Gerd Ruttka

Alte Bekannte


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"Glaube ich nicht," antwortete er, "aber man weiß ja nie," setzte er nachdenklich hinzu, "ich schicke sie, wenn wir fertig sind im Stall, bei Dir vorbei, damit sie ihre Aussagen machen können." Die Aussagen der jungen Männer brachte nichts Neues, im Bekanntenkreis fand sich keiner der etwas anderes gesagt hätte als die Brüder. Auch bei den jungen Frauen aus diesem Kreis fanden sie keinen Anhaltspunkt, kein Hinweis, dass die Angreiferin aus diesem Kreis stammen könnte. "Wo kann man noch suchen?" fragten sich die Beamten. Im Dorf und in der Umgebung war jedermann bemüht bei der Suche zu helfen- aber es war nichts zu finden. Nach ein paar Wochen kam man zu der besänftigenden Feststellung, dass man in der Kleinstadt und dem Dorf einfach nicht die notwendigen Mittel habe so einen Fall zu bearbeiten. So beschloss der Amtsrichter, dass der Fall aus der kleinen Stadt an die Kriminalpolizei der nächsten Großstadt abgegeben würde. Die Ärzte hatten mitgeteilt, dass sie es für besser hielten Sabine zwei Wochen im Krankenhaus zu belassen. Gleich am zweiten Tag, als sie von der Intensivstation auf die Unfallstation verlegt wurde, bekam Sabine einen unerwarteten Besuch. Ihre Cousine, Andrea, kurz Andi genannt, kam aus dem hohen Norden an das Krankenbett ihrer Cousine. Sie hatte einen sympathischen männlichen Begleiter dabei, den sie Sabine als ihren neuen Lebenspartner vorstellte. "Ihre Schwester kommt sie besuchen", kündigte eine der Krankenpflegerinnen an, die Nachmittagskaffee hereinbrachte. "Ich habe keine Schwester", widersprach Sabine, als es an die Türe klopfte. Eine Frau trat ein, die eine genaue Kopie von Sabine zu sein schien." Andi, wie kommst Du denn hierher", sie wollte wirklich keine Antwort, sondern ließ sich umarmen, wobei sie versuchte die schmerzenden Stellen zu schützen. "Darf ich vorstellen: meine Kusine, Andrea. Sie ist vor 3 Monaten nach Norden gezogen, weil sie dort ihren Traumjob in einer Traumfirma erhalten hat." Sie wandte sich wieder an ihre Cousine: "Wie kommst Du denn hierher? Hat Hardl Dich informiert?" "Ja, informiert hat er mich- aber da stand ich schon für einen Überraschungsbesuch mit Julius vor der Tür. Wir haben uns kennen gelernt, als Julius seinen Sohn besuchen wollte, der an meiner Arbeitsstelle wohnt.“ Das war typisch Andrea. Sie sagte nur so viel, dass Eingeweihte wussten was Sache war. Die Tatsache war die, dass Andrea eine Arbeitsstelle als Sozialarbeiterin in einem Jugendgefängnis hatte, dass Julius also der Vater eines der Insassen war. Andrea war verheiratet und lebte in Scheidung, Sie war über 20 Jahre glücklich verheiratet gewesen. Vor etwas mehr als einem halben Jahr hatte sie Besuch bekommen von einer Frau, die sie aufforderte ihr Wohnhaus zu verlassen, da sie endlich mit Andrea‘s Ehemann glücklich werden wolle. Andrea hatte schon lange so etwas geahnt, denn das Verhalten ihres Ehemannes war, gelinde gesagt, sonderbar gewesen. Er behauptete dass er sich mit Kollegen träfe, nahm morgens eine zweite Garnitur Kleidung mit, kam erst spät in der Nacht nach Hause, und war auch an den Wochenenden nur noch selten ansprechbar. Sie hatte die beiden Hunde ins Auto gepackt, einen