Sekunden später nahm Steve nicht mehr wahr. Es schien ihm, als schwebe er an der Decke und sähe als Unbeteiligter, wie Miyaca ihn angriff. Das Letzte, was er auf dieser Erde erblickte, war der Wolf, der mit seinen Krallen die dicke Stahltür zerfetzte als sei sie aus Papier.
*
Im >>Pinto Inn<< hielten sich Amy und ihr Vater in höchster Alarmbereitschaft. Robert trat unterdessen in seinem Zimmer an das Fenster. Voll und rund hing jetzt der Mond über dem See und tauchte alles in ein silbriges Licht. Sein Blick glitt über die unbeleuchtete Straße. Die Menschen hier mussten Halloween wirklich verabscheuen.
Plötzlich konnte Robert sich des Gefühls nicht erwehren, beobachtet zu werden. Langsam schaute er über seine Schulter. Niemand stand hinter ihm. Er schaute wieder auf die Straße und erschrak. Rote Augen schauten zu ihm hoch und ein leises Knurren scholl herauf.
Im weichen Licht des Mondes schimmerte das Fell des riesigen Wolfes wie mit Silber überzogen. Im ersten Moment glaubte Robert, noch nie etwas Schöneres in seinem Leben gesehen zu haben. Fasziniert trat er einen Schritt näher an das Fenster heran. Da offenbarte sich die wahre Gestalt des Wolfes. Blut tropfte von seinen Lefzen, nach Rache sehnende Augen starrten ihn an. Ein Schrei des Entsetzens drang aus Roberts Kehle. In diesem Moment wurde ihm bewusst, wen er da sah. So schnell er konnte, rannte er aus seinem Zimmer, warf die Tür hinter sich zu und stürmte die Treppe hinunter. Zitternd riss er die Küchentür auf. >>Er kommt, ich habe ihn gesehen<<, rief Robert panisch.
>>Natürlich kommt er<<, sagte Sam ruhig. >>Hast du Amy nicht zugehört?<<
Robert war leichenblass und schlug stöhnend die Hände vor sein Gesicht. >>Ich dachte ...<<
>>Sie lügt?<<, fragte Sam fassungslos. >>Glaubst du ernsthaft, über so etwas machen wir Witze?<<
>>Ja<<, sagte Robert. >>Ich meine, nein. Es klang wie eine klassische Halloweengeschichte, die einem Angst einjagen soll.<<
>>Du Vollidiot<<, zischte Sam. In diesem Moment hörten sie das Splittern der Eingangstür. Sam und Amy entsicherten die Waffen.
>>Eine Pistole gegen einen wütenden Gott? Im Ernst?<<, fragte Robert verzweifelt.
>>Hast du eine bessere Idee?<<, fragte Amy sarkastisch.
>>Habt ihr euch nie damit beschäftigt, was ihr macht, wenn er kommt?<<
>>Nein<<, fuhr Amy Robert wütend an. >>Jahrhundertelang war auch niemand so blöd, in der Halloweennacht hier aufzukreuzen!<<
Leise klackten die Krallen über den Dielenboden und sie hörten das Schnüffeln des Tieres. Ein tiefes Knurren drang durch die Küchentür, nur mühsam als menschliche Sprache zu entziffern. >>Robert<<, knurrte der Wolf, >>dir verdanke ich, dass ich nach all der Zeit meine Rache vollenden kann, Sterblicher.<<
>>Er kann sprechen?<<, flüsterte Robert völlig außer sich. >>Und er weiß meinen Namen?<< Er wusste nicht, was ihm mehr Angst einjagte. Amy und Sam erstarrten.
>>Ich gebe dir als Dank eine faire Chance<<, knurrte das Tier durch die geschlossene Tür. >>Lauf!<<
Eine Sekunde später hörte Robert das berstende Geräusch von Holz und sah, wie der mächtige Wolf durch die Tür brach. Sam reagierte sofort und feuerte. Jaulend warf sich der Wolf noch im Sprung herum, erkannte sofort, wer auf ihn geschossen hatte und griff an. >>Weg mit euch<<, brüllte Sam. Amy packte Robert und zerrte ihn durch die Hintertür. Weitere Schüsse hallten durch die Küche, denen ein Moment der absoluten Stille folgte, dann ein grauenhafter Schrei.
