Gerhard Wolff

Die Sümpfe


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überschrieben hat, gehört alles ihm und er kann damit machen, was er will. Wenn er tot ist, musst du schauen, was noch da ist, sonst kannst du nichts machen!“

      „Und das soll Recht sein. Einer ruiniert alles und alle sehen zu?“

      „Ist leider so!“

      Tom überlegte. „Wie viel Jahre kriege ich, wenn ich ihn umbringe?“

      Carl fuhr zurück. „Ohoho?“, rief er überrascht. „Das ist stark!“ Er lachte.

      Aber Tom sah ihn ernst an. „Wie viel Jahre kriege ich, wenn ich ihn umbringe?“

      „Lass den Unsinn!“

      „Wieviel?“

      „Mein Gott, du meinst es ja ernst!“

      „Wieviel?“

      „Na ja, du hast ja einen Vorsatz: Das heißt lebenslänglich, also mindestens 15 Jahre und dann wird geprüft, ob man dich wieder auf die Menschheit loslassen kann!“

      „Das ist zu lang!“

      „Na, Gott sei Dank!“

      „Wie ist es, wenn ich ihn im Streit erschlage. Ich meine, dann ist es ja kein Vorsatz mehr, also kein Mord, Totschlag, glaube ich!“

      Carl nickte. „Tom, bitte komm zur Besinnung!“

      „Wie viele Jahre?“

      „Vielleicht sieben, bei guter Führung weniger!“

      „Na bitte, das ist schon besser. So lange muss ich eh noch warten, denke ich!“

      „Tom, lass den Quatsch!“

      „Und wenn ich es wie Notwehr aussehen lasse!“

      „Du, als Taekwondoler und Notwehr gegen einen alten Mann?“

      Tom sackte in sich zusammen.

      „Lass den Unsinn!“, flehte Carl ihn an. „Das bringt alles nichts. Und du musst damit leben, dass du deinen Vater umgebracht hast.“

      „Was heißt, musst damit leben? Darauf wäre ich stolz!“

      Carl schüttelte den Kopf. „Was hältst du davon, wenn wir noch ein bisschen bei mir abfeiern und du bei mir übernachtest?“

      Tom war zu betrunken, um Carls eigentliche Absicht zu erraten, nämlich, dass er Tom nicht in diesem Zustand mit seinem Vater zusammenstoßen lassen wollte.

      „Gute Idee!“, meinte er und lächelte. „Feiern wir noch ein bisschen!“

      Sie verließen das Lokal.

      „Vielleicht käme dann auch Anne zu mir zurück, wenn mir endlich der Hof gehörte!“, überlegte er, als er in Carls Wagen stieg.

      9

      Auch am nächsten Tag war Tom aus Liebeskummer und aus Verzweiflung über das Verhalten seines Vaters von zuhause in die Dorfkneipe geflüchtet und hatte mehr getrunken als er wollte, jedenfalls mehr, als er vertrug. Nun saß er zusammengekauert am Tresen und starrte in sein Bierglas.

      „Sieh an, wen haben wir denn da?“

      Tom hörte eine Stimme neben sich und drehte sich danach um. Er erkannte Piet Stevens, einen Bauernsohn, der seinen Hof in der Nähe von Tom hatte. Tom schwieg und wandte sich wieder seinem Glas zu.

      Er und Piet verstanden sich nicht nur nicht, es bestand eine alte Fehde zwischen den beiden Familien, niemand wusste mehr genau warum, es war um Land gegangen. Allerdings wussten noch alle, dass Toms Familie den Streit verloren hatte. Dieser Stachel saß noch heute tief und die Stevens vergaßen in keiner Generation, diese Wunde stets aufs Neue aufzureißen.

      „Man schaue sich das an: Unser lieber Tom bei einem Glas Bier!“ Stevens ließ nicht locker und machte weiter Späße auf Toms Kosten. Er war mit einigen Freunden da, die Tom umringten und die sich ebenso auf seine Kosten amüsierten, wie die übrigen Gäste, die grinsend zu ihnen herüber sahen. „Sollte unser Tom doch ganz nach seinem Vater kommen. Man dachte, unser lieber Tom rührt keinen Alkohol an, aber da setzen sich doch wohl die Gene durch!“

      Tom spürte Ärger in sich aufkommen, aber er fühlte sich schwach und Piet war ihm heute auch gleich. Also fiel er hilflos in sich zusammen. „Verpiss dich!“, meinte er nur und winkte ab.