informativen Brief bei ihren erwachsenen Söhnen auf die Betten gelegt. Das Haus hatte sie auf der Stelle verlassen, obwohl es ihr Haus war und nicht das ihres Mannes. Das Haus, in dem ihre erwachsenen Söhne noch immer das obere Stockwerk bewohnten. Andrea war zu Sabine gefahren. Sie hatte die Scheidung eingereicht, hatte sich eine Arbeitsstelle gesucht, hatte ihren Traumjob gefunden und war dann in den Norden gezogen. Dass sie dort einen neuen Lebensgefährten gefunden hatte, war eher Zufall als Absicht. Ihre Söhne kamen jedes Wochenende zu Gerhard und Sabine, ließen es sich gut gehen, und berichteten über ihr zu Hause- wobei sie feststellen konnten, dass der Ton der neuen Frau ihres Vaters immer gereizter wurde. Anfänglich war sie anmaßend gewesen, hatte den Auszug der Söhne verlangt- bis ein Schreiben vom Rechtsanwalt Andrea‘s kam, das klar stellte, dass sie überhaupt nichts zu verlangen habe, selbst wenn sie die neue Partnerin des Vaters sei."Sie ist die Mutter von Urban, " hatte der Älteste erklärt. Sabine und Gerhard kannten Urban und seine Geschichte. Sie fragte sich wie Andreas Mann, Herbert, wohl an diese Frau gekommen war. "Ich glaube, dem ging es zu gut!“ war Gerhards einziger Kommentar.

       Urbans Mutter.

      Urban war ein Klassenkamerad des mittleren Sohnes von Andrea. Er war, wie andere Kinder auch, zum Spielen zu ihnen gekommen, war wieder nach Hause gegangen. Andrea fiel nur auf, dass dieser Junge oft recht sonderbar angezogen war, abends länger blieb als alle anderen Kinder, sehr viel aß, und niemals abgeholt wurde. In Andreas Haus standen die Waschküche und der Keller immer offen. Hinter der Waschküche hatte sie einen Raum, in dem sie ihre Gartenmöbel und Liegen aufbewahrte. Eines Tages schien es ihr, dass ihre Gartenliegen verstellt worden waren. Sie sah alles durch, aber nichts fehlte .Dennoch hatte sie weiterhin immer das Gefühl, dass im Kellerbereich irgendetwas nicht stimmte. Eines schönen Sommermorgens entschloss sie sich, sehr früh am Morgen im Garten zu arbeiten. Dabei entdeckte sie Urban, auf einer Gartenliege in der Waschküche schlafend. Die Auflösung war einfach. Urbans Mutter hatte zwar eine zwei Zimmerwohnung, aber sie hatte das zweite Zimmer an eine Freundin vermietet, so, dass Urban bei ihr im Zimmer schlief. Die beiden Frauen arbeiteten in einem Lokal, das man mit gutem Gewissen als Spelunke bezeichnen konnte. Wenn seine Mutter einen der Männer aus dem Lokal mit nach Hause brachte, musste Urban aus der Wohnung hinaus, auf der Treppe sitzend warten, bis der Mann wieder gegangen war. Jetzt, Urban war schon 12 Jahre alt, war er einfach auf sein Fahrrad gestiegen, und zu Andreas Haus gefahren um dort im Keller schlafen zu können. Seiner Mutter war das recht: egal wo ihr Sohn war. Hauptsache er lief ihr nicht im Wege herum. So war Urban mehr oder minder ein Teil der Familie Hägler geworden, er hatte einen guten Schulabschluss gemacht, und war in eine Großstadt gezogen. Man hatte ihn aus den Augen verloren. Andrea und Herbert hatten sich oft gefragt, was das für eine Mutter sei. Schnell hatten sie herausgefunden, dass der Vater des Jungen, von dem es hieß, dass er als Ingenieur im Ausland arbeitete, eine erkleckliche Summe zum Unterhalt des Sohnes beisteuerte. Dass