Blankes Entsetzen spiegelte sich in Amys Gesicht. Wo sie eben noch entschlossen gewesen war zu fliehen, versuchte sie jetzt, zurückzulaufen. Robert aber ließ es nicht zu. Er packte sie am Arm, rannte los und zog sie einfach hinter sich her. Sams Opfer sollte nicht umsonst gewesen sein. Zur Ortsgrenze!, brannte es in Roberts Kopf. Sie mussten sie erreichen!
Sam war nur der Auftakt gewesen. Miyaca stand in der Küche, blickte auf den zerfetzten Körper zu seinen Füßen, hob dann den Kopf und heulte. Er entfesselte seine ganze Macht und rief nach denen, die Jahrhunderte mit ihm auf diese Nacht gewartet hatten.
Hufgetrappel erscholl urplötzlich hinter Robert und Amy und wildes Kriegsgeschrei. Amy und Robert sahen sich erschrocken um. Für einen Moment zweifelten beide an ihrem Verstand. Geisterhafte Gestalten, Indianer längst vergangener Zeit in voller Kriegsbemalung und schwer bewaffnet, waren zurückgekehrt und überfielen das Dorf. Die Ersten erreichten die Häuser und drangen in sie ein. Grauenhaftes geschah.
Wie versteinert lauschten Amy und Robert dem Geschehen, sahen, wie die Indianer in jedes Haus eindrangen und waren gezwungen, mit anzuhören, wie sie sich ihre lang ersehnte Rache holten.
>>Flieh, du Dummkopf!<< Was auch immer Robert diesen Befehl gegeben hatte, er verfehlte seine Wirkung nicht. Endlich kam Leben in Robert und wieder zog er Amy einfach hinter sich her. South Mills war verloren, daran konnte er nichts mehr ändern, aber der Wolf hatte ihm eine Chance gegeben.
Völlig außer Atem erreichten sie die Ortsgrenze und Amys Wagen. Robert schubste sie grob auf den Beifahrersitz. Wie eine Puppe ließ Amy alles mit sich geschehen. Er selbst setzte sich ans Steuer und drehte hastig den Zündschlüssel, doch der Motor sprang nicht an. >>Sie kommen<<, flüsterte Amy tonlos.
Erst jetzt fiel Robert auf, dass sie den Außenspiegel nicht aus den Augen gelassen hatte. Er schaute über die Schulter zur Heckscheibe hinaus und wünschte sich im selben Moment, er hätte es nicht getan. Was - oder wer - dort auf ihn zukam, ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren.
Er zwang sich, seine Aufmerksamkeit wieder auf das Auto zu richten und drehte erneut den Zündschlüssel. >>Spring schon an<<, brüllte Robert. Endlich erklang das erlösende Geräusch des startenden Motors. Robert gab Gas, doch der Wagen bockte wie ein junges Pferd.
>>Robert!<< Amys Stimme war noch leiser geworden und Robert wusste, dass seine schlimmsten Befürchtungen sich jede Sekunde bewahrheiten würden. Das Kriegsgeschrei schwoll an.
Die Indianer erreichten das Auto. Die Heckscheibe zerbarst splitternd unter dem Schlag einer Axt. Es ist vorbei, dachte Robert und begann zu beten. In diesem Moment machte der Wagen einen Satz und schoss los.
Kaum hatten sie die Grenze passiert, waren die Indianer verschwunden.
Leise weinend saß Amy auf dem Beifahrersitz, während Robert den Wagen mechanisch in Richtung Highway lenkte.
Halloween ist wahr, dachte Robert sich. Verdammt! Nie wieder würde er einer Halloweennacht fröhlich und entspannt entgegensehen können. Hoffentlich hatte Beverly auf der Party mehr Spaß als er in dieser Nacht gehabt hatte. Wobei das ja nicht besonders schwer sein konnte, oder?
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