Lina Nordmeer

Move to Oslo


Скачать книгу

Lars holte eine eisgekühlte Flasche Sekt und köpfte sie. Dann tranken sie in Ruhe ein Gläschen, bevor Chris mit seinen Freunden auftauchen und es sich dann nur noch alles um ihn drehen würde.

      Die Party

      Chris stand eine halbe Stunde später mit zwei Freunden, die natürlich auch schwul waren, und seiner neuen Arbeitskollegin vor der Tür.

      „Noch mal alles, alles Gute, meine Süße! Lass dich umarmen und knutschen, Schwesterherz! Kaum zu glauben, dass du schon 36 Jahre alt geworden bist“, flötete Chris und hauchte Tatjana links und rechts einen Kuss auf ihre Wangen. „Das hier sind Robert und Dennis, meine besten Freunde, und hier ist Sandy, meine neue Kollegin am Theater, eine ganz süße Maus, oder?“, fragte Chris in die Runde.

      Robert und Dennis sahen genau wie Chris sehr aufgestylt aus, solariumgebräunt, muskulös und sie dufteten nach Parfüm wie eine ganze Parfümerie. Sie schüttelten Tatjana mit sanftem Druck die Hand.

      Chris schenkte seiner Schwester einen Gutschein für einen Wellness-Oasen-Tag in seiner Lieblings-Schönheitsfarm, mit allem Schnickschnack. „Schließlich musst du jetzt aufpassen, dass du nicht zu viele Fältchen um die Augen bekommst, meine Liebe!“, erklärte Chris seiner Schwester.

      „Na, prima!“, dachte Tatjana. „Meine Familie ist ja sehr besorgt um mein Äußeres, ich muss ja schlimm aussehen, wenn ich ein Diätbuch und einen Gutschein für Gesichtsmasken geschenkt bekomme.“

      Sie quälte sich schließlich ein Lächeln ab, um nicht noch einen Streit zu provozieren, und begrüßte Sandy, die ihr eine teure Flasche Champagner überreichte. Als Lars auf der Terrasse dazu stieß und Sandy sah, begrüßte er sie etwas stotternd: „D…du … hier, Sandra Mayer?“

      „Ihr kennt euch?“, fragte Tatjana erstaunt und musterte Sandy gleich etwas genauer. Sie war etwa 1,70 groß, schlank, aber hatte trotzdem eine weibliche Figur, leicht gebräunte Haut, lange dunkelblonde Haare und ein auffallend hübsches Gesicht mit großen braunen, mandelförmigen Augen. Außerdem hatte sie einen guten Geschmack, was Mode anging, sie trug eine enge Jeanshose und eine weiße, fast durchsichtige Tunika, darunter einen weißen Spitzen-BH, der leicht durchschimmerte. Also schon ein Hingucker, stellte Tatjana etwas neidisch fest.

      „Hi Lars, das ist ja ’ne Überraschung! Meine Güte, haben wir uns lange nicht mehr gesehen!“, quietschte Sandy mit Tussi-Stimme.

      „Was machst du denn so?“, entgegnete Lars verlegen und räusperte sich.

      „Ich arbeite am Theater, wie gesagt, als Maskenbildnerin, genau wie Chris!“, erzählte Sandy total von sich eingenommen und mit überzogener Mimik. Die beiden kannten sich noch von der Schule und hatten sich fast 15 Jahre nicht mehr gesehen.

      Lars war schwer beeindruckt von Sandy, was Tatjana natürlich gleich bemerkte. Sie wurde langsam ein wenig nervös und ging erst einmal ins Bad, um ein bisschen Lippenstift und Rouge aufzulegen.

      Sie sprühte sich Parfum auf und schüttelte ihre lange Mähne vor dem Spiegel. Jetzt kam die Wölfin in ihr durch. „Ich lass mir doch nicht meinen Lars ausspannen“, dachte Tatjana, als sie wieder auf die Terrasse zusteuerte. Sie stellte sich eng neben Katrin, um ihr ins Ohr zu flüstern, dass sie ziemlich genervt sei wegen dieser „Sandymaus“. Katrin ging mit Tatjana in die Küche, um ungestört lästern zu können. „Hast du gehört, was für ne tussige Stimme sie hat?“, gackerte Tatjana.

      „Na ja, alles kann ja auch nicht an ihr perfekt sein, das wäre ja unfair, sie lispelt auch irgendwie!“, gackerte Katrin zurück.