die dem Sohn nicht zugutekam, war schon beinahe eine Selbstverständlichkeit bei der Wesensart der Mutter. Urbans Mutter hatte vor Jahren durchgesetzt, dass der Mann seinen Sohn nicht einmal besuchen durfte. So hatte sie freie Hand, nutze den Unterhalt für sich, jammerte gleichzeitig immer und überall, wie traurig ihr Los sei. Im Laufe der Zeit hatte sie diese Masche perfektioniert, lebte jetzt als Lebensgefährtin eines scheinbar ehrbaren Gastwirtes in einem Lokal. Dass sie auch hier Männer mit nach oben nahm, war dem Mann kein Dorn im Auge. Er verdiente an dem Ruf, dass es hier willfährige Frauen gab, die im Obergeschoss wohnten. Daneben konnte er unter dem Deckmantel dieses Rufes Geschäfte machen, ohne dass jemand fragte. Herbert war eines Abends mit einer Herrenrunde in diese Kneipe gekommen. Er hatte seine Spendierhosen an. Urbans Mutter, Kitty, zog Herbert das Geld aus der Tasche, horchte ihn aus. In dieser Nacht ging Herbert erst nach einem Besuch des Obergeschosses nach Hause. Er kam am nächsten Tag wieder, und wieder, und wieder- und wieder. Er sprach mit Kitty von seinem guten Job, ließ ihr jedes Mal großzügig Geld zurück, erzählte ihr stolz von seinem zu Hause, ein ehemaliges Forsthaus, viel Platz, wunderbar eingerichtet, einen kleinen aber feinen Pool im Nebengebäude, den Wohnräumen darüber, dem großen Barkeller im Hauptgebäude. In Kitty wuchs die Begehrlichkeit, nach diesem Haus, diesem Geld. Sie sprach mit ihrem Lebensgefährten, erklärte ihm, was sie alles anfangen konnten, wenn sie erst einmal diesem Tölpel das Haus abgenommen hatten. Dieser wollte erst noch einmal darüber schlafen. Am nächsten Tag stimmte er zu. Eine Woche später besuchte Kitty Herberts Frau. Zwei Tage später zog sie ein. Es war noch keine Woche vergangen, als es den ersten Disput zwischen Kitty und Herbert gab. "Sag mal, wann kommt denn die Putzfrau?" fragte Kitty, Herbert sah sie verdutzt an. "Welche Putzfrau", fragte Herbert verwundert." Na die hier fürs Haus,“ "Das Haus? Putzfrau? Das hat meine Frau selbst gemacht." "Aber ich werde das nicht tun, ich habe genug Arbeit im Lokal." Es folgte eine Diskussion, an deren Ende Herbert bereit war, eine Helferin für den Haushalt zu bezahlen. Kitty war sicher, dass sie mit weiteren Forderungen Erfolg haben würde, sie forderte Herbert auf, die Söhne hinauszuwerfen, weil diese ihr nur offene Verachtung zeigten. Herbert lehnte das ab. Nun versuchte Kitty selbst die jungen Männer zu vertreiben. Sie brachte Freundinnen mit, die behaupteten, dass die Jungen ihnen an die Wäsche wollten. Sie liefen auf. Eines Tages, sie war wieder einmal stocksauer, erklärte sie den Jungen, dass sie diese hinauswerfen würde, wenn sie erst einmal die Frau ihres Vaters wäre. Die jungen Männer grinsten nur, "Du—uns rauswerfen? Übernimm Dich nicht- keiner von uns ist Urban. Wenn Du keine Ruhe gibst, fliegst Du raus." übernahm es der Älteste ihr die Situation klar zu machen. "Was weißt Du denn von Urban?" schnappte sie. Sie starrte die jungen Männer an- plötzlich wurden ihre Augen Groß- "Ihr seid die drei Jungens die Urban immer mit nach Hause genommen haben, " zischte sie, "Euch habe ich sein andauerndes Theater zu verdanken: das ‚Geh doch tagsüber als Bedienung‘. Naja, jetzt hat er sein Fett