Niels Rudolph

Die Weberin der Magie


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wo es niemand suchte.

      Er verpackte den Plunder, den er gefunden hatte, in seinem Rucksack. Ringe, Amulette, Zauberstäbe. Martor hatte reichlich von diesem Zeugs. Der Haken an der Sache war, dass Wulfhelm nicht wusste, was die einzelnen Zauberutensilien bewirkten. Er wollte es bei Gelegenheit ausprobieren. Also griff er sich die restlichen zwölf Taler aus seiner Haushaltskasse und machte sich auf die Suche nach dem Zepter von Ardavil ...

      Er kam bis vor die Haustür.

      Kapitel 3: der Aufbruch in eine neue Welt

      Wulfhelm saß auf der kleinen Stufe vor der Eingangstür des Magierdomizils und starrte ausdruckslos in die Ferne. So sehr er auch seinen Kopf anstrengte, wusste er einfach nicht, wo er mit seiner Suche beginnen sollte. Zur Hölle auch, Martor hätte ihm ja wenigstens sagen können, wo das Zepter zu finden war. Er hatte es richtig gehasst, immer nur Befehle zu bekommen. Das Ständige: »Wulfhelm tue dies, Wulfhelm tue das.« Jetzt wo er selber sehen musste, wie er klarkam, wünschte er sich seinen Meister jedoch zurück, um ihm Anweisungen zu geben.

      Vielleicht sollte er nach Norden gehen, in Richtung des verwunschenen Waldes, aber wenn er es sich recht überlegte, klang das nicht besonders einladend. Im Osten lag das Meer des verlorenen Tropfens, im Westen waren die Berge des Todes und im Süden die Steppe der Verdammten. Diese Namen trugen nicht unbedingt dazu bei, dass Wulfhelm sich besser fühlte.

      Entgegen allen guten Ratschlägen seiner inneren Stimme setzte er sich erstmal in Bewegung. Es dauerte auch nicht lange, da hatte er seine Mission in den Keller seines Gehirns getragen und die Tür von außen zugesperrt, um nicht mehr an etwaige Gefahren zu denken. Es war ein lauwarmer, sonniger Tag und ein Meer von bunten Herbstblumen breitete sich auf den Wiesen neben der Straße aus. Wulfhelm genoss es sichtlich, einfach umherzuwandern und den Schmetterlingen bei ihrem Tanz zuzusehen. Unbewusst hatte er dabei die nördliche Richtung eingeschlagen und schon bald wurde das Gelände von vereinzelten Bäumen durchzogen.

      Wulfhelm gewahrte ein Plätschern zu seiner Rechten und verließ den Weg, um sich an dem nahe gelegenen Bach zu erfrischen. Ein leises Wiehern jedoch veranlasste ihn auf halbem Wege dazu, sich flach auf den Boden zu werfen. Zu seiner Überraschung hatte noch jemand die Idee gehabt, sich an dieser Stelle des Baches zu einer Rast niederzulassen. Wulfhelm setzte all sein feldmännisches Wissen - welches sich ziemlich begrenzt hielt - ein, um die Lage zu sondieren.

      Er sah ein Pferd, das am Ufer graste und gelangweilt mit dem Schwanz wedelte. Durch die Beine des Tieres nahm er eine, scheinbar schwer bewaffnete, Person wahr, die am Bach hockte und eine Feldflasche füllte. Die Person trug ein Kettenhemd und hatte dunkelbraunes Haar, das sich in welligen Kaskaden über die Schultern ergoss. Über der Rüstung trug der Krieger eine rote Gugel, deren rote spitze Kapuze unter den langen Haaren vorlugte. An einem breiten Gürtel hingen verschiedene kleine Beutel und Taschen sowie ein gefährlich aussehendes Schwert in einer dunklen Lederscheide.

      Wulfhelm wurde für einen Moment an seinen Vater erinnert. Dieser trug das Haar auch offen und lang. Wenn er in die Schlacht zog, band er es sich jedoch zu einem Pferdeschwanz zusammen. Wulfhelm leitete aus dieser Angewohnheit ab, dass sich dieser Kämpfer dort wohl nicht auf dem Kriegspfad befand. Die Vorsicht mahnte ihn jedoch, erst einmal weiter zu observieren, bevor er seine Deckung aufgab.

      Der Krieger erhob sich und Wulfhelm stellte erstaunt fest, dass er einen Rock trug. Und dabei handelte es sich nicht um so einen langen Kriegsrock, der bis zu den Knöcheln reichte und bei vielen Kriegern als chic galt, weil er ihre Wildheit unterstrich. Dieser Rock war sehr kurz und hätte vielleicht zu einer Tänzerin gepasst. Wulfhelms Blick fiel auf ein Paar makellose, lange Beine und blieb daran haften, wie eine Fliege an einem Honigtopf. Als der Krieger sich umdrehte, stieß er keuchend die Luft aus. So etwas hatte er noch nie gesehen. Das war ja eine Frau, oder besser gesagt ein Mädchen! Hierzu muss vielleicht erwähnt werden, dass es absolut untypisch war, dass eine Frau in einer schweren Rüstung umherstiefelte. Der Kriegerberuf war Männersache und Frauen wurden gar nicht erst an den Akademien aufgenommen. Die Hand des Mädchens legte sich auf den Schwertknauf und sie blickte sich alarmiert um.

