Niels Rudolph

Die Weberin der Magie


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Entschuldigung, Harika. Ich meinte nicht, dass ich es nicht großartig finde, dass eine Frau den Beruf eines Kriegers ergreift. Es ist nur so, dass Frauen, soweit ich weiß, nicht an den Akademien aufgenommen werden.«

      »Oh«, sagte Harika etwas betreten. Es tat ihr plötzlich leid, dass sie Wulf so angefahren hatte.

      »Tut mir leid. Ich gerate immer etwas in Fahrt, wenn dieses Thema angeschnitten wird, die meisten Männer finden es nämlich überhaupt nicht gut, wenn eine Frau in ihre Domäne eindringt. Was deine Frage betrifft, ich habe nicht auf einer Akademie gelernt, sondern bei einem privaten Meister, genauso wie du.«

      Wulf war froh, dass die Gewitterwolken wieder abzogen. Die Kriegerin lächelte wieder genauso herzlich wie zuvor. Er beschloss das Thema zu wechseln, um die Stimmung nicht noch einmal zu gefährden.

      »Was hast du denn jetzt vor?«, fragte er unschuldig.

      »Ich weiß noch nicht. Ich habe meine Ausbildung gerade abgeschlossen und suche jetzt eine Möglichkeit, meine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.«

      »Warum begleitest du mich nicht? Ich kann jede Hilfe brauchen, wenn ich das Zepter finden und diese böse Zauberin besiegen will.«

      Harika atmete erleichtert auf: »Ich dachte schon, du würdest mich nie fragen. Klar begleite ich dich. Klingt so, als könnte man dabei zu einer guten Portion Ruhm kommen.«

      Wulfhelm war sprachlos. Er konnte sein Glück kaum fassen. Eine Kriegerin im Gepäck, sei sie noch so unerfahren, mochte seine Lebenserwartung erheblich steigern. Was Wulfhelm nicht wusste, war, dass auch Harika etwas für unseren Helden übrig hatte. Sie hätte sich schlimme Vorwürfe gemacht, wenn dem tollpatschig wirkenden Jungen etwas zustoßen würde. Und auf einer Mission wie dieser, würde ihm wohl noch einiges passieren, daher war es erforderlich, dass ihm ein starker Arm und eine Schulter, an der er sich ausweinen konnte, zur Seite standen. Bald legten sie sich zur Ruhe und Wulfhelm fiel in einen traumlosen, tiefen Schlaf.

      Nachdem sie die Ausrüstung auf das Pferd geladen und eine Weile diskutiert hatten, welche Richtung sie einschlagen wollten, hatten sich Wulfhelm und Harika auf den Weg gemacht. Sie zogen weiter in die Richtung des verwunschenen Waldes. Harika hatte noch nie etwas von diesem Zepter gehört, das Wulf finden sollte, und konnte daher auch keine nützlichen Hinweise geben, wo sie mit der Suche beginnen sollten. Bald wurden sie von den knorrigen, düsteren Bäumen des Waldes verschluckt. Die vereinzelten Sonnenstrahlen, die einen Weg durch das Blätterdach fanden, gelangten kaum auf den Boden. Dafür breitete sich ein trügerischer Teppich zähen Bodennebels vor ihnen aus.

      »Hast du eine Ahnung, was uns in diesem Forst erwarten könnte?«, fragte Harika gerade wie beiläufig und blickte wachsam in alle Richtungen.

      »Nichts Genaues. Martor ermahnte mich nur, dass ich nie hier herumlungern sollte.«

      Harika blickte ihn mit einer Mischung aus Verwirrung und Unbehagen an.

      »Das hat aber nicht viel zu bedeuten«, fügte Wulfhelm rasch hinzu. »Er hat mir auch abgeraten, dienstagabends ins Dorf zu gehen. Angeblich, weil sich dann böse Geister in der Stadt herumtrieben. Einer dieser bösen Geister hatte lange Beine, ein samtenes Kleid und hieß Mariana. Martor traf sich immer mit ihr.«

      Harika kicherte leise, wurde aber sofort wieder ernst.

      »Glaubst du, dass dein Meister hier eine Geliebte am Kochen hat? Wir sollten besser vorsichtig sein.«

      Sie verhielten sich eine Weile schweigsam und lauschten nur den Geräuschen, die im Wald zu hören waren. Aus Tierrufen konnte man oft auf Gefahren schließen und manche Ungeheuer gaben ganz typische Laute von sich. Nichts. Nicht mal ein lausiger Vogel war zu hören. Wahrscheinlich lag es an der schlechten Nachbarschaft ...

      Sie ritten jetzt schon eine ganze Weile durch den verwunschenen Wald. Die Tageszeit ließ sich nur mühsam bestimmen, aber Wulfhelms Magen eröffnete ihm, dass es bereits Mittag war und nun doch wohl die Zeit für die Fütterung gekommen sei. Harika schien es ebenso zu ergehen, denn sie war die Erste, die vorschlug zu rasten.

