Gerd Ruttka

Alte Bekannte


Скачать книгу

immer nicht erfuhr, war, dass Herbert keinen Teil an dem Haus hatte, sondern jetzt, da die Scheidung lief, nur noch ein geduldeter Gast war. In der Woche darauf fand Kitty am frühen Morgen das Haus leer. Die Fahrzeuge von Herbert und seinen Söhnen standen nicht auf dem Hof. Ungerührt legte sie sich schlafen. Als Herbert am nächsten Morgen mit seinen Söhnen in gedrückter Stimmung an dem Frühstückstisch saß, kam Kitty in glänzender Laune dazu. "Na, Leute, ihr seht ja aus als hättet ihr Haus und Hof verzockt! Was gibt‘s denn? "Herbert sah sie einen Moment an. "Die Cousine meiner Frau, die in Rohrbach einen Pferdehof besitzt, wurde heute Nacht übel zugerichtet, mit einem Schlagstock, nimmt der Arzt an. Sie liegt schwer verletzt im Krankenhaus.""Das ist die, die aussieht wie eine Schwester von unserer Mutter“, erklärte einer der Söhne. "Genau so nett ist wie unsere Mutter", mischte sich der Jüngste ein. "Außerdem haben wir von ihr unsere Hunde", der älteste seufzte, "ich vermisse sie“, setzte er hinzu. "Deine Mutter? " fragte Herbert."Die auch, aber mit der kann ich telefonieren oder mailen- nein, ich meine die Hunde. Da bringt es Garnichts, das Tante Sabine die gleichen hat, das ist einfach nicht Tolli und Watschel." "Was sind denn das für alberne Namen für Hunde?" fragte Kitty. Die drei jungen Männer gaben ihr keine Antwort. Sie standen mit vernichtenden Blicken auf, räumten ihr Kaffeegeschirr in die Spülmaschine, bevor sie das Haus verließen.“ "Es ist kein Geheimnis“, sagte Julius Netzler zu Gerhard, „ich hatte einen Antrag gestellt, dass mein Sohn aus Frankfurt zu uns hoch verlegt wird, damit ich ihn des Öfteren besuchen kann. Als Andi dann Sozialarbeiterin in dem Haus wurde, bekam ich erst mit, was Urban dort unten mitgemacht hatte." "Urban???“ fragte Hartl, "der Urban, der gelegentlich mit den Jungen zu uns kam. Der Sohn von dieser Kitty, die im Moment an Herbert klebt, wie ein Stück Sch..." er hielt inne, "Ich meine, dieser Urban war doch ein netter fleißiger Junge. Wie kommt der denn in den Knast?" "Das weiß keiner so genau- obwohl er nie drogenabhängig war, und auch keinen Kontakt zur Szene hatte, fand die Polizei bei ihm eine einfache Einkaufstüte mit rund 10.000 Euro und etwa 2kg Rauschgift in der Klappe seiner Schlafcouch unter den Winterdecken. Er war zuerst erschrocken, erklärte, er wisse nichts davon. Die Ermittler konnten auch keine Kontakte zur Szene feststellen. Dann urplötzlich behauptete er, dass das nicht seine Drogen seien, er sei nur das Zwischenlager. Aber er nannte nicht den Namen, wer ihm das eingebrockt hatte. Ich selbst habe herausgefunden, dass seine Mutter und ihr damaliger Freund ihn zu dieser Zeit fast jedes Wochenende besucht hatten. Aber diesen beiden war auch kein Umgang mit Drogen nachzuweisen. Ich