sein. Wenn Du einfach mehr Sex möchtest, könntest Du Dir auch einen Liebhaber zulegen. Darüber könntest Du sogar ganz offen mit Deinem Mann sprechen. Es gibt nicht wenige Männer, die damit einverstanden sind. Manche wollen sogar, dass die eigene Frau einen Liebhaber hat, weil sie darin entweder eine Art Bestätigung oder irgend einen anderen Reiz finden.“

      „Einen Liebhaber? Daran habe ich nie gedacht. Ich will meinen Mann ja nicht verletzten oder gar verlassen.“

      „Weiß er denn, dass Du gerne öfter Sex hättest?“

      „Ja schon. Er war auch beim Urologen. Körperlich ist alles in Ordnung, aber er hat eben nur noch alle paar Wochen Lust darauf.“

      „Oder den Kopf dafür