Gerd Ruttka

Alte Bekannte


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mal Platz", forderte er forsch, stellte seinen Koffer hin, dann leuchtete er mit seinem Strahler Sabines Gesicht an. Seinem Gesicht war nicht anzusehen, was er dachte, als er seinen Notfallkoffer öffnete. Er nahm ein Stück Mull heraus, wischte damit vorsichtig über Sabines Gesicht. "Dacht ich mir", murmelte er, "das Blut kommt aus den Platzwunden hier an der Stirn und auf der Wange. Wahrscheinlich hat sie auch eine Wunde am Hinterkopf." "So, ihr geht jetzt am besten hier aus dem Weg. Toni, du hältst Deine Mutter weiter so. Rick und Bert gehen da hinten an den Koppelzaun, da muss jeden Moment der Rettungswagen ankommen, dann könnt ihr die Trage herbringen." 'Beschäftigung der Angehörigen zum Stressabbau' dachte er, 'hoffentlich bekommen wir das in den Griff'. Ein Jeep kam in großer Geschwindigkeit den Weg an der Koppel entlang gefahren."Ach, da ist ja auch schon Euer Doktor, wie immer blitzschnell!" Doktor Paul Wendrich, seit langer Zeit Landarzt, hatte seinerzeit seine Praxis von seinem Vater übernommen. Er war am Ort aufgewachsen, kannte Jeden, wirklich Jeden im Ort. Man sah ihm nicht an, dass er vor knapp fünf Minuten aus dem Bett geholt worden war, mit einer knappen Information, dass im Vistershof ein nächtlicher Überfall stattgefunden hatte. „Lieber Gott“, hatte seine Frau kommentiert, "hoffentlich ist das nicht der Anfang einer üblen Serie, wie man das aus den Zeitungen kennt.“ Jetzt kniete er neben Sabine, holte ein Stethoskop aus seiner Arzttasche heraus, während der Sanitäter die blutverschmierte Bluse öffnete. Er begann den Oberkörper abzuhören Keine Aufregung Hardl, “ wandte er sich an Gerhard, "da drinnen ist alles ok. Henner wird sie jetzt in die Klinik bringen, dort wird sie eins- zwei Tage unter Beobachtung stehen, dann habt ihr sie wieder." Noch während er sprach kam ein weiteres Blaulicht den Feldweg entlang gefahren. "Oh, unsere Polizei, " der Arzt ging auf den Wagen zu, aus dem ein Polizeibeamter in Uniform ausstieg, "Hallo Willi, "rief er, "schau Dir die Stelle kurz an, damit wir die Sabine ins Krankenhaus bringen können." Mit gewichtigem Schritt kam der Beamte herbei, betrachtete die Szene, „Jetzt aber weg hier, alle, das ist schließlich ein Tatort." befahl er."Wer von Euch kommt mit mir, und erzählt mir, was da passiert ist?" wandte er sich an die drei Söhne. Gerhard sah Toni an, "Du warst als erster da", begann er. Toni stand auf ging ohne ein Wort mit Willi Kreidet zum Polizeiauto. "Jetzt hol erst mal ein wenig Luft, bevor Du erzählst", der Beamte klopfte Toni auf die Schulter, liess dann seine Hand auf der Schulter des jungen Mannes liegen. An das Fahrzeug gelehnt beobachteten sie, wie Sabine auf die Trage gelegt wurde, in den Krankenwagen gebracht, und dort festgezurrt wurde. Dr. Wendrich stieg dazu ein. Gleich danach fing das Blaulicht an leuchtend zu rotieren, ohne Sirene fuhren die Sanitäter in die Klinik der Kreisstadt. Wie selbstverständlich setzte sich Gerhard in Dr. Wendrichs Jeep. Er fuhr hinter dem Krankenwagen her, bis an ihr Hoftor, während seine Söhne die Hunde ins Haus brachten. Das Handy von Gerhard, das auf seinem Nachttisch lag, schrillte unentwegt. Die Nachbarin des 5 km entfernten nächsten Aussiedlerhofes war am Apparat "Was ist bei Euch los? Kann ich Euch helfen? Gerhard erklärte was passiert war. "Du könntest uns helfen, wenn einer von Euch morgen früh die Arbeiten anfangen könnte, wenn wir noch im Krankenhaus sein sollten.