Niels Rudolph

Die Weberin der Magie


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      »Okey dokey, schieß los«, sagte ihr Sprecher kleinlaut.

      »Ihr solltet die Gefangenen nicht töten, foltern oder essen. Sie könnten noch nützlich für euch sein.«

      »Und was sollen wir deiner Meinung nach dann mit ihnen tun?«, fragte einer der Orks nachdenklich.

      »Ich habe einen Plan. Er beinhaltet diese Hexe«, sagte Wulfhelm und versuchte vorsichtig, das Verhältnis der Monster zur Hexe auszukundschaften.

      »Lass uns bloß mit diesem widerlichen Weibsstück in Ruhe«, winkte ein Ork ab.

      Aha. Wulfhelm frohlockte innerlich. Die Monster schienen keine Freunde der Hexe zu sein.

      »Wisst ihr noch, was sie mit Gorrok und den anderen gemacht hat? Hoffentlich haben sie einen schönen Teich gefunden, wo sie Fliegen fangen können. Ausgerechnet Frösche«, fuhr der Ork mit andächtig gesenktem Kopf fort.

      »Vielleicht können euch die Gefangenen helfen. Der Junge ist ein Zauberer und könnte die Hexe besiegen.« Wulfhelm widerstrebte es zwar, gegen die böse Hexe anzutreten, aber es war immer noch besser, als in der nächsten Zukunft im Suppentopf zu landen. Die Monster blickten sich listig an und Wulfhelm kam der schleichende Verdacht, dass er sich vielleicht doch zu viel aufgeladen hatte. Wie zufällig kamen die Monster herangetrippelt, allesamt ein unschuldiges Engelsgesicht zur Schau tragend.

      »Sag mal ... Wir haben gehört, du wärst ein Zauberer«, sagte Borgra beiläufig und schien sich sehr für den Zustand seiner Fingernägel zu interessieren. Wulfhelm hatte diese Sache angefangen, jetzt musste er sehen, wie er sie zu Ende brachte. Er nahm all seinen Mut und seine Überzeugungskraft zusammen und blickte die Monster entschlossen an.

      »So ist es«, sagte er mit fester Stimme.

      »Wir haben euch einen Vorschlag zu machen. Wie es aussieht, werdet ihr in der nächsten Zukunft ... nun ja ...« Der Ork deutete vielsagend auf das Lagerfeuer.

      »Aber großzügig, wie wir nun mal sind, haben wir nach sorgfältiger Überlegung erwogen, euch die Freiheit zu schenken.«

      Die Oger murrten und quengelten, doch der Ork brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen.

      »Als Gegenleistung für eine kleine Gefälligkeit selbstverständlich, umsonst ist noch nicht mal der Tod. Interessiert?«

      »Worum geht‘s?«, fragte Wulfhelm, obwohl er natürlich wusste, was Sache war.

      »Wir haben da ein klitzekleines Problemchen. Natürlich nichts, womit ein weit gereister, mächtiger Zauberer wie ihr nicht fertig werden würde. Hier in der Nähe wohnt ein altes Mütterchen, das uns ein wenig Kummer bereitet hat. Im Grunde ist sie ja nur eine einsame, alte Omi, aber sie scheint uns nicht besonders zu mögen. Also haben wir uns überlegt, ob ihr nicht zu ihr gehen könntet, um sie davon zu überzeugen, dass wir eigentlich ganz nette Kerlchen sind, die sie nicht zu fürchten braucht. Unsere Kameraden, die jetzt in der Nähe des kleinen Teiches wohnen, wären überdies sehr dankbar, wenn die gute Frau nicht mehr böse auf sie wäre«, säuselte der Ork.

      Wulfhelm betrachtete die Monsterversammlung aufmerksam und das Bild eines Tempelchores schoss ihm durch den Kopf. Irgendetwas störte ihn an der ganzen Geschichte. Vielleicht waren es die vielen Verniedlichungen, die der Ork benutzt hatte, oder aber die lammfrommen Gesichter, die ihn rührselig ansahen. Trotzdem schien es ihre einzige Chance zu sein, dem Mitternachtsimbiss zu entgehen.

      »Mit anderen Worten sie ist böse und gefährlich«, brummte Harika.

      Die Monster schüttelten verneinend die Köpfe.

      »Nein, nein ... höchstens ... ein ganz klein wenig, vielleicht«, stammelten die Ungeheuer.