      Kurze Zeit später brutzelte etwas von ihrem Proviant über dem Feuer. Der Nebel wurde vom Lagerfeuer verdrängt und durch den Rauch des feuchten Holzes ersetzt. Müde lehnte sich Wulfhelm an einen Baum. Der Geruch von gebratenem Fleisch hing in der Luft und versetzte ihn in eine angenehme Vorfreude. Harika hatte es sich derweil auch bequem gemacht und gerade, als sich wohlige Gemütlichkeit ausbreiten wollte, wurden sie vom Geräusch einer knarrenden Tür aufgeschreckt. Harika legte einen Finger auf ihre Lippen und lauschte angestrengt in den Wald. Wulfhelm stellte für eine Weile das Atmen ein und ließ seinen Blick durch den Nebel schweifen. Sie hörten ein Schnüffeln, gefolgt von eiligen Schritten und es schien von allen Seiten zu kommen. Alarmiert sprang die Kriegerin auf und zog ihr Schwert. Was immer da auf sie zukam, es war verdammt schnell. Etwas überfordert mit dem plötzlichen Situationswechsel vergeudete Wulfhelm wertvolle Sekunden, bevor er sich auf das Magiebrimborium besann, das er bei seinem Meister eingesackt hatte. Eiligst durchkramte er seinen Rucksack nach einem passenden Artefakt und griff sich einen eindrucksvoll aussehenden Ring, aber es war bereits zu spät. Er hörte seine Gefährtin einen überraschten Ruf ausstoßen, sowie ein vielstimmiges »Haut rein, Jungs!!«, und blickte auf.

      Harika stand immer noch an ihrem Platz, das Schwert zögernd in der Hand und blickte sich erstaunt um. Aufgewirbeltes Laub vom Waldboden und Asche regneten langsam wieder zu Boden. Sich entfernende Schritte waren noch zu hören und kurz darauf schloss sich das Geräusch einer zuschlagenden Tür an.

      »Was zum Henker ...?«, begann Harika, brach dann aber ab um sich suchend umzusehen.

      »Was ist passiert?« Wulfhelm lief an die Seite der Kriegerin.

      »Wenn ich das wüsste. Ich hab ein paar kleine, schmutzige Kerle gesehen, die hier in einem Irrsinnstempo durchgefegt sind und bei der Gelegenheit unser Essen mitgehen ließen.«

      »Wo könnten die hergekommen sein? Manieren hatten die jedenfalls keine, so die Türe zu knallen.« Wulfhelm spähte angestrengt in den Nebel, als hoffte er, irgendwo Hütten zu sehen. Die Kriegerin begann, die Ausrüstung zu verstauen.

      »Die kauf ich mir«, murmelte sie. »MIR KLAUT KEINER MEIN ESSEN!!«, fügte sie laut rufend an die unbekannten Siesta-Terroristen gerichtet hinzu. Wulfhelm, der die ganze Zeit über am Lagerfeuer gestanden hatte, blickte nun in die verschiedensten Richtungen.

      »Vielleicht sollten wir die Sache auf sich beruhen lassen. Die finden wir doch nie und wer weiß, vielleicht sind sie gefährlich«, meinte er resigniert und machte ein paar zögernde Schritte in den Wald.

      »Kommt nicht infrage! Schau mal, ob du eine Spur von ihnen entdeckst.«

      Die Kriegerin packte ihr Pferd am Zügel und stapfte schlecht gelaunt hinter Wulfhelm her.

      »Wie soll man bei diesem Nebel eine Spur verfolgen? Ich kann überhaupt nichts ... Uaaah!!« Ein Geräusch von berstendem Holz war zu vernehmen, gefolgt von einem gedämpften Aufprall. Der Nebel schloss sich wieder um die Stelle, an der der Jungzauberer eben noch gestanden hatte.

      Harika eilte in die Richtung, wo sie Wulfhelm zum letzten Mal gesehen hatte. Mitten im Waldboden waren die Reste einer Falltür auszumachen. Sie kniete sich vor das dunkle Loch und versuchte, ihren Gefährten irgendwo dort unten zu erspähen.

      »Wulf? Ist dir was passiert? WULF, ICH REDE MIT DIR!« Als sie keine Antwort erhielt, stieg ihr Nervositätspegel dramatisch an.

      Was für Kreaturen mochten dort unten lauern und hatten sie Wulfhelm schon gefressen? Harika hielt es für angemessen, ihr mächtiges Zweihandschwert vom Pferderücken zu binden. Vorsichtig näherte sie sich wieder dem Loch und spähte über den Rand. Wulfhelms Gesicht schoss aus den dunklen Tiefen in Harikas Sichtfeld.

      »He, das musst du dir unbedingt ansehen.«

      Sie werden verstehen, dass sich selbst eine hartgesottene Kriegerin in so einer angespannten Situation erschrecken konnte und pflichtbewusst, wie Harika nun einmal war, tat sie das auch ausgiebig.

      »Himmel, Wulf! Mach so was nicht noch mal, wenn ich nicht an einem Herzinfarkt sterben soll.« Sie versuchte