Martin Danders

2050 - Die Vulkane im Rheingraben


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Zum Wachwerden koche ich mir einen Espresso mit heißer Milch und streichele Alpha über den Kopf.

      „Na, Alter, das war ein Tag gestern, oder?“, rede ich liebevoll mit dem Hund.

      Alpha freut sich über die Aufmerksamkeit. Dann rufe ich meinen Chef im Büro an, dass ich heute den ganzen Tag in Kürzell bei Lahr bin. Nach dem Frühstück laufe ich mit Alpha noch eine Runde und fahre anschließend zu meinem Bohrturm nach Kürzell. Nach Auffassung meines Chefs wäre es das Beste, das Bohrgestänge heute zu ziehen und das Bohrloch anschließend mit Ton-Pellets und Füllmaterial zu verfüllen. Damit gibt meine Firma diese Bohrung auf, denn nach einer Verfüllung ist der Vorgang nicht reversibel. Doch wir müssen es aus Sicherheitsgründen durchführen. Das Magma könnte weiter aufsteigen und unser Bohrloch erreichen. Dann hätten wir eine Wegsamkeit für das Magma geschaffen, die alle Beteiligten nicht so gut fänden.

      In Kürzell angekommen, tagt schon der Krisenstab in einem neu aufgestellten Baucontainer. Drei Baucontainer wurden eigens miteinander verbunden, um einen kleinen Sitzungssaal für zwanzig Personen herzustellen. Ich teile den Anwesenden unsere Absicht mit, das Bohrgestänge zu ziehen und das Bohrloch anschließend zu verfüllen. Alle Teilnehmer stimmen dem Vorschlag zu.

      „Wann wird der Vulkan loslegen?“, fragt der Einsatzleiter die anwesenden Geologen und Vulkanologen.

      „Das können wir nicht genau sagen. Für Prognosen ist es jetzt noch zu früh. Aber wenn sich die Erdbebenintervalle von derzeit zwei Stunden verringern sollten oder die Laufzeiten und Intensität der Beben zunehmen, müssen wir mit einem baldigen Ausbruch rechnen“, erklärt Prof. Dr. Stiller.

      „Wie sollen wir im Vorfeld Menschen evakuieren, wenn wir nicht wissen, wann es passiert?“, fragt der andere Referent des Innenministeriums.

      „Am besten ist es, erst zu evakuieren, wenn der Vulkan tatsächlich ausbricht. Wir haben dann noch genug Zeit, die Menschen in Sicherheit zu bringen“, schlage ich vor.

      „Diese Vorgehensweise erscheint mir ebenfalls als die beste. Wir können nicht Millionen von Menschen auf Wanderschaft schicken und der Vulkan bricht erst in einem halben Jahr oder gar nicht aus“, meint der Einsatzleiter.

      „Das stimmt“, bestätige ich und Prof. Dr. Stiller nickt beipflichtend.

      „Die Evakuierung von Strasbourg, Lahr, Offenburg, Emmendingen, Selestat und vielleicht sogar Freiburg würde mehrere Tage dauern. Außerdem müssten wir die Bundesautobahn A5 sperren und die Rheinschifffahrt zwischen Sasbach und Kehl einstellen“, erklärt der Einsatzleiter.

      „Es kann auch passieren, dass wir Freudenstadt und Baden-Baden räumen müssen“, füge ich hinzu.

      „Was passiert mit dem Rhein, wenn Lava den Flusslauf erreicht und das Wasser sich aufstaut?“, fragt der Pressesprecher.

      „Wenn Lava das Rheinwasser erreichen sollte, entsteht eine riesige Dampfwolke und die Lava könnte tatsächlich den Flusslauf blockieren. Das Wasser würde sich aufstauen und einen neuen Weg mit dem geringsten Widerstand suchen“, antwortet Prof. Dr. Stiller.

      „Ein viel größeres Problem wäre es, wenn sich beim Vulkanausbruch pyroklastische Ignimbrit-Abgänge bilden würden. Das sind vulkanische Lawinen aus glühender Lava, Steinen, Gasen und Wasser, die mit hoher Geschwindigkeit den Vulkanabhang herunter wirbeln und alles andere überdecken. Diese pyroklastischen Lawinen erreichen eine Geschwindigkeit von bis zu 800 Stundenkilometern und sind für alle Lebewesen absolut tödlich. Niemand kann vor einer pyroklastischen Lawine flüchten, auch nicht mit dem Auto“, gibt ein weiterer Geologe zu bedenken.

