Kurt Mühle

Zelenka - Trilogie Band 1


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zu dem Mann namens Klaus eilte. „Polizei. Bitte ihren Ausweis.“

      Verwundert kam der Mann nach erneuter Aufforderung dem nach.

      „Herr Vollmer, Sie stehen im Verdacht, einen Ladendiebstahl vorgetäuscht zu haben. Wir müssen das aufklären. Kommen Sie bitte mit.“

      Als Klaus Vollmer die von ihm heiß begehrte Luise entdeckte, wurde ihm sichtlich unbehaglich zumute. Er murmelte etwas daher, was in unverständlichem Gestotter endete.

      Beschwichtigend und geradezu gutmütig bluffte Marion: „Na ja, das sollte ja wohl nur ein Scherz sein, nicht wahr? – Sie haben der Frau Feldmann damit wirklich einen ganz schönen Schrecken eingejagt.“

      Er druckste noch ein wenig herum. Erst als ihm Marion die wenig attraktive Alternative einer Strafverfolgung aufzeichnete, gab er kleinlaut zu, heimlich ein paar Waren in Luise Tüte bugsiert zu haben, während sie interessiert der Darbietung auf dem Monitor folgte. Natürlich sollte all das nur ein Scherz sein. Schließlich sei er ja deshalb die ganze Zeit über im Laden geblieben, um die Sache selbstverständlich zur rechten Zeit aufzuklären.

      Luise fiel ein Stein vom Herzen, auch wenn sie keineswegs an einen makabren Scherz zu glauben vermochte. Nein, diesen Klaus kannte sie als hinterlistigen, verschlagenen Menschen. Aber sie wollte aus Dankbarkeit der netten, hilfsbereiten Polizistin nicht ins Wort fallen. Und so ließ sie den Mann vor dem zornesroten PHW Bullrath seine scheinheilige Aussage machen, - egal, Hauptsache dieser Alptraum würde bald vorbei sein.

      Das Schlusswort sprach allerdings die junge Kommissar-Anwärterin, als sie das Wort an Klaus richtete: „Gegen Sie ergeht Anzeige wegen Ladendiebstahls, Vortäuschung einer Straftat und so weiter ... Der Staatsanwalt wird sich schon das Passende heraussuchen. Denn ich glaube Ihnen kein Wort. Sie sind so lange Zeit in den Geschäftsräumen geblieben, um sich daran zu ergötzen, wie Frau Feldmann in Schwierigkeiten gerät, - als Revanche, weil sie kurz zuvor bei ihr abgeblitzt sind. Doch das wird ein Nachspiel haben, dafür werde ich sorgen!“

      „Aber Sie haben doch selbst eben gesagt ...“

      „Dreist und naiv zugleich, keine gute Paarung. Tja, wer selber schon vor Arglist klebt, braucht anderen nicht erst auf den Leim zu gehen. Ihr Pech! Ich würde Sie gern wieder sehen, - vor Gericht.“

      Kaum hatte sich Luise wieder gefangen, da bestand sie darauf, Marions Adresse zu bekommen, um sich in irgendeiner Weise zu bedanken. Sie beharrte darauf, die junge Polizistin habe nicht einfach nur ihre Pflicht getan, sondern weitaus mehr. Und wenn Luise sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann wurde jeder Widerstand irgendwann zwecklos.

      Tage später trafen sich die beiden Frauen in einem Cafe zu einem kleinen Plausch; irgendwann erblickte man sie gemeinsam beim Einkaufsbummel die Straße entlang schlendern – man sah sie immer häufiger zusammen.

      Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft?

       Karriere

      Sechs Jahre später.

      „Sie sind mit Ihrem derzeitigen Arbeitsbereich nicht recht zufrieden, nicht wahr?“ Der das fragte, war nicht irgendwer, sondern der Polizeipräsident von Düsseldorf, der sich hier in einer wichtigen Personalentscheidung persönlich engagierte. Er blätterte in der Personalakte, während er mit forscher Stimme sagte: „Frau Zelenka, Sie haben bei uns von der Pike auf angefangen, haben jede Art von Weiterbildung wahrgenommen. Ihre Beurteilungen sind ausnahmslos hervorragend. Ob im Dezernat Diebstahl, Rauschgift, Wirtschaftsdelikte – überall haben Sie erfolgreich Ihren Mann – pardon – Ihre Frau gestanden. Auch Ihr derzeitiger Vorgesetzter, Kommissar Kellermann, lobt Sie in höchsten Tönen. Und er ist der Meinung, Sie strebten zu Recht einen verantwortungsvolleren Posten an. Aber da stellt sich bei uns hier ein Problem. Doch glauben Sie mir: Wir verlieren Sie wirklich sehr ungern.“

      Marion wurde es mulmig zumute. Was sollte das denn werden? Eine Art von Rausschmiss? – Das ging doch gar nicht; schließlich war sie beamtet und hatte sich nichts zu Schulden kommen lassen.

