Niels Rudolph

Die Weberin der Magie


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Schuhe.

      »Was ist denn da unten los?«, fragte Harika und versuchte an Wulfhelm vorbei zu sehen. »Ist das etwa Musik?«

      Wulfhelm wurde wie auf Kommando wieder aufgeregt.

      »Ja, das kommt von irgendwo dahinten.« Er zeigte über seine Schulter. »Hier scheint es ein ganzes Labyrinth von Tunneln zu geben.«

      Harika ging zum Pferd zurück und band die Zügel an einen Baum.

      »Geh mal ein Stück zur Seite, ich komm runter.« Behände schwang sie sich durch das Loch und landete katzengleich in einem Tunnel, der sich, leicht nach unten führend, in der Dunkelheit verlor.

      »Mann ist das düster. Wir könnten eine Lampe brauchen«, stellte sie skeptisch fest.

      »Ich Schafskopf!« Wulfhelm schlug sich mit der Hand gegen die Stirn. Fluchs betete er eine Beschwörungsformel herunter und der niedrige Gang wurde durch ein gespenstisches Leuchten erhellt. Vereinzelt ragten knorrige Baumwurzeln aus den Wänden und erweckten den Eindruck, als ob sie nur auf ein Opfer warten würden, das sie packen konnten. Geduckt folgten sie dem Tunnel und stießen kurze Zeit später auf eine Kreuzung. Der Gang war hier wesentlich breiter, aber die niedrige Decke erwies sich als störend. Sie befanden sich nun ein ganzes Stück tiefer unter dem Waldboden und die Wände des Ganges waren mit Lehmziegeln ausgekleidet. Vereinzelt waren dort Zylinder aus Metall angebracht, die im Boden und in der Decke verschwanden. Ein dumpfes Rumoren war zu hören und ein Stampfen. Gelegentlich zischte heißer Dampf aus den Zylindern.

      »Hier hat sich jemand häuslich niedergelassen«, stellte Wulfhelm unnötigerweise fest.

      »Ich wette, hier finden wir diese kleinen Strauchdiebe«, entgegnete Harika und ihr, mittlerweile verrauchter, Zorn flammte wieder auf.

      »Es war doch nur ein ganz kleines Stück Fleisch«, sagte Wulfhelm gönnerhaft in einem Versuch, Harikas Mütchen zu kühlen.

      »Darum geht es doch gar nicht. Ich lass mich halt nicht gern beschubsen und beklauen. Außerdem könnten diese Kerle etwas über den Wald wissen, das uns nützen könnte. Oder findest du es normal, dass es keine Tiere in diesem verfluchten Forst gibt?«

      Kontra. Wulfhelm sah ein, das Harika gar nicht so schief lag. Wenn es ihm auch Unbehagen bereitete, hier in diesen Tunneln herumzustolpern, schien es doch die einzige Möglichkeit zu sein, etwas über den ungastlichen Wald, oder sogar den Verbleib des Zepters von Ardavil zu erfahren.

      »Hm. Die Musik scheint aus dieser Richtung zu kommen.« Wulfhelm lauschte den etwas lauter gewordenen Klängen.

      »Scheint so, als läuft da ein wildes Gelage. Na die Suppe versalzen wir denen.« Harika ging vorsichtig den Gang hinunter und zog Wulfhelm hinter sich her.

      Hinter einer Gangbiegung schimmerte verhaltener Lichtschein und deutete auf die Quelle der guten Laune hin. Am Ende des Tunnels befand sich etwas, das sich unter den gegebenen Maßstäben als Saal bezeichnen ließ. Hier konnten die beiden Menschen fast aufrecht stehen. Eine größere Anzahl kleiner Tische und Stühle füllte den größten Teil der Fläche und machte es schwierig, sich zu bewegen, ohne das Mobiliar anzurempeln. Eine Gruppe von Gestalten saß zusammen um eine Feuerstelle und ließ einen Weinkrug kreisen. Die Wesen waren menschenähnlich, nur ziemlich klein. Kleiner als Zwerge, die immerhin größer als vier Ellen waren. Wulfhelm nahm an, dass es sich um Gnome oder Kobolde handelte.

      »HA! DAS GELAGE IST VORÜBER!«, grölte Harika und stützte sich so elegant, wie es auf dem engen Raum möglich war, auf ihren Zweihänder.

      Quiekend rannten die kleinen, schmutzigen Gestalten durcheinander und verschmolzen in einer Ecke des Raumes zu einem zitternden Bündel.

      »Die scheinen nicht besonders gefährlich zu sein«, stellte Wulfhelm nüchtern fest.

      »Erst harmlose Wanderer beklauen und dann zittern und winseln, das sind mir ja schöne Früchtchen«, erwiderte die Kriegerin, an das Knäuel in der Ecke gewandt. Ein besonders mutiges Exemplar der Wesen löste sich von den anderen und baute sich etwas weiter vor den anderen auf.