denke, Urban wollte seine Mutter nicht nennen. Außerdem habe ich den Verdacht, dass seine Mutter oder der Freund zu diesem Zeitpunkt gedealt haben. Dann die Arglosigkeit von dem Jungen ausgenutzt, bei ihm ein sicheres Lager eingerichtet haben - in seinem Bettkasten, an den er immer nur zwei Mal pro Jahr ging." "Auf jeden Fall, "setzte er nach einer kleinen Pause hinzu, "haben wir einen Rechtsanwalt genommen der recherchieren lässt, was damals schief lief, und im Moment sieht es so aus, als würden da einige Köpfe wackeln, wenn nicht gar rollen. Herbert befand sich in Aufruhr. Kitty war drei Nächte nicht nach Hause gekommen. Am vierten Tag stellte er am Abend fest, dass ihre sämtlichen Kleider und Schuhe aus dem Schrank verschwunden waren. Er wollte nun zu Sergeij in die Kneipe in der er Kitty kennen gelernt hatte. Aber Adjan, der Türsteher machte ihm unmissverständlich klar, dass er als Gast unerwünscht war. Er schien so etwas wie Mitleid mit ihm zu haben, hielt ihn nur am Arm fest. Dann sagte er ernst aber nicht unfreundlich: "Vergiss das hier, Kitty hat Dich ausgenommen: jetzt wo kaum noch etwas zu holen ist, ist sie eben dahin gegangen wo sie herkommt: dahin, wo es leicht ist für eine Frau wie sie an Geld zu kommen, wo sie mehr Geld in die Hände bekommt."Herbert entschloss sich, dem Rat zu folgen, war schon zwei drei Schritte von der Tür entfernt, als Adjan ihn noch einmal ansprach. "Herbert glaube mir“, sprach er mit seinem unverkennbaren Akzent, “ solche Frauen habe ich schon viele gesehen, meist nehmen sie kein gutes Ende. Wenn ich die Zeichen richtig kenne, ist Kitty auf dem Weg dahin fast am Ende. Sie weiß nicht mehr, wo sie gar nicht erst anfangen sollte, oder aufhören muss. Das bringt keinen Gewinn." Die Spurensicherung der Kriminalpolizei in D. war von den Beamten aus der kleinen Kreisstadt gerufen worden. Nicht weil die Beamten vor Ort keine Spuren sichern konnten, sondern weil die Auswertungen der Spuren den ganzen Fall nur noch rätselhafter machten. Wie das in kleineren Orten war, kannte jeder jeden. Gerhard Vister hatte keine Beziehung zu irgendeiner anderen Frau, man hatte seinen Lebenslauf bis zurück zur Schulzeit verfolgt, aber auch dieser Weg war ein Weg ins Irre: keine Schulkollegin die irrsinnig in ihn verliebt gewesen wäre, auch hier nichts. So war man nach einer Woche dem Beschluss des Untersuchungsrichters gefolgt bei den Kollegen in D. angefragt, ob diese etwas mit den Spuren anfangen konnten. Die Kollegen der D.-Städter Spurensicherung kamen. Weil es die ganze Zeit nicht geregnet hatte, suchten sie Spuren, die die Kollegen aus der kleinen Kreisstadt noch nicht gefunden hatten, aber sie konnten diesen Kollegen bestätigen, dass sie überaus präzise gewesen waren. Nur- alle Präzision nutze nichts- man kam nicht weiter. D. übernahm den Fall offiziell.

