Christiane Siegert

Miyaca


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Motorhaube. Was er sah, gefiel ihm nicht und was Robert ihm erzählte, noch viel weniger.

      >>Ich schleppe ihn ab<<, sagte Marty, >>schaue ihn mir in der Werkstatt sofort an und melde mich dann bei Ihnen.<<

      >>Machen Sie sich bitte keine Umstände<<, wandte Robert ein. >>Heute ist Halloween und außerdem Sonntag. Sie haben frei. Den Motor können Sie sich auch morgen noch ansehen.<<

      >>Morgen? Das werden Sie nicht erleben.<< Marty lachte zynisch und ging ohne eine weitere Erklärung zu seinem Abschleppwagen und begann, den Dodge aufzuladen.

      Verunsichert ging Robert wieder ins >>Pinto Inn<<. Gerade, als er die Tür öffnen wollte, hörte er Amy und ihren Vater miteinander streiten.

      >>Vater wir können doch nicht ...<<

      >>Amy, ich kann Martin und Steve nicht erreichen.<<

      >>Aber wir sollten es ihm wenigstens sagen!<<

      >>Wenn Marty es nicht schafft ...<<

      Das Ende dieses Satzes sollte Robert nie erfahren. Als er die Tür öffnete, verstummten beide sofort. >>Marty meldet sich<<, sagte Robert zögernd. Unbehagliches Schweigen breitete sich aus. Robert beschloss, sich zurückzuziehen. >>Ich bin dann auf meinem Zimmer.<<

      Keine zwanzig Minuten später klingelte das Telefon in der Halle, Robert lauschte durch den Spalt der angelehnten Tür. Unschwer konnte er hören, dass bei seinem Wagen heute nichts mehr zu machen war.

      Schritte kamen die Treppe hinauf. Robert schloss hastig die Tür, warf sich auf sein Bett und antwortete nur wenig später auf das erwartete Klopfen mit einem höflichen >>Herein<<. Zu seiner Überraschung trat Amy ein und nicht Sam. >>Ihr Auto wird wohl etwas länger hierbleiben müssen<<, sagte sie leise.

      >>Das habe ich mir schon gedacht<<, antwortete Robert und ließ Amy nicht aus den Augen. Die junge Frau wirkte ernstlich bedrückt. Robert beschloss, einen kleinen Aufheiterungsversuch zu starten und fragte übertrieben fröhlich: >>Gibt‘s hier vielleicht ne' kleine Halloweenparty? Dann könnte ich doch noch auf eine Feier gehen.<< Amy ging nicht auf Roberts Versuch ein. Und obwohl der junge Mann, seitdem er in South Mills war, schon einiges erlebt hatte, was durchaus als ungewöhnlich zu bezeichnen war, sollte ihr nächster Satz das alles noch weiter steigern.

      >>Wir müssen versuchen, Sie hier raus zu bekommen, so schnell es geht<<, sagte Amy drängend. Robert setzte sich verwirrt auf. Da hatte er endlich eine Bleibe, jemand kümmerte sich um seinen Wagen und jetzt wollten die Hotelbesitzer ihn doch noch vor die Tür setzen. >>Aber wieso denn das?<<, fragte Robert und konnte seine Verwunderung nicht verbergen.

      >>Das kann ich Ihnen nicht sagen<<, antwortete Amy leise. >>Aber Sie müssen hier verschwinden, bitte glauben Sie mir.<< Der Ernst in ihrer Stimme ließ Robert aufhorchen. Irgendetwas machte Amy offensichtlich schwer zu schaffen. Wenn sie ihm nicht sagen wollte was, dann war das ihre Sache, Robert aber hatte das eindringliche Gefühl, dass es besser war, auf sie zu hören. >>Wenn Sie meinen<<, sagte er und nickte.

      >>Dann kommen Sie, schnell<<, bat Amy. >>Noch ist Zeit.<<

      Beide verließen das Gasthaus und stiegen in Amys Wagen.

      *

      Steve und Martin hatten mit dem Ritual begonnen. Leise, in einer fremdartigen Sprache vor sich hin murmelnd, saßen sie sich vor dem Altar gegenüber und wiegten sich gemeinsam im gleichen Rhythmus vor und zurück, scheinbar beobachtet von dem unheimlich Wolf.

      Auf dem Altar selbst lag ein Wolfsschädel und starrte aus leeren Augenhöhlen finster auf Steve und Martin. Verschiedene seltene Hölzer, kreisförmig um den Schädel ausgelegt, wurden nach und nach in einer bestimmten Reihenfolge entzündet. Beißender Qualm stieg auf. Die beiden Männer mussten den aufkommenden Husten unterdrücken, sonst war alles verloren, bevor sie richtig begonnen hatten.

