Wilma Burk

Du hast es mir versprochen!


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nicht so ein Glück hatte wie Vera, einen reichen Mann zu finden. Das machte Vera sehr nachdenklich. Was war aus der lachenden, locker lebenden Marita geworden?

      Bei all den Vorbereitungen zu ihrer Hochzeit hatte Vera allerdings nicht viel Zeit, um darüber nachzugrübeln. Wenn Georg bei ihr war, war er stets aufmerksam um sie herum. Sie mochte ihn mehr und mehr. Er schien zu erraten, was sie sich auch wünschte, und besorgte oder arrangierte es sofort. Es gab keinen Moment, in dem sie sich gegen ihn hätte auflehnen können. Sie verließ sich auch ganz auf ihn, als er einen Ehevertrag zwischen ihnen beim Notar aufsetzen ließ. Ohne zu zögern, unterschrieb sie. Es war doch klar, dass er Gütertrennung wollte, schließlich gehörte ihm alles und ihr nichts.

      Auch die Mutter sah darin keinen Fehler. „Du hast Glück, du bekommst einen sehr vorsorglichen Mann“, meinte sie.

      Doch Onkel Achim mahnte: „Erwarte nicht zu viel, Vera. Du magst ihn, das ist ein gutes Fundament, aber erst in der Ehe wirst du ihn wirklich kennenlernen“, mahnte Onkel Achim.

      *

      Als die Sonne die Erde erwärmte, die Natur erwachte, an Bäumen und Sträuchern Knospen aufbrechen ließ und alles mit einem zarten Grün überzog, war es so weit. Mai, was für ein Monat, um zu heiraten!

      Der Tag der Hochzeit war gekommen. Vera erlebte alles wie einen Traum. Die ernsten Worte des Standesbeamten, dass man sie nun Frau Söllner nannte, wie sie als Braut, geschmückt im prachtvollen Kleid an der Seite von Georg durch das Kirchenschiff dem Altar fast entgegenschwebte, alles schien so unwirklich zu sein. Georg hielt sie fest, stützte sie, ließ sie nicht stolpern. Sie fühlte sich beschützt und ganz tief in ihrem Innern spürte sie, sie liebte ihn, jetzt, in diesem Augenblick, da sie sich das Versprechen gaben, zueinander zu halten, bis das der Tod sie scheide. Ja, das war der wichtigste Moment für sie. Aus vollem Herzen wandte sie sich ihm zu und gelobte ihm Liebe und Treue, so, wie auch er es ihr schwor. Und Gott war ihr Zeuge!

      Es war ein großes Fest. Die Eltern von Georg hatten es sich etwas kosten lassen, da ihr einziger Sohn heiratete. „Nun lasst euch nur nicht zu viel Zeit mit Enkelkinder für uns“, sagte der Vater mit Augenzwinkern und handelte sich einen sanften Stoß der Mutter in seine Seite ein. Georg lachte. Doch wie der Vater das sagte, klang es fast schon wie ein Befehl, und Vera fühlte sich unbehaglich dabei. Das aber blieb der einzige Moment an diesem Tag.

      Das Fest war noch in vollem Gange, als sie sich davonstahlen, ins Auto setzten und ihre Hochzeitsreise antraten. Nicht Venedig war ihr Ziel, sondern ein wunderschön gelegener See in den Bergen der Alpen. Hier in einem Hotel, so vornehm, dass sich Vera wohl bisher gescheut hätte, es zu betreten, hatte Georg ein Appartement gebucht. Noch unsicher betrat sie an seiner Seite eine Welt, in der sie sich in Zukunft bewegen sollte.

      In den nächsten Tagen verwöhnte sie Georg sehr. Nichts war ihm zu teuer. Er ließ es sie auskosten, wohlhabend zu sein. Er machte es ihr leicht, sich in diese für sie ungewohnt neue Rolle zu finden.

      Irgendwann in dieser Zeit, Georg schlief noch, stand sie auf der Terrasse ihres Appartements, streckte glücklich die Arme aus, sah über den in der Morgensonne funkelnden See hoch zu den Bergen und dachte, wie gut es das Leben mit ihr meinte. War es am Anfang auch nicht die große Liebe gewesen, jetzt war es für sie nicht mehr schwer, ihn zu lieben und es würde mehr und mehr werden. Sie hatte es gelobt und sie würde ihn nicht enttäuschen. Erst letzte Nacht wieder hatte er zu ihr in zärtlicher Stunde gesagt: „Ich möchte mit dir alt werden, ewig bei dir sein. Versprich mir, dass du mich nie verlässt, egal was kommt!“ Sie würde es ihm hundertmal versprechen, was sollte sie von ihm trennen? Die Nächte mit ihm waren ein Rausch. Er nahm sie voller Liebe, ließ ihr nicht Zeit, zu denken, ließ sie ihren Körper erleben, wie sie ihn noch nie erlebt hatte. Das Leben war ein Traum.

      *

      Doch Träume gehen zu Ende. Der Alltag begann. Er begann in einer kleinen, luxuriösen Wohnung, in die sie zogen. Alles war vorhanden, nichts fehlte darin. Vera sah wohl den Blick von Marita, als sie einmal mit Sabine zu Besuch kam. Nicht Neid war es, nein, das nicht, eher ein wenig Trauer, Bedrücktheit darüber, wie mühsam sie ihren kleinen Hausstand zusammenbekommen hatte. Christian war tatsächlich arbeitslos geworden. „Jetzt liegt er mir auf der Tasche. Denkst du, der macht mal den Versuch, eine neue Stellung zu finden. Lange bleibe ich nicht mehr bei ihm.“

      „Aber Sabine ist erst ein gutes Jahr alt.“ Vera war erschrocken.

