Anna-Irene Spindler

Schwingen des Adlers


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stieg aus.

      „Es tut mir leid. Ich habe mich ein bisschen verspätet! Was kann ich denn für Sie tun“, sagte er diensteifrig und kam auf sie zu.

      Abrupt blieb er stehen. Ein breites Grinsen ließ die weißen Zähne in seinem dichten Vollbart leuchten, als er sie erkannte.

      „Ja wenn das mal keine Überraschung ist! Seit wann sind Sie denn hier, Frau ..., Frau....?“

      „Römer!“, half ihm Sophia auf die Sprünge. „Hallo Herr Anninger! Schön Sie wieder zu sehen!“ Sie streckte ihm die Hand entgegen.

      