      »Ist da jemand?«, rief sie ziellos in die Botanik.

      Sie hatte Wulfhelm also noch nicht entdeckt. Er spielte mit dem Gedanken, sich einfach zu verkrümeln, aber seine Neugier siegte schließlich. Er stand auf und bewegte sich vorsichtig auf das Mädchen zu.

      »Wen haben wir denn da? Einen Zauberlehrling, mitten in der Wildnis?«, eröffnete sie das Gespräch.

      »Woher wisst Ihr ...«, begann Wulfhelm, aber das Mädchen unterbrach ihn.

      »Ich kann lesen«, sagte sie knapp und deutete auf seinen Spitzhut.

      »Äh ... Ja ... Seid gegrüßt, mein Name ist Wulfhelm.« Er streckte ihr die Hand entgegen, die sie geflissentlich übersah.

      »Mein Name ist Harika. Schleicht Ihr Euch immer so an Maiden heran?«

      »Nun ja ... ich meine, nein! Ich wollte mich am Bach erfrischen und bemerkte Euch zu spät. Ich wusste ja nicht, ob Ihr freundlich gesinnt seid, oder nicht«, gestand Wulfhelm wahrheitsgemäß.

      »Wenn ich anmerken darf, wisst Ihr das immer noch nicht«, entgegnete Harika spitzbübisch.

      »Oh, ich verstehe. Na ja, ich geh dann besser mal«, sagte Wulfhelm und schluckte einen Kloß herunter.

      »Nicht so hastig, ich tue Euch nichts. Ihr wolltet Euch doch erfrischen.« Sie deutete auf den Bach.

      »Entspannt Euch, Wulfhelm. Wenn es Euch Recht ist, werde ich Euch Wulf nennen.«

      »Sicher, Wulf reicht.« Er steckte seinen Kopf in den Bach, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Er hatte noch nie ein so hübsches Mädchen gesehen und war ein wenig Durcheinander.

      »Ihr solltet nicht unbewaffnet durch diese Gegend marschieren. Es wird bald dunkel, und wenn Ihr möchtet, könnt Ihr mit mir rasten.« Harika kramte ein paar Dinge aus den Satteltaschen ihres Pferdes. Wulfhelms Herz hüpfte vor Freude auf und ab. Der Gedanke, allein irgendwo da draußen übernachten zu müssen, behagte ihm nicht sehr. Nachdem sie ein Lagerfeuer entfacht hatten, bei dem Wulfhelm gleich ein wenig mit seinen Fähigkeiten prahlen musste und es auf magische Weise entzündete, setzten sie sich zusammen, um sich ein wenig näher kennenzulernen. Wulfhelm überlegte dabei fieberhaft, wie er Harika am besten imponieren konnte.

      »Was verschlägt dich überhaupt hier in diese Wildnis?«, wollte Harika wissen. Sie waren schnell zu einem handlicheren du übergegangen.

      Wulfhelm erzählte ihr wort- und gestenreich vom Schicksal seines Meisters und von seiner Mission. Während er sprach, lächelte Harika von Zeit zu Zeit mitfühlend oder warf ein tröstendes Wort ein, sodass Wulf nicht umhin konnte, von ihr eingenommen zu sein. Es war schon komplett düster, als sie immer noch am Lagerfeuer saßen und sich voneinander erzählten.

      »Sag mal Harika, wie kommt es, dass du eine Kriegerin geworden bist?«, fragte Wulf fröhlich und stocherte mit einem Stock im Feuer. Er und Harika waren sich im Laufe des Abends ein gutes Stück näher gekommen. Wenn sie anfangs noch distanziert gewesen war, hatte sich das jetzt geändert. Das warme, herzliche Lächeln, das sie ihm schenkte, versetzte Wulf in Hochstimmung und er musste sich eingestehen, dass er sich offensichtlich in die hübsche Kriegerin verliebt hatte. Doch als er dann diese Frage stellte, fühlte er sich auf einmal wie inmitten eines Hagelsturmes. Harikas Lächeln verschwand hinter der finstersten Miene, die Wulfhelm je gesehen hatte, abgesehen vielleicht von Martors Wutausbrüchen.

      »HA! DAS IST WIEDER TYPISCH MANN!«, legte sie los. »IHR GLAUBT WOHL IHR SEID DIE EINZIGEN, DIE EIN SCHWERT FÜHREN KÖNNEN! IHR BETRACHTET EUCH JA AUCH ALS DIE KRONE DER SCHÖPFUNG!« Langsam kehrte Harika wieder zu einer etwas gemäßigteren Lautstärke zurück.

      »Frauen brauchen sich nicht hinter Männern zu verstecken. Es wird Zeit, dass die Frauen dieser Welt endlich erkennen, dass sie genau so viel können wie Männer, wenn nicht noch mehr.« Harika holte kurz Luft und deklamierte lautstark: »GLEICHBERECHTIGUNG FÜR ALLE!«

      Wulfhelm war während dieser Emanzipations-Attacke