      »Ihr seid doch auch böse. Eigentlich müsstet ihr doch gut mit dieser Frau auskommen.«

      »He, Moment mal!«, entrüstete sich der Ork. »Das ist wieder typisch für euch zivilisierte Menschen, alles in eine diskriminierende Schublade zu stecken. Aber wir haben eine ernst zu nehmende Profession. Stellt euch doch nur mal all diese Heldensagen ohne die Monster und Bösewichter vor. Ich verrate dir, was diese Geschichten wären: Dreck! Sie wären nicht mal halb so interessant und kein Mensch würde sie sich anhören wollen. Aber macht es uns wirklich gleich zu üblen Kerlen, nur weil wir einen wichtigen Beitrag zum kulturellen und sozialen Leben leisten? Wir selbst bezeichnen uns nicht als böse, sondern als Opposition und im Gegensatz zu der Hexe, die völlig abgetickt ist, kann man mit uns auch anständig reden. Ich kenne zum Beispiel einen Drachen ...«

      »Drachen!?«, riefen die Menschen entsetzt.

      »Seht ihr, ihr tut es schon wieder. Dieses entsetzte Gehabe allein bei der Erwähnung eines andersartigen Wesens. Wenn das kein Rassismus ist ... aber zurück zu diesem Drachen: Er ist nämlich ein echt dufter Kerl. Er bescheißt zwar ab und zu beim Kartenspiel, aber man kann mit ihm durch dick und dünn gehen ...«

      »Mich würde mal interessieren, was ihr überhaupt hier zu suchen habt? Ihr befindet euch mehr oder weniger im Zentrum der Zivilisation«, unterbrach Harika den Ork.

      »Wir sind aus den Bergen gekommen, weil wir hier ein herrlich schlechtes Karma gespürt haben. In den Bergen oder der Steppe des Todes und allem anderen unwegsamen Gelände können wir unbeschwert leben, weil die Menschen sich nicht trauen es zu betreten. Nun, als wir hier ankamen, haben wir einen wahrhaft paradiesisch düsteren und feuchten Forst vorgefunden und uns häuslich niedergelassen. Nur schade, dass wir solche Probleme mit unserer Nachbarin haben.«

      Kriegerin und Zauberer sahen sich ratlos an.

      »Wenn wir uns der Hexe stellen sollen, dann brauchen wir aber unsere Ausrüstung«, wandte Wulfhelm nachdenklich ein.

      »Ihr bekommt eure Sachen zurück, und wenn ihr das Muttchen überzeugt habt, uns nicht länger als Feinde anzusehen, seid ihr freie Leute. Haben wir einen Deal?«

      Hilfe suchend sah Wulfhelm zu Harika hinüber, die nur kurz nickte.

      »In Ordnung. Wir werden uns um die Sache kümmern«, besiegelte er den Pakt.

      »Das wird für euch sicher ein Kinderspiel«, bekräftigte Borgra und winkte einigen Monstern, die in der Nähe herumstanden, die Fesseln zu lösen. Mit einigem Unbehagen stellte Wulf fest, wie ein enttäuschter Schatten über die Gesichter der Oger huschte, sie hatten sich offensichtlich sehr auf etwas Abwechslung in der Küche gefreut. Leichte Zweifel schlichen sich in Wulfhelms Gedanken ein. Was, wenn die Ungeheuer sich nicht hundertprozentig an die Abmachung hielten? Er kramte ein Pergamentstück aus seinem Rucksack und setzte schnell einen Vertrag auf. Die Monster sahen ihm neugierig zu.

      »Was soll das denn jetzt?«, fragte ein Goblin und versuchte einen Blick auf das Papier zu erhaschen.

      »Hier, unterschreibe das. Ich hoffe doch mal, Ehre ist euch kein unbekannter Begriff.« Wulfhelm reichte das Pergament an Borgra, der es mit gerunzelter Stirn überflog.

      »Mann, seid ihr harte Verhandlungspartner«, stöhnte er und kritzelte sein Zeichen unter den Vertrag.

      Kapitel 5: Kuhhandel?

      Die Monster hatten sie tatsächlich freigelassen und ihre Ausrüstung herausgerückt. Abschließend hatten sie ihnen freundlich den Weg zur Behausung der Hexe gewiesen. Die Sonne war bereits aufgegangen, als sie sich der Hütte der Hexe näherten und Wulfhelm wurde das Gefühl nicht los, dass die Monster ganz in ihrer Nähe waren. Wahrscheinlich folgten sie ihnen, um die Einhaltung des Vertrages zu überwachen. Es war nicht besonders schwierig, die windschiefe Hütte der Hexe zu finden, man brauchte nur der zunehmend verdörrten Vegetation zu folgen.

      »Das gefällt mir nicht«, brummte Harika. »Wie wollen wir gegen die Hexe vorgehen?«

      »Darüber denke ich schon die ganze Zeit nach, aber mir will einfach nichts einfallen. Wenn wir nur wüssten, was für eine Person sie ist, oder wie mächtig ihre Zauber sind«, entgegnete Wulfhelm verzweifelt. Harika rümpfte die Nase und zeigte mit einer weit ausholenden Geste auf das Gebiet, durch das sie ritten.

      »Reicht