      Die beiden tratschten über Sandy am laufenden Band wie zwei alte Waschweiber. Es machte ihnen richtig Spaß, und es tat ihnen mal wieder gut, so zu lästern; dabei hatten sie fast eine Flasche Sekt geleert. Katrin zog ihre hohen Schuhe aus, ehe sie sich noch den Fuß brach, sie konnte das Gleichgewicht bei diesem Alkoholpegel nicht mehr so gut halten. Lars und Sandy saßen auf der Terrasse mit einem Caipirinha im Strandkorb und unterhielten sich über alte Zeiten. Das gefiel Tatjana, die ziemlich angeheitert war, überhaupt gar nicht. Katrin unterhielt sich mit den drei süßen Jungs, die zu ihrem Bedauern schwul waren, über die neuesten Trends in der Mode und flirtete sogar ein wenig mit Dennis, obwohl sie wusste, dass sie absolut keine Chance bei ihm hatte. Tatjana ging übel gelaunt in die Küche zurück, schenkte sich noch ein Glas Sekt ein und schob die Pizzableche in den Ofen, danach drehte sie „We’ll never speak again“ von Morten so laut auf, dass auch ihre Nachbarn etwas davon hatten, ob sie wollten oder nicht. Sie sang munter mit, während sie die Salatsoße mixte.

      … and all of us are broken

      and all of us in pain

      though some of us have spoken

      WE’LL NEVER SPEAK AGAIN

      Irgendwann kam Lars in die Küche und umarmte Tatjana von hinten. „Hey, lass das, geh lieber wieder raus und kümmere dich um deinen Gast!“, schnauzte Tatjana Lars an.

      „Ist da jemand etwa eifersüchtig?“, grinste Lars.

      Das reizte Tatjana aber noch mehr, sie drehte sich ruckartig um, warf ihren Kopf in den Nacken und stolzierte extrem hüftwackelnd mit ihrem kurzen schwarzen Rock und den schwarzen Pumps, in die sie schnell wieder hineingeschlüpft war, nach draußen, Richtung Terrasse.

      „Ich liebe dich, besonders wenn du so böse guckst!“, rief ihr Lars hinterher, und das stimmte! Lars war absolut verrückt nach Tatjana, wenn er merkte, dass sie eifersüchtig wurde. Doch nun musste er aufpassen, dass Tatjana nicht noch explodierte, denn das könnte böse ausgehen, sie hatte sehr viel Temperament, besonders, wenn sie jemanden verteidigen wollte, den sie sehr liebte.

      Also versuchte Lars einzulenken und hielt eine kleine Geburtstagsrede für seine Frau. „Liebe Freunde und Geburtstagsgäste, ich möchte keinen langen Vortrag halten. Ich wollte einfach nur etwas Wichtiges loswerden. Für mich ist Tatjana die absolute Traumfrau, auch wenn sie total ein Chaotenweib ist, aber sie ist wunderbar, ich liebe sie und all ihre Macken auch. Danke, Tatjana, dass du damals vor acht Jahren angerufen hast, um dich mit mir zu treffen!“ Er küsste Tatjana nach der romantischen kleinen Rede und schenkte ihr noch einen wunderschönen Ring mit einem türkisfarbenen Stein. Den hatte Tatjana vor einem halben Jahr in Sizilien an einem Promenadenstand entdeckt, doch sie war damals zu geizig gewesen, 100 Euro dafür auszugeben. Lars war am nächsten Tag noch einmal dort vorbeigegangen und hatte ihn gekauft, aber er wollte ihr den Ring erst am Geburtstag schenken. Die Geburtstagsgäste klatschten und freuten sich mit Tatjana zusammen über die tolle Rede und das entzückende Geschenk. Tatjana hatte nun ein schlechtes Gewissen, weil sie Lars eben noch so vorwurfsvoll angezickt hatte.

      Sie ging zu ihm, umarmte ihn stürmisch und flüsterte „Entschuldigung, Bärchen“ in sein Ohr. Lars hatte ihr schon längst verziehen, eigentlich fand er es auch gar nicht so schlimm, dass Tatjana ein bisschen eifersüchtig war, denn sonst war er eher derjenige, der auf Tatjana aufpassen musste.

      Sie war schließlich eine gut aussehende Frau mit viel Charme und Esprit. Sie konnte sich fast mit jedem unterhalten und hatte einen besonderen Witz, in dem was und wie sie es sagte. Sandy musste sich urplötzlich ganz schnell verabschieden, was Tatjana natürlich sehr bedauerte. Chris und seine zwei gut aussehenden Jungs wollten Sandy begleiten. Sie waren noch bei einer wichtigen Theaterparty eingeladen, bei der Herr von und zu und Frau so und so anwesend waren. „Ganz wichtige Menschen, die man unbedingt treffen musste als Frau von Welt“, meinte Chris zu Tatjana, als er sich theatralisch verabschiedete. „Tschüssi, meine Liebe, es war entzückend und es hat lecker geschmeckt. Du musst mir unbedingt das Rezept von deiner Salatsoßenmixtur geben!“

      Die Krise beginnt

      Tatjana war froh, dass sie jetzt nur noch zu dritt waren. Katrin war seit einem Jahr solo und öfters mal abends bei Sandbergs zum Essen eingeladen. Lars machte das nichts aus, wenn die beiden von früheren Zeiten schnackten und meistens eine Flasche Sekt oder Rotwein dabei leerten.

      Die