      »Es tut uns ja auch unermesslich leid, aber wir haben ja schon so lange kein Fleisch mehr gegessen und dieser leckere Geruch hat uns irgendwie die Sinne verwirrt, denn wir sind eigentlich nicht so, das müsst ihr uns glauben edle Leute. Es lag wirklich nicht in unserer Absicht jemanden zu schaden, oder etwas zu stehlen. Seht mal, im Grunde unserer Natur sind wir liebenswerte, friedfertige Wesen, die niemandem etwas Böses wollen und so anständigen Reisenden wie euch ...«, begann die Kreatur mit weinerlicher Stimme in nicht enden wollendem Redefluss, wurde aber von einer gebieterischen Handbewegung Harikas zum Schweigen gebracht.

      »Ist ja eklig diese Kriecherei.« Sie machte ein Gesicht, als hätte sie in eine Zwiebel gebissen.

      »Schon vergessen. Könnt ihr uns vielleicht etwas über den Wald und seine Gefahren erzählen. Wir haben noch keine Tiere gesehen, oder gehört. Das ist doch unheimlich hier. Oder habt ihr schon einmal von dem Zepter von Ardavil gehört?«, mischte sich Wulfhelm ein. Die Wesen horchten auf und das Bündel verteilte sich blitzschnell an den Tischen. Sie nahmen Platz und blickten ihren Sprecher gebannt an. Dieser drückte auf einen Knopf an der Wand und schlagartig verdunkelte sich der Raum, eine Tafel glitt aus der Decke und der Gnom nahm einen weißen Stock in die Hand. Ein Lichtschein beleuchtete nur das Wesen und die Tafel. Harika und Wulfhelm sahen sich verwirrt um, verhielten sich jedoch friedlich, auch wenn die Kriegerin ihr Schwert fester umklammerte. Der Beleuchtete schob sich einen kleinen Zwicker auf die Knubbelnase und räusperte sich.

      »Sehr geehrte Damen und Herren«, eröffnete er mit Professorenstimme.

      »Wir befinden uns im verwunschenen Wald, und zwar genau hier.« Der Gnom deutete auf eine Stelle der Tafel, die eine Karte des Waldes zeigte.

      »Einst war dieser Wald erfüllt von Leben. Vielerlei Vögel und Wild gaben sich ein Stelldichein.« Die Karte auf der Tafel veränderte sich auf magische Weise und zeigte eine sonnendurchflutete Lichtung, auf der sich Rehe, Hasen und einige andere Tiere tummelten.

      »Wie hat er das gemacht?«, fragte Wulfhelm in den Raum und bekam den Mund vor Staunen nicht mehr zu.

      Das Wesen ließ sich nicht ablenken und fuhr ungerührt fort.

      »Alle Lebewesen lebten in Frieden miteinander und machten sich ihren Lebensraum nicht streitig. Eines Tages kam eine Frau zu uns in den Wald und wurde herzlich von seinen Bewohnern aufgenommen. Wir halfen ihr beim Bau einer Hütte und sie heilte als Gegenleistung verletzte Tiere. Doch eines Tages änderte sich ihr Verhalten und sie säte Zwietracht und Neid unter den Bewohnern des Waldes. Jene, die nicht rechtzeitig flohen, brachten sich gegenseitig um. Grausame Ungeheuer zogen in den Wald ein, der von Tag zu Tag dunkler und bedrohlicher wurde, und töteten die wenigen übrig gebliebenen Tiere. Wir Gnome lebten schon immer unter der Erde, wo wir unsere Maschinen bauen und waren so vor dem Zugriff der Bestien beschützt. Hier im Zentrum des Waldes ...«, er tippte auf eine Stelle der Tafel, die nun wieder die Karte des Waldes zeigte, »... leben viele der Ungeheuer und auch die böse Hexe, die uns so viel Leid gebracht hat. Wenn ihr also den Wald durchqueren wollt, solltet ihr diese Stelle umgehen.« Der Gnom zog mit der Spitze des Stockes einen Kreis um die gemeinte Stelle.

      »Um noch mal auf das Zepter zurückzukommen ...«, setzte Wulfhelm an, verstummte jedoch, als der Gnom einen Finger hob.

      »Richtig. Das Zepter«, näselte er und zeigte auf die Tafel, welche nun das Abbild eines schmuckvoll verzierten Zepters zeigte.

      »Einst gehörte es dem Kaiser Gero von Ardavil, der gut und gerecht über das Land regierte. Der Edelstein an der Spitze ist ein Teil des zerstörten Schutzkristalls. Aber lasst mich zuerst die Legende vom Anbeginn der Zeit erzählen, sie hat nämlich eine ganze Menge damit zu tun.« Der Gnom machte eine bedeutungsschwere Pause und sah sich im Saal um.

      »Tornak, der Erdgigant, wollte einst seinen liebsten Whisky-Krug verschönern. Es sollte etwas Besonderes sein. Nicht einfach ein bemalter Krug, nein, er sollte mit Leben gefüllt sein. Und so schuf er die Gebirge und Wälder, die Ebenen und die Kreaturen, die den Krug bevölkern sollten. Und Tornak sah, das ihm sein Werk wohl gelungen war, denn das Land war