      Die Gesichter der Anwesenden sind zutiefst besorgt. Heute wurde vom Krisenstab beschlossen, die seismischen Aktivitäten rund um die Uhr genauestens zu verfolgen. Durch das geologische Institut Freiburg sind die neuesten geophysikalischen Geräte vor Ort installiert worden. Auch Mitarbeiter des Potsdamer Forschungszentrums für Geowissenschaften sind über Nacht angereist und haben bereits ihre Messgeräte installiert.

      Dem Bohrmeister von unserer Firma gebe ich nach der Sitzung des Krisenstabes die Anweisung, das Bohrgestänge zu ziehen und das Bohrloch anschließend zu verfüllen. Gegen Mittag fahre ich nach Lahr und speise an einer Wurstbude. Es ist ganz gut, nach dem ganzen Trubel einmal alleine zu sein. Anschließend spaziere ich mit Alpha über die Felder.

      Als ich wieder auf dem Gelände bei Kürzell eintreffe, spricht mich Prof. Dr. Stiller an.

      „Herr Anderson, wir haben bei den seismischen Messungen erste Veränderungen“, sagt er nervös.

      „Was ist passiert?“

      „Die Erdbebenintervalle haben sich von zwei auf eine Stunde verringert, die Erdbeben dauern nach wie vor drei Minuten, haben aber ihre Stärke von 2 auf 3 nach der Richterskala erhöht“, erklärt er.

      „Entschuldigen Sie meinen Ausdruck, Herr Professor, aber das ist mehr als Scheiße!“

      „Der Ausdruck ist mehr als passend“, erwidert er mit bleichem Gesicht.

      „Ich fahre heute Abend nach Karlsruhe, bin aber per Mobiltelefon jederzeit zu erreichen. Ich hoffe nicht, dass heute Nacht unser Vulkan ausbricht.“

      „Das hoffe ich auch nicht. Ich werde dem Krisenstab die neusten Messergebnisse umgehend mitteilen“, sagt er.

      „Okay!“

      Ich verabschiede mich von den Anwesenden und fahre mit Alpha nach Karlsruhe. Dort finde ich schnell das besagte Restaurant in der Innenstadt. Nach den Erlebnissen in Kürzell ist so ein Abend mit Luise vielleicht ganz entspannend. Sie ist noch nicht da, sodass ich mich im Restaurant schon mal an einen Tisch setze. Ich bin ein bisschen aufgeregt und angespannt.

      Kurz nach 20 Uhr betritt Luise das Restaurant. Sie entdeckt mich und eilt zu meinem Tisch. Ihre blauen Katzenaugen lächeln mich an. Ich stehe auf und umarme sie zur Begrüßung.

      „Hallo, Max, wie geht´s?“, fragt sie.

      „Hallo, Luise. Mir geht´s gut, weil ich dich heute treffe!“

      „Mir geht es auch gut. Ich habe mich schon sehr auf den Abend gefreut“, lächelt sie.

      „Lass uns etwas zum Essen bestellen.“

      „Ja, tun wir das“, stimmt Luise zu

      Wir essen ausgiebig und ich erzähle ihr dabei die Geschichte mit dem Vulkan. Weil sie eine Geologin ist, versteht sie sehr schnell die Brisanz der Story. Vor allem die Verringerung der Erdbebenintervalle von zwei Stunden auf eine Stunde und die Erhöhung der Intensität von 2 auf 3 nach der Richterskala findet sie auch äußerst besorgniserregend.

      „Was machst du, wenn heute Nacht der Vulkan ausbricht?“, fragt sie aufgeregt.

      „Dann bekomme ich einen Anruf vom Krisenstab und muss sofort nach Kürzell fahren!“

      „Wie, du kannst doch nicht einfach unser Rendezvous verlassen!“, scherzt meine neue Bekannte.

      „Doch, das muss ich! Es sei denn, du bietest mir mehr als mein Vulkan.“

      „Ich bin viel besser als dein Vulkan!“, versichert sie sehr überzeugend.

      „Das glaube ich dir nicht.“

      „Du wirst dich noch wundern“, ruft Luise fröhlich.

      „Gut,ich lass mich überraschen!“

      Nach zwei Gläsern Wein schauen wir uns gegenseitig tief in die Augen. Ich bin fasziniert von ihr. Luise hat mich vollkommen verhext. Sie kann sehr gut flirten und ihre typisch weiblichen Waffen einsetzen. Ich vergesse sogar meinen Vulkan. Unsere Gesichter nähern sich und wir küssen uns, obwohl der lästige Tisch noch zwischen uns steht. Sie küsst sehr gut.

      Verwirrt bezahle ich die Rechnung und wir laufen durch die Straßen. Sie bemerkt, dass ich einer jungen Frau auf den Hintern geschaut habe. Dieser kurze Blick hatte für mich überhaupt keine Bedeutung. Es war ein reiner Automatismus.

      „Du bist