“ Die Nachbarin antwortete sofort. "Kein Problem, ich schick Dir Heino- Ruf uns an und sag uns wie es Sabse geht, wenn Du wieder kommst." Sie legte auf. Gerhard war zufrieden und erleichtert. Heino, der eigentlich Heinrich Otto hieß, hatte seinen Rufnamen bekommen, weil er während der Arbeit die Lieder des bekannten Schlagersängers vor sich hin sang. Er war ein einfacher Geist, aber ein fleißiger Mann, der Tiere liebte. Einen besseren Vertreter hätte er selbst nicht finden können. Er fuhr mit seinen Söhnen im eigenen Auto zum Kreiskrankenhaus. Dr. Wendrich saß im Wartezimmer der Ambulanz, als die Männer ankamen. Bevor sie eine Frage anbringen konnten, erklärte er "Ihr könnt sie noch einen Moment sehen, dann kommt sie auf die Intensiv. Da muss jemand mit ziemlich viel Wut und irgendeinem harten Gegenstand kräftig auf sie eingeschlagen haben. Der dicke Bommel an der Mütze hat da etwas abgefedert. Vermutlich hatte sie auch die Arme über den Kopf gehoben. Ihre beiden Arme sind gebrochen, die Rippen sind angeknackst, aber ansonsten ist nichts wirklich Wichtiges getroffen. Sie hat jetzt einige Spritzen bekommen, in erster Linie ein Schmerz und Schlafmittel, sie wird vermutlich spät heute Abend, spätestens morgen früh ansprechbar sein." Fast auf Zehenspitzen folgten die 4 dem Arzt ins Behandlungszimmer, wo zwei Schwestern gerade mit dem Abwaschen des Blutes fertig waren. "Tut es ihr weh, wenn ich ihre Hand nehme?" fragte Gerhard. " Nein", lächelte die Schwester, "im Moment hat sie keine Schmerzen, sie können schon ihre Hand fassen." Gerhard fasste ihre Hand, beugte sich nach vorne und küsste sie zart. "Erhol Dich gut", flüsterte er, während er so zart wie nur möglich, einen Kuss auf ihre Stirn hauchte. Auch die Söhne nahmen jeder kurz die Hand, streichelte diese, "Bis heute Abend Mutti". Gemeinsam mit Dr. Wendrich verließen sie das Krankenhaus. Die Jungen hatten das Auto verlassen und waren schon an der Haustüre, aber Dr. Wendrich hielt Gerhard zurück."Sachemol," sprach er Gerhard jetzt im besten Dialekt an. Er zeigte damit an, dass er jetzt nicht als Arzt sondern als Freund mit Gerhard sprach. "Sachmer äämol, hoscht Du schtreid mit doinere Frau khabt in den letschde Zeid?" "Noooa!“ antwortete Gerhard verwundert. "Donn hat des mit derre Gschicht ebbe zu doon." "Waas Donn?“ (Sag 'mal. Sag‘ mir einmal, hattest Du Streit mit deiner Frau in der letzten Zeit? ----Nein! ---Dann hat des etwas mit der Geschichte eben zu tun. --- WAS denn?---)"Das Deine Frau auf der Fahrt hierher gesagt hat." wurde der Arzt wieder sachlich, "sie hat gesagt "Aber warum soll ich mich scheiden lassen?"Er stieg in sein Auto ein, fuhr nach Hause und ließ einen ratlosen Gerhard Vister zurück. Am Abend fuhr Gerhard in das Kreiskrankenhaus. Sabine lag noch auf der Intensivstation. "Sie dürfen einen Moment rein", erlaubte der junge Arzt, "aber regen sie sie nicht auf. Am Besten sie sprechen mit ihr über zu Hause. Wenn sie etwas sagen will über den Überfall, hören sie zu, aber lassen sie sich auf nichts ein." Sabine strahlte ihn an, soweit dies mit all den Schläuchen und Apparaturen möglich war. Er küsste sie auf die Stirn. "Wie geht es Dir", fragte er vorsichtig. "Da fragst Du noch.