       Steezer übernimmt.

      Steezers Abteilung bekam den Fall zugeteilt. Sein Team besprach die Fakten eingehend, aber keiner hatte eine zündende Idee. Zuletzt übernahm Helga Nickel es freiwillig alles akribisch genau zu untersuchen. In erster Linie, weil eine Frau betroffen war, und Helga galt als geradezu exzellente Spezialistin, die bei Frauen größte Erfolge hatte, wenn es um Präzisierung der Fakten ging. Sie nahm Bearbeitung des Falles in die Hand, arbeitete mit gewohnter Genauigkeit. Sie verbrachte einen ganzen Nachmittag mit Sabine auf dem Hof. Die beiden Frauen gingen den Weg ab, den Sabine an diesem Abend gegangen war- nichts war zu finden. Weder auf dem Wege noch im Gedächtnis von Sabine. Sie klapperte das gesamte Umfeld ab. Nichts, keine geheimnisvollen Fahrten des Ehemannes, keine über den üblichen Rahmen hinausgehenden Freundlichkeiten, keine Treffen irgendwo- nichts. Sie sah sich in der Firma um, in der Gerhard arbeitete um, prüfte alle Frauen bis in kleinste und fand- Nichts. Keine Liebelei, keine Auffälligkeit bei den Firmenfeiern - nichts. "Wenn es weniger als ‚NICHTS‘ gäbe, ich könnte das auf die Akte schreiben.“ Mit diesen Worten legte sie nach drei Monaten die Akte auf Steezers Tisch. Dieser lachte, dann legte er die Akte in ein Fach, das er für sich selbst als " Einfach aufheben, bis sie nach einer Anstandsfrist für immer ins Archiv verschwindet“ bezeichnete. Er vergaß den Fall über die aktuellen brennenden Fälle. Eine Sache brannte Steezer besonders unter den Nägeln: große Mengen von Drogen waren momentan am Markt, sie überschwemmten die Szene geradezu. Davon noch nicht genug: Man fand die kleinen Dealer, die kleinen Fische die meist ihren Eigenkonsum mit Dealen finanzierten. Aber wie die Drogen in die Stadt kamen war nicht herauszufinden. Noch weniger fand man die Verteiler. Es war klar, dass es sie geben musste, die Verteiler die an die kleinen Dealer lieferten, ebenso wie klar war, dass irgendwo die Gross-Lieferungen ankamen und aufgeteilt wurden. Aber die Drogenfahndung lief ständig ins Leere. Als dann die ersten beiden Toten im Herrngarten gefunden wurden, bekam Steezer auch diesen Fall zugeteilt. Es war wieder Freitag, Soko 1, wie Steezers Team offiziell hieß, hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, die Ergebnisse der Ermittlungen der Woche auszutauschen, damit sie Montag ohne große Pause weitermachen konnten. So saßen sie bei der routinemäßigen Freitagssitzung zusammen: Die drei ständigen Teams bestehend aus je 2 Mann, die sich bei den einzelnen Fällen Mitarbeiter aus allen Bereichen aussuchen konnten, je nachdem wie die Fälle gelagert waren. Da im Moment die Teams nicht erweitert waren, hatten die meisten im Kopf schon das Wochenende, ansonsten waren sie einigermaßen angeödet. Fest davon überzeugt, dass sie alles schon unter der Woche untereinander ausgetauscht und abgesprochen hatten. "Das war eine dröge Woche“, erklärte Werner Heberer, "Weder bei den Drogenopfern, noch sonst-irgend-wo ein Anhaltspunkt oder ein Erfolg. Wo man auch hinsieht keine Ergebnisse, nicht mal einen kleinen Schritt." "Geht mir genau so“, Carlo Maretto‘s Tonfall gab seine Frustration deutlich wieder. Dann grinste er plötzlich jungenhaft. "Einzig Peter, das Wiesel, hat für etwas Abwechslung gesorgt. Ich hatte im Nachbarhaus den Jungen gesucht, der den ersten toten Junkie gefunden hatte. Vor der Haustür saß Peter Scheurer, das Wiesel, auf der Bank, zusammen mit zwei anderen alten Kunden. 'Na, wenn das nicht der kleine Carlo ist, der immer auch ein Eis wollte, wenn meine beiden eins bekamen. Carlo, Carlo, wenn Du wüsstest, wie viel Eis Du mir noch schuldest bis wir damit wieder Quitt werden. Komm setzt Dich ein wenig zu uns, auch wenn Du jetzt zur anderen Fraktion gehörst, warst Du doch mal einer von uns. Aber jeder soll tun, was er am BESTEN kann. Du kannst wohl den Polizisten am besten, sonst wärst Du nicht bei Steezer.' 'Weißt Du was, Peter Scheurer, habe ich geantwortet, ich werde meine Schulden