      Der Qualm verdichtete sich über dem Schädel. Auf diesen Moment hatte Martin gewartet. Er warf den Mais hinein. Für einen kurzen Moment sahen die Männer, wie die gelben Körner in den grauen Rauch eintauchten, doch anstatt auf dem Altar und dem Schädel aufzuschlagen, verschwanden sie einfach. Martin atmete auf. Die erste Gabe hatte der Wolfsgott akzeptiert. Der Qualm nahm eine bläuliche Färbung an. Jetzt war es an Steve, den Rittersporn zu opfern. Es gelang, doch die Anspannung der beiden Männer ließ nicht nach. Einmal noch! Martin griff nach den Adlerfedern und warf sie in den mittlerweile schwefelgelben Rauch. Beide sahen, wie er sich zu einer Kugel formte und auf das Bildnis des Wolfs zu schwebte um in den Teppich einzutauchen. Die Augen des Wolfes glühten mit einem Mal blutrot auf.

      *

      Amy fuhr los. Der Wagen beschleunigte rasch. >>Wir müssen es bis über die Grenze von South Mills schaffen<<, sagte sie.

      Nun, das konnte nicht weiter schwer sein, überlegte sich Robert, so groß war das Dorf ja nicht. >>Und dann?<<, fragte er.

      >>Dann nimmst du meinen Wagen und siehst zu, dass du so weit wie möglich von hier wegkommst. Ich kann leider nicht mitkommen.<<

      Wann waren sie zum >>du<< gewechselt? Offensichtlich in dem Moment, als Robert in Amys Auto gestiegen war. Nun gut, es gab jetzt wichtigere Dinge, an die er denken musste.

      >>Warum kommst du nicht mit?<<, fragte Robert, der langsam ärgerlich wurde. >>Warum wollen du und dein Vater mich so dringend loswerden, dass du sogar bereit bist, mir dein Auto zu geben? Das klingt total verrückt, aber das weißt du wohl selbst.<<

      Amy kam nicht mehr dazu, Roberts Frage zu beantworten. Sie waren kurz davor, das Ortsschild zu passieren, als der Wagen plötzlich eine Vollbremsung hinlegte und exakt an der Ortsgrenze mit einem Ruck zum Stehen kam. Robert wurde nach vorne geschleudert und spürte, wie der Sicherheitsgurt sich schmerzhaft um seinen Brustkorb zog. Amy hatte weniger Glück, ihr Kopf prallte gegen das Lenkrad und sie verlor das Bewusstsein. Für einen kurzen Moment fühlte auch Robert sich leicht benommen, während er zu verstehen versuchte, was da gerade passiert war. Er schüttelte den Kopf um die Benommenheit zu vertreiben und rieb sich die Schläfen. Es half. So schnell er konnte löste Robert seinen Anschnallgurt und beeilte sich, Amy aus dem Auto zu holen.

      Er sah nicht, wie die Bewohner von South Mills, die den seltsamen Unfall beobachtet hatten, ihre Vorhänge zuzogen.

      Robert schnallte Amy ab und zog sie aus dem Wagen. Behutsam bettete er die junge Frau auf den Bürgersteig. >>Amy<<, rief Robert laut und schüttelte sie sacht. >>Wach auf!<< Zuerst reagierte sie nicht und in Robert wuchs die Befürchtung, sie könnte sich ernsthaft verletzt haben. Noch einmal schüttelte er sie, dieses Mal ein bisschen fester. Zu seiner großen Erleichterung schlug sie endlich die Augen auf. >>Was ist passiert?<<, fragte Amy irritiert.

      >>Du hast plötzlich eine Vollbremsung gemacht, erinnerst du dich nicht mehr?<<

      Mit einem Schlag war ihr Blick wieder klar. >>Das war ich nicht<<, flüsterte sie. >>Es ist zu spät.<< Ihr Blick ging an Robert vorbei, der sich umdrehte um zu sehen, was sie sah und gemeinsam beobachteten sie, wie die letzten Strahlen der Sonne im See verschwanden. Halloween! Die Nacht, in der die Wand zwischen den Welten fällt, hatte begonnen.

      >>Wir müssen zurück<<, rief Amy in plötzlicher Panik und sprang auf. >>Zum >>Pinto Inn<<, schnell.<< Robert wollte wieder einsteigen, doch Amy schüttelte den Kopf. >>Vergiss den Wagen! Vergebene Liebesmüh.<< Sie packte ihn an der Hand und lief los. Weit kamen sie nicht, Amy wurde schwindelig, geriet ins Taumeln. Kurzentschlossen legte Robert ihren Arm über seine Schultern und lief weiter. So eilten sie die Hauptstraße zurück zum Hotel. Sie hasteten die Treppe hoch und Robert öffnete die Tür. Fast stieß er dabei mit Sam zusammen, der die beiden im ersten Moment mit einer Mischung aus Entgeisterung und Fassungslosigkeit anschaute. Dann wandelte sich sein Gesichtsausdruck in grenzenlose Wut.

      >>Ihr habt versucht,