-sieht man das nicht." Sie versuchte ein Lächeln, das jedoch eher zu einem schiefen Grinsen wurde. "Kannst Du Dir vorstellen, wer das war? „ fragte sie, „es war eine Frau, mit einer Kapuze auf dem Kopf und einem Schal vor dem Mund. Außerdem hatte sie einen Schlagstock in der Hand, mit dem sie auf mich einschlug und schrie 'Lass Dich endlich scheiden, Du alte Kuh' Immer wieder schrie sie das Gleiche. Ich glaube ich habe nur Glück gehabt, dass ich die Wintermütze mit den Bommeln auf dem Kopf hatte. Das hat wohl die Schläge etwas gedämpft. Dann kamen die Hunde. Sie rannte fort, zu einem Auto. Raste mit jaulendem Motor davon. Dann muss ich ohnmächtig geworden sein- ich bin erst hier wieder aufgewacht.“ Sie atmete heftig, irgendeines von den Geräten, an die sie angeschlossen war, ließ ein penetrant lautes Plink-Plink-Plink ertönen. Nahezu sofort kamen der Arzt und zwei Schwestern herbeigeeilt."Sie sollten sie doch nicht aufregen!" schimpfte die Schwester, während der Stationsarzt und eine andere Schwester sich mit Sabine und mit den Apparaten beschäftigten. Gerhard wollte der Schwester antworten, aber seine Frau protestierte empört: "Er hat ja überhaupt nichts gesagt- ich habe ihm erzählt, an was ich mich erinnere. Das hat mich wirklich aufgeregt." "Schon gut, " der Ton der Schwester klang jetzt versöhnt, "aber es ist jetzt besser sie beide verabschieden sich. Je mehr sie schlafen, desto schneller erholen sie sich. Je schneller sie sich erholen, desto früher können sie nach Hause." "Wenn das kein Argument ist, " wandte sich Gerhard an seine Frau, "Also dann, bis morgen Liebes." Er nahm ihre Hand, beugte sich über sie und küsste sie auf den Mund." Sie lächelte ihn an, winkte so gut sie das mit den gebrochenen Unterarmen konnte. Ihr Gesicht strahlte noch immer, als die Schwester mit einer Spritze kam. "Das ist gegen die Schmerzen, damit sie heute Nacht nicht wegen der Schmerzen aufwachen." Zufrieden schlief Sabine ein. Gerhard fuhr vom Krankenhaus direkt zur Polizeiwache. Karl Hedler und Willi Kreidet waren gerade dabei den Dienst zu übernehmen. "Hallo, Hardl, was führt Dich hierher- ich hatte schon geplant zu Dir zu kommen und das Protokoll aufzunehmen. Naja, so ist‘s bequemer für mich. Warum bist Du denn gekommen?" "Weil ich Euch etwas zu erzählen habe. Eben war ich bei Biene. Sie war wach, und hat mir den Überfall geschildert. Eine Frau war das, hat sie gesagt, einer Frau die ohne Vorwarnung auf sie eingedroschen hatte und gebrüllt hatte, sie sollte sich scheiden lassen." "Sich scheiden lassen?" der Beamte war verblüfft. Er überlegte einen Moment. "Hand aufs Herz, Hardl, hattest du in letzter Zeit eine Affäre? Oder 'nen Seitensprung oder so etwas? Uns kannst Du das ja sagen, bei uns dringt nichts nach draußen." "Jetzt spinnst Du aber", meinte Gerhard wegwerfend, "außerdem mit wem und wo sollte ich das haben. Ich bin doch immer bei der Arbeit. Abends dann nur zu Hause, mit meiner Frau. "Außerdem gehen wir überall zusammen hin- das weisst Du ja auch!" Merckmann, der Diensthabende vom Tage, nickte. "Weiß ich ja - aber vielleicht hat einer Deiner Söhne