Niels Rudolph

Die Weberin der Magie


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erschöpft war. Er war sehr zufrieden mit seiner Arbeit, wusste aber auch, dass es ihm nicht gestattet war, Welten zu erschaffen. Er musste seinen Krug irgendwie vor dem Zugriff der anderen Götter schützen, vielleicht fand er einen entsprechenden Zauber im Lager.

      Da die Götter noch mit der Siegerehrung beschäftigt waren, schlich er sich aus seinem Zimmer, um seinen Plan in die Tat umzusetzen. Dabei wurde er von Rina und Wala, den Göttinnen des Neides und der Zwietracht, beobachtet, die gerade eine Zigaretten-Pause eingelegt hatten. Wären die Zwillinge Menschen, dann hätte man sie vermutlich auf Anfang zwanzig geschätzt. Unter den, meist älteren, Göttern, waren sie die jungen Wilden. Unruhestifter, die ständig die Köpfe zusammensteckten, dabei kicherten und Streiche ausheckten.

      »Der führt doch was im Schilde, sowie der sich an die Wände drückt«, meinte Rina zu ihrer Schwester und sie beschlossen der Sache auf den Grund zu gehen. Als sie sahen, wie Tornak im Lager die Regale durchwühlte, traf sie die Erkenntnis wie ein Schlag. Es hatte sich schnell herumgesprochen, dass Tornak an dem Wettbewerb teilnehmen wollte, aber von Emoras abgewiesen wurde.

      »Der wird doch wohl nicht ...«, eilig rannten die Zwillinge zu Tornaks Quartier und fanden den Whiskykrug, der auf einem Regal stand.

      »Na so eine Frechheit!«, schimpfte Wala.

      »Und so unvorsichtig, den Krug so nahe am Rand abzustellen. Wie leicht könnte er herunterfallen«, erwiderte Rina und ein kleiner Schubser tat sein Übriges.

      »Hoppla, was für ein Missgeschick«, lamentierte Rina und unter hämischem Gelächter verließen die Zwillinge den Raum. Nun können Sie sich wahrscheinlich schon vorstellen, wo das Krachen und Klirren herrührte, das am Samstagabend durch die himmlische Ruhe in der Heimstatt der Götter hallte.

      Als Tornak gut gelaunt mit einem Schutzzauber zurückkehrte, gesellte sich noch ein markerschütternder Schrei hinzu. Historiker streiten sich darüber, ob er mehr dem Krug, oder dem verschütteten Whisky galt, aber das ist auch unerheblich. Die Welt war zerbrochen und die Scherben waren umgeben von einem Meer aus feinstem Whisky, der sich jedoch schnell mit dem Staub und Dreck auf dem Fußboden in Tornaks Zimmer vermischte (die göttliche Putzfrau war vor einiger Zeit gefeuert worden, weil sie mit den Händen in der göttlichen Kaffeekasse erwischt worden war).

      Der Schutzzauber, ein blau funkelnder Kristall, der böse Absichten in gute zu wandeln vermochte, entglitt Tornaks Fingern und zerbarst auf dem Boden. Kleinste Splitter regneten über dem Scherbenhaufen hernieder.

      Tornak wusste in seiner Verzweiflung weder ein noch aus, weinte bitterlich und schwor demjenigen finstere Rache, der ihm dies angetan hatte. Als er aber die Scherben zusammenfegen wollte, sah er, dass sich neues Leben auf ihnen regte und er beschloss, sie in diesem Zustand zu belassen. So entstanden die Scherbenländer, die Schauplatz dieser Geschichte sein sollen. Tornak jedoch wurde von Emoras wegen seiner anmaßenden Weltenschöpfung zu sechseinhalb Monaten Küchendienst verdonnert.

      Kapitel 1: Die Geschichte beginnt (bald).

      Werfen wir mal einen Blick auf diesen Scherbenhaufen.

      Gut, es sieht ziemlich unordentlich aus, aber mit etwas Fantasie kann man tatsächlich Länder erkennen, die in einem Meer schwimmen, dass früher einmal Whisky war. Für die Bewohner auf diesen Scherben sind, seit dem tragischen Unglück, viele Tausend Jahre vergangen und sie leben ihr Leben genauso wie wir, aber sie wissen sehr wohl um die Entstehung ihrer Welt. Die Geschichten der verschiedenen Völker haben sich inzwischen miteinander vermischt und sind mitunter recht widersprüchlicher Natur.

      Die Ereignisse, von denen ich hier berichten will, fanden auf einer Scherbe im Südwesten statt, einem Land, das von den Elfen Famirlon genannt wird. Die Elfen gelten als die Ureinwohner dieser Scherbe, auch wenn die Zwerge behaupten, sie seien schon von Anfang an hier gewesen, wenn nicht sogar noch viel früher. So genau lässt es sich aber nicht mehr sagen, weil ein Großteil der Geschichte der Elfen im Dunkel der Zeit verloren ging.

      Um genau zu sein, hatten die Elfen die Geschichten und Legenden ihres Volkes in einen Baum geritzt. Einen besonders großen Baum, den Ur-Baum der Elfen. Mit der Besiedlung des Landes durch die ersten Menschen wurde dieser Baum jedoch umgehauen und zu allerlei nützlichen Dingen verarbeitet. Hierin lag auch die erste Auseinandersetzung beider Völker begründet, die in einem blutigen Krieg gipfelte.

