Niels Rudolph

Die Weberin der Magie


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das über die Welt hereinbrach, als die göttlichen Zwillinge den Krug zerstörten.

      »Splitter des Schutzkristalls regneten auf das Land hernieder, es blieben Wüsten und Ödland und Meere aus edelstem Whisky zurück. Die Bewohner der Scherben riefen nach Tornak, der sie jedoch nicht hören konnte, und machten sich gegenseitig für diese Katastrophe verantwortlich. So bekämpften sich die Rassen gegenseitig und die schrecklichsten Kriege wurden ausgefochten. Als Tornak sah, was geschehen war, zürnte er den bösen Göttern. Über seinem zerbrochenen Krug jedoch weinte er aus Wut und Verzweiflung eine ganze Woche lang bittere Tränen. Diese Tränen fielen auf das Land und enthielten all den bösen Groll, den Tornak gegenüber den Göttern hegte. Als Tornak jedoch sah, dass an den Stellen, wo die Splitter des Kristalls gelandet waren neues Leben erblühte, schöpfte er wieder Hoffnung. Die Whiskymeere jedoch vermischten sich mit dem Staub des Fußbodens und wurden ungenießbar. Wo seine hasserfüllten Tränen lagen, die zu Diamanten wurden, breitete sich das Böse aus und es wollte einfach nichts Rechtes in der Nähe der Tränen gedeihen.«

      Der Gnom nahm einen Schluck Wein aus dem Krug und sah Harika und Wulfhelm abwechselnd durchdringend an.

      »Dies ist also die Legende wie Gut und Böse, manifestiert in den Trümmern des Kristalls und den Tränen des Tornak, in unsere Welt gekommen sind«, sagte er bedeutungsvoll.

      »Wenn ein Stück des Schutzkristalls in dieses Zepter eingefasst ist, dann müsste es doch ...«, begann Wulfhelm, stockte jedoch, als der Redeschwall des Gnoms wieder einsetzte:

      »Richtig. Das Zepter trägt die gebündelte Kraft des Guten in sich und war ein Segen für das gesamte Kaiserreich. Es brachte Wohlstand und Frieden für alle Wesen, denn das Böse konnte nicht in der Nähe des Zepters existieren. Somit gab es keine Krankheiten und Plagen in seinem Wirkungsbereich. Wesen mit bösem Charakter wurden durch den Einfluss des Zepters gut, oder, wenn sie sich dagegen wehrten, vernichtet. Leider funktionierte dieser Sinneswandel nur, wenn die böse Kreatur das Zepter sah oder berührte. Auf diese Schwachstelle bauten einige düstere Individuen einen teuflischen Plan auf. Der Kaiser bewahrte das Zepter in einer Glasvitrine im höchsten Turm seines Palastes auf, wo es jeder sehen konnte, sodass es seine Wirkung frei entfalten konnte. Zur Sicherheit waren überall Wachen postiert um das Unmögliche zu verhindern, dass es nämlich gestohlen wurde. Denn jeder Dieb wäre von dem Zepter von seiner bösen Absicht abgebracht worden, sobald er es sah oder berührte. Nun stand das Zepter einigen Leuten bei der Durchführung ihrer Pläne im Wege. Sie schickten, nach einigen gescheiterten Versuchen, und nachdem sie einige Meisterdiebe von ihrer Lohnliste gestrichen hatten, weil diese jetzt ihr Brot als Friseure, Bäcker oder Klosterbrüder verdienten, eine Schar von dunkel gekleideten Damen und Herren, die sich selbst Kinder der Nacht nannten. Es handelte sich hierbei um Vertreter einer Assassinen-Gilde, also um Leute, die den waffenlosen Kampf meisterlich beherrschten und auch sonst sehr geschickt zu Werke gingen. Das Besondere an der Gilde der Kinder der Nacht war aber, dass ihre Mitglieder alle blind waren. Sie sahen das Zepter nicht, also war Punkt eins der Gefahrenliste umgangen. Die Assassinen drangen eines Nachts in das Schloss ein und schalteten die Wachen aus.

      Wie sie das Zepter bekamen, ohne es zu berühren, ist bis dato nicht bekannt, allerdings auch denkbar einfach. Eine Theorie besagt, dass die Diebe es, nachdem sie die Vitrine zerbrochen hatten, mit einem Stock oder Schwert von seinem Sockel gestoßen haben und in einem Sack aufgefangen haben. Es ist auch unwichtig, denn das Zepter war weg und die bösen Drahtzieher hinter der ganzen Aktion konnten nun weiter ihren dunklen Machenschaften nachgehen, ohne mit dem Ding in Konflikt zu geraten. Wie ich anfangs schon erwähnte, erstreckt sich der Einfluss des Zepters über eine große Entfernung, nur die Geschichte mit dem Gesinnungswandel beschränkt sich auf Sicht- oder Körperkontakt. Demnach muss sich rund um den heutigen Aufenthaltsort des Zepters eine Aura des Guten ausbreiten.«

      Wulfhelm wurde im Laufe dieses Vortrages immer aufgeregter. Endlich wusste er, wonach er suchen sollte und das es sich bei dem Prügel tatsächlich um ein machtvolles Instrument handelte. Der Gnom schien alles über das Zepter zu wissen, daher war seine nächste Frage naheliegend.