      „Oh, oh, oh, welch schlimmes Wort!“, rief nun Piet gekünstelt empört. Er drehte sich zu seinen Freunden und den anderen Gästen um. „Und das aus dem Mund eines so feinen und disziplinierten Menschen wie Tom.“ Er wandte sich wieder Tom zu und beugte sich zu ihm herunter. „Oder sollten wir uns in dir getäuscht haben?“

      „Warum lässt du mich nicht einfach in Ruhe und gehst nach Hause zu deinen Schweinen. Da gehörst du hin!“, brummte Tom und nahm einen Schluck aus seinem Glas. „Zu denen passt du!“

      Obwohl Piet den Streit begonnen hatte, zuckte er zusammen und man sah ihm an, dass er sich provoziert fühlte. „Da gehörst du vielleicht hin, du besoffenes Schwein!“, zischte er nun böse.

      Tom sah ihn noch immer gleichgültig an. „Lass mich doch einfach in Ruhe, Piet!“, begann er langsam. „Warum feierst du nicht mit deinen Freunden und lässt mich in Ruhe. Ich habe keine Lust auf eine Unterhaltung mit so einer Schnarchnase wie dir!“ Tom dachte, dass die Unterhaltung damit beendet wäre und wandte sich an den Wirt. „Noch ein Bier, Hein!“

      Da hatte er sich jedoch getäuscht. Obwohl Piet die Provokationen begonnen hatte, brodelte es in ihm mehr und mehr.

      Einer seiner Begleiter trat auf ihn zu. „Lass den doch!“, meinte er. „Der hat doch schon genug. Tom hat Recht: Lass uns lieber feiern!“

      Doch Piet warf ihm einen bösen Blick zu und schob ihn beiseite. Er überlegte krampfhaft, wie er Tom treffen konnte. „So ganz allein heute, Tom!“, begann er nach einer Weile wieder. „Bist doch sonst nicht allein!“

      Er sah zu seinen Freunden, die nun wieder über beide Backen grinsten.

      Tom hörte nur mit halbem Ohr hin und nahm einen Schluck.

      „Warst doch in letzter Zeit immer mit Anne vom Krügerhof zusammen.“ Piet ging grinsend in der Kneipe auf und ab. „Man hat dich doch immer mit Anne gesehen. Da war doch was zwischen euch!“

      Tom horchte nun auf und sah Piet ärgerlich an. „Warum lässt du mich nicht einfach in Ruhe, du Schwachkopf?“

      Piet gab keine Ruhe. Er spürte instinktiv, dass er ein Thema gefunden hatte, mit dem er Tom erreichen und verletzen konnte.

      „Ich wundere mich nur, warum Anne doch angeblich deine Freundin ist, dein einziger Freund heute Abend aber nur ein Glas Bier ist und …!“ Er machte eine Pause, in der es totenstill im Raum geworden war und sich auch die Mienen der Anwesenden versteinert hatten. „… und deine Anne mit dem Sohn des größten Bauern in der Gegend in der Disco abhängt. Da kommen wir nämlich gerade her.“

      Tom sah ihn nun mehr enttäuscht als provoziert an.

      „Saßen eng umschlungen auf einem Sofa im Halbdunkel der Disco, die beiden. Keine Ahnung, was die da gemacht haben?“ Er grinste immer noch sein breites, böses Grinsen.

      Die anderen Gäste sahen gespannt zu, was geschah.

      „Würde mich nicht wundern, wenn Mike ihr alles gezeigt hat, dort im Halbdunkel!“

      Tom stand auf und stellte sich wankend vor Piet hin. Er schwieg jedoch, denn in ihm hatte sich eine tiefe Trauer breit gemacht. Er legte einen Geldschein auf den Tresen. „Stimmt so!“, meinte er und wandte sich zum Gehen.

      Piet erkannte, dass es ihm noch nicht gelungen war, ihn zu provozieren. Plötzlich hielt er Tom am Arm fest und sah ihn böse an. „Mädchen entscheiden sich wohl nicht für solche Loser wie dich!“

      „Lass mich los!“, lallte Tom hilflos und streifte die Hand von seinem Arm.

      „Die Mädchen aus