      Der Name Famirlon stammt aus dem Alt-Elfischen, was heutzutage nicht einmal mehr die Elfen verstehen. Menschliche Gelehrte hatten versucht die Bedeutung des Namens zu entschlüsseln und sind zu verschiedenen Deutungen gekommen, wie: Land unserer Vorväter, Elfenheim und Grüne Scherbe, bis hin zu »Dreckiger Klumpen Erde, auf den die Elfen, als Strafe der Götter, verbannt wurden und auf dem eklige Viecher hausen, die unter den Füßen kleben«.

      Ganz vorwitzige Gelehrte meinten nun, in diesen »Viechern« bereits die Zwerge zu erkennen, womit deren Behauptung bewiesen wäre, dass sie wirklich schon vor den Elfen hier gelebt hätten. Die restlichen Gelehrten nahmen jedoch schnell Abstand von dieser Theorie, als einige ihrer Fürsprecher mit hässlichen Amputationen knapp oberhalb der Kniescheibe aufgefunden wurden.

      Heute ist die Scherbe fest in menschlicher Hand und in drei Kaiserreiche unterteilt: Harpienfels im Nordwesten, Ardavil im Nordosten und die Südlande im Süden. Diese Reiche haben eine sehr merkwürdige Beziehung zueinander. Früher einmal lagen sich Harpienfels und Ardavil in einem unerbittlichen Krieg gegenüber, während sich die Südlande seit jeher aus allen Streitigkeiten herausgehalten haben, wenn es möglich war. Doch heute beansprucht jedes Reich für sich, über die gesamte Scherbe zu herrschen und da die Reiche durch unwegsame Gebiete voneinander getrennt sind, macht es auch nichts aus. Die Kaiser der jeweiligen Reiche machen auch keine wirklichen Gebietsansprüche gegen die anderen Reiche geltend, es ist nur eine Frage des Prestiges.

      Wir konzentrieren unseren Blick auf das Reich Ardavil im Nordosten. Es wird von den Bergen des Todes im Westen und der Steppe der Verdammten im Süden begrenzt. Wir schweben in den Wolken und wandern mit unseren Augen über das Land. Es ist urtümlich und grün. Wir sehen viele Wälder, Wiesen und Kornfelder, und hier und da eine Ansiedlung oder Stadt.

      Auch wenn die Menschen überall ihre Spuren hinterlassen haben, existieren die anderen Rassen Seite an Seite mit ihnen. Der Großteil der Elfen lebt heute in einem riesigen Wald, der Elfenforst genannt wird. Die Zwerge hingegen leben in den äußeren Regionen der Berge des Todes, wo sie jede Menge Löcher in den Fels graben und Metalle zutage fördern. Es gibt Gnome, die lärmende und dampfende Maschinen bauen und damit wundersame Dinge tun. Es ist ihre ganz eigene Art von Magie. Alle leben einigermaßen friedlich mit den anderen zusammen, mal abgesehen von den üblichen Sticheleien.

      In den wirklich unwirtlichen Regionen haben sich die meisten Kreaturen niedergelassen, die wir als Ungeheuer bezeichnen würden. So manche Legendenbildung, zu den Gefahren in diesen Gebieten, hat dann auch unmittelbar mit seinen wilden Einwohnern zu tun. Reisen durch solche Gebiete galten als extrem gefährlich und da wunderte es nicht, dass Handelsbeziehungen mit anderen Reichen, oder gar Scherben, über den Seeweg gepflegt wurden. Dabei standen jedoch die küstennahen Reiserouten an erster Stelle. Zu einer anderen Scherbe aufzubrechen war von besonderen Risiken begleitet, da bei ungünstigen Witterungsverhältnissen größere Mengen Alkohol aus dem Meer verdunsteten. Es kam nicht selten vor, das eine ganze Schiffsbesatzung berauscht im Kreis fuhr, oder aber mit einem gewaltigen Kater in ihrem Zielhafen - wenn es denn der Richtige war - einlief.

      Die Hauptstadt von Ardavil war Kaisersruh, die umrahmt von ausgedehnten Feldern, weit abseits vom Meer oder einem Fluss lag. Das war recht ungewöhnlich, da die meisten Städte zumindest an einem Fluss erbaut wurden und das hatte in der Regel mehrere Gründe. Zum einen war da natürlich der Handel, der mit Schiffen einfach eleganter ablief. Schiffe konnten eine Menge an Waren in ihrem Rumpf aufnehmen, wo es mit Ochsenkarren schon eine kleinere Karawane benötigte. Hinzu kam die Versorgung mit mehr oder weniger frischem Wasser sowie mit Energie, die dazu genutzt wurde, um beispielsweise Wassermühlen anzutreiben. Es hatte natürlich seinen Grund, warum Kaisersruh dort stand, wo es stand. Dabei handelte es sich um eine thermische Quelle, die hier dem Boden entsprang und die wohl der Ursprung für die außergewöhnlich hohe Fruchtbarkeit