      »Wo finden wir das Ding?«, sprudelte es hoffnungsvoll aus ihm heraus.

      »Keine Ahnung«, erwiderte der Gnom knapp und zuckte mit den Schultern. Daraufhin erhellte sich der Raum wieder und die anderen Gnome klatschten stürmisch Applaus.

      »Es ist besser, wenn ihr jetzt geht«, sagte der Chef-Gnom. »Ihr könntet dann noch vor Einbruch der Nacht die tausendjährige Buche erreichen. Dort kann man sicher rasten, denn nachts, wenn die Ungeheuer ihre Höhlen verlassen, ist hier ganz schön was los.«

      Harika, die sich ganze Zeit über schweigend auf ihr Schwert gestützt hatte, erwachte wieder zum Leben.

      »Ja, lass uns abhauen. Ich brauche dringend frische Luft.«

      Kapitel 4: je später der Abend ...

      »Es wird bald dunkel«, stellte Wulfhelm mit sicherem Instinkt fest. Sie waren eine gute Strecke weit gekommen, seit sie von der Gnomen-Höhle aufgebrochen waren und langsam begann Wulfhelm sich zu fragen, warum dieser Wald gefährlich sein sollte. Sie waren bis jetzt, außer den Gnomen, noch keiner Seele begegnet. Gut, da war dieser Vorfall, als sie ein Baum mit seinen Ästen vermöbeln wollte, aber sonst hat sich ihnen wirklich nichts in den Weg gestellt. Oh, er vergaß dabei vielleicht die Dornenbüsche, die sie umzingelt hatten und immer dichter auf sie zugerückt waren, aber auch dies empfand der Jungzauberer nicht als ungewöhnlich. Jedenfalls hatten sie keinen Zwischenfall, der sich nicht mit einem scharfen Schwert hätte beseitigen lassen.

      »Ob das wohl die tausendjährige Buche ist?«, fragte Harika gerade zum zehnten Mal und schreckte Wulfhelm aus seinen Gedanken. Immer wenn sie an einer Buche vorbeigekommen waren, hatte die Kriegerin diese Frage gestellt, aber diesmal schienen sie tatsächlich am Ziel zu sein. Ein riesengroßer Baum ragte vor ihnen in den Himmel. Man hätte wohl mindestens zwanzig Männer gebraucht, um ihn zu umfassen. Wulfhelm begann den Umfang des Riesen abzuschreiten und entdeckte dabei eine Tür im Baumstamm, die mit einem Gebüsch getarnt war.

      »Ob der Kobold das mit dem sicheren Rastplatz gemeint hat?«, fragte Wulfhelm und blickte Harika skeptisch an.

      »Vielleicht wohnt dort jemand. Klopf doch mal an die Tür.«

      Er tat wie ihm geheißen und wartete artig, doch niemand schien sich für sie zu interessieren. Es stellte sich heraus, dass die Tür unverschlossen war. Im Inneren des Baumes führte eine in das Holz geschnitzte Wendeltreppe nach oben. Es war etwas feucht und roch modrig. Vorsichtig, um nicht auf den glitschigen Stufen auszurutschen, stieg Wulfhelm nach oben und gelangte schließlich in eine Höhle, die mit Stroh ausgelegt war. Ein Astloch, das groß genug war, um den Kopf durchzustecken, diente als Fenster zur Welt. Er sah nach unten. Harika saß gelangweilt auf dem Pferd und kratzte sich gedankenverloren am Hintern.

      »Juhu, hier oben!«, rief Wulfhelm um die Aufmerksamkeit der Kriegerin (und aller anderen Waldbewohner) auf sich zu lenken.

      »Himmel, schrei doch nicht so«, bellte sie zurück und blickte ihn fragend an.

      »Sieht ganz behaglich aus, komm hoch.«

      Es war offensichtlich, dass dieser Unterschlupf nicht für Pferde geeignet war, also versteckte Harika das Tier in einer Buschgruppe und band es fest. Danach betrat sie die Baumhöhle und zog das Gebüsch wieder, so gut es eben ging, vor die Tür. Sicher war sicher. Während Wulfhelm sich an den Vorräten zu schaffen machte, richtete die Kriegerin ihr Strohlager her und betrachtete es prüfend.

      »Wir werden uns sicher Flöhe oder etwas noch Schlimmeres einfangen, wenn wir hier schlafen.«

      Wulfhelm trat zu Harika herüber und reichte ihr ein Stück Wurst.

      »Immer noch besser als den Ungeheuern in die Arme zu laufen, findest du nicht?«, entgegnete er und trat auf eine fette Spinne, die aus seinem Bett kroch.

      »Hab ich dir eigentlich schon mal erzählt, wie froh ich bin, dass du bei mir bist? Ich meine natürlich ..., äh ... du bist so ... na ja, du weißt schon.« Wulfhelm wollte Harika einfach nur etwas Nettes sagen, doch im Verlauf seiner Erörterung, nahm