      „Na und? Für uns beide reicht mein Geld, das ich verdiene.“ Marita lachte fast befreit.

      Nachdenklich sah Vera ihr nach, als sie ging. Kam da nicht gerade für einen Moment die Marita durch, die das Leben leicht und locker nahm. Sollte sie sich wirklich so schnell über das Versprechen hinwegsetzen können, das sie Christian am Altar gegeben hatte?

      Für Vera war das undenkbar. Darum musste sie sich ja auch nicht sorgen. Sie ging weiter in ihre Firma arbeiten, Georg in seinen Betrieb. Manchmal war er abends noch nicht zu Hause, wenn sie heimkam. Doch das war ihr recht. Die ganze ungewohnte Hausarbeit wartete noch auf sie. „Er wird dir sicher bald eine Putzfrau zugestehen, bei seinem Lebensstandard. Bei seinen Eltern gab es schließlich auch Hausangestellte“, vermutete die Mutter. Für sie war es bereits verwunderlich, dass Vera noch weiter arbeiten ging.

      Das änderte sich bald. Als sie am Monatsende ihr kleines Gehalt auf dem Tisch ausbreitete, ihr selbst verdientes Geld, lachte er. „Und dafür plagst du dich einen ganzen Monat lang? Hör auf damit. Gib die Stelle auf und komm zu mir in die Firma, ich kann gut eine rechte Hand brauchen.“

      So kam es, dass sie bald gemeinsam morgens zur Firma fuhren. Vera bekam in das Vorzimmer zwischen den Büros von Vater und Sohn einen Schreibtisch zur langjährigen Sekretärin gestellt und wurde in alles Notwendige von ihr eingeführt. Frau Borgmann saß seit undenklicher Zeit hier. „Sie ist eine bewährte und unverzichtbare Stütze der Firma, nicht wegzudenken“, lobte der Vater sie. Und Georg betonte, dass sie ihm so manchen ersten Schritt in die Firma leicht gemacht und ihn vor so manchem Donnerwetter seines Vaters bewahrt hatte. Nun stand sie, hilfsbereit wie immer, Vera zur Seite. Vera lernte die Buchhaltung kennen und wurde von Georg zu Verkaufsgesprächen hinzugezogen. Sie begriff alles schnell. Es gefiel ihr, zu sehen, wie geschickt Georg verstand die Firma zu leiten. Es tat ihr gut, wenn ihr Schwiegervater, der Seniorchef, sie lobte. Dass sie nun kein Gehalt mehr bekam, darüber dachte sie zunächst nicht nach, bis Georg einmal sagte: „Was soll ich dir jeden Monat Geld zahlen, du kannst dir ja jederzeit von unserm Haushaltskonto bei der Bank so viel abheben, wie du brauchst.“ Und er lachte selbstgefällig dabei, fühlte sich wahrscheinlich sehr großzügig.

      Das war das erste Mal, dass sie ihm gerne widersprochen hätte, weil ihr bewusst wurde, dass sie nun kein eigenes Geld mehr hatte, obgleich sie weiterhin den ganzen Monat arbeitete wie vorher. Doch sie schwieg, denn schlecht ging es ihr nicht dabei. Auch eine Haushaltshilfe für einen Tag in der Woche konnte sie einstellen, obgleich noch genug für sie zu tun blieb. Nein, unzufrieden wollte sie nicht sein, von nichts kam nichts, Wohlstand bekommt man nicht umsonst. Es machte ihr sogar Spaß, mit Georg zusammenzuarbeiten. Gegen das, was sie bisher getan hatte, war die Arbeit hier viel abwechslungsreicher. Sie gab sich große Mühe und war mit Eifer dabei. Bald wandte man sich an sie, wenn Georg geschäftlich unterwegs war.

      *

      So verging ein Jahr, alles lief reibungslos. Vera kam gut mit Frau Borgmann aus, sie ergänzten sich, bis Georg eines Tages feststellte: „Jetzt bist du genug eingearbeitet. Nun brauchen wir Frau Borgmann nicht mehr. Das, was sie macht, kannst du leicht mit erledigen.“ Ohne weiter zu fragen, kündigte er ihr von einem Tag auf den andern. Es rührte ihn nicht, dass Frau Borgmann in Tränen ausbrach und sich verzweifelt um ihre Existenz sorgte.

      Vera war erschrocken. „Das kannst du nicht machen! Frau Borgmann ist nicht mehr jung. Sie wird keine neue Stelle finden. Wie viele Jahre ist sie hier bei deinem Vater gewesen? Sie hat einen guten Teil ihres Lebens für die Firma gegeben und hier verbracht. Wie kannst du sie jetzt einfach vor die Tür setzen. Man hat einem Menschen gegenüber auch eine Verpflichtung, wenn man so lange mit ihm zusammengearbeitet hat.“ Zum ersten Mal widersprach sie ihm.

      Überrascht sah Georg sie an. Adern schwollen an seiner Stirn. „Was verstehst du davon? Sie ist