      „Die Situation ist folgende”, klärte sie der Präsident auf, „die Aufstiegschancen bei uns sind in den nächsten Jahren für Sie gleich null. Mein Duisburger Kollege hat allerdings ein gravierendes Problem und hat mich um Hilfestellung gebeten. Er braucht dringend für ein bis zwei Jahre Unterstützung im Bereich K21, - Dezernat für Kapitalverbrechen. Der leitende Hauptkommissar geht in 4 Monaten in den Ruhestand. Ein weiterer Kollege ist schwer erkrankt; er kommt wahrscheinlich nicht wieder an seinen Arbeitsplatz zurück, darf aber vorläufig nicht so ohne weiteres ersetzt werden, denn – Sie wissen ja – das Land hat kein Geld.“

      „Also ein lupenreiner Aushilfsposten“, warf Marion kritisch ein.

      Der Polizeipräsident nickte, aber mit einem verschmitzten Lächeln. „Darauf gebe ich Ihnen zwei Antworten, eine offizielle und eine unverbindliche ganz private. Zunächst die Offizielle: Ja, das ist eine Aushilfsleistung! – Nun meine Private: Es liegt an Ihnen, sich in Duisburg zu bewähren, und dann, - dann entwickelt sich vielleicht alles ganz anders. Denn wie ich die Personalsituation beurteile, gibt es für Sie dort Chancen, die Sie hier nicht finden.“ Er hielt dabei ihre Personalakte kurz hoch. „Sehen Sie es bitte als Chance. Ich bin sicher, es ist eine. Da vertraue ich voll auf Ihre Fähigkeiten.“ –

      Marion lebte zu dieser Zeit mit Henning Wanders zusammen. Beide hatten eine gemeinsame Tochter, die fünfjährige Svenja. Für die nächste Zeit planten sie zu heiraten und eine wunderschöne Urlaubsreise durch Kanada zu machen. Doch Henning war seit vielen Monaten arbeitslos, verlor immer mehr an Mut und Lebensfreude, so dass Marion schon fürchtete, er könne depressiv werden. Nächtelang konnte sie nicht schlafen; grübelte darüber nach, ob sie dieser Versetzung trotz aller Zukunftschancen unter diesen Umständen folgen sollte.

      Henning verhielt sich dazu völlig passiv, und zum ersten Mal beschlichen Marion in diesen Tagen Zweifel, dass er wirklich für sie der Mann fürs Leben sei. Irgendwie spürte sie, dass sich ihr Leben sehr verändern könnte, wenn sie dem Ruf nach Duisburg folgen würde. Ihren besten Freunden, Peter und Luise, schüttete sie daher Rat suchend ihr Herz aus. Am Ende eines langen Gespräches meinte Luise: „Ich denke, du solltest das Angebot annehmen, aber letztlich musst du das entscheiden. Du sollst nur eines wissen: wenn sich daraus für dich irgendwelche privaten Probleme ergeben, - wir sind jederzeit für dich da.“ -

      Schon wenige Tage später trat sie ihren Dienst in Duisburg an, wo man einerseits recht gespannt auf „die Neue“ war, andererseits aber der Tatsache, dass zum ersten Mal eine Frau zum K21 stieß, sehr reserviert gegenüber stand. Die Herren verbanden damit eher Hoffnungen auf besseren Kaffee und auf ein paar Blumen auf der Fensterbank als auf eine tatkräftige Unterstützung bei ihrer schwierigen Arbeit. Der leitende Hauptkommissar Schmölder hatte sich bisher erfolgreich gewehrt, eine Frau in seine Truppe aufzunehmen. Jetzt, wenige Monate vor seiner Pensionierung, war ihm das egal.

      Er grinste übers ganze Gesicht, als Marion ihm gegenüber stand. Das durfte doch nicht wahr sein! Eine schlanke, hübsche Blondine mit leuchtend himmelblauen Augen, wahrscheinlich nicht mal dreißig Jahre alt, enge Hosen, knappes Jeans-Hemd – Mensch, war die soeben einem Modeladen auf der Königs-Straße entlaufen?! Ehe er „die Neue“ seinen Mitarbeitern vorstellte, bemerkte er noch abschätzig: „Hier ist übrigens keine Boutique sondern das Kommissariat für Tötungsdelikte der Sektion Kapitalverbrechen, - auf Deutsch: die Mordkommission.“

      „Wäre ich nie drauf gekommen, schrecklich. Wie halten Sie das nur aus“, erwiderte Marion kühl. Sie dachte an Kellermann, ihren alten Chef, und sie wusste gleich, mit dem neuen Chef wäre ihr keine gute Zusammenarbeit möglich; aber – der stand ja kurz vor dem Ausscheiden. Als seinen designierten Nachfolger stellte er einen ungefähr vierzigjährigen Kollegen namens Gerd Petzold vor, der auf sie einen recht positiven Eindruck machte. Der Rest der Truppe musterte weniger die neue Kollegin als die attraktive Frau, hielt sich aber mit anzüglichen Bemerkungen zurück, - so schwer es dem einen oder anderen auch fiel.

      „Schließen Sie den Fall mal ab.“ So lautete die erste Aufgabe für Marion. Schmölder überreichte ihr dazu die Akte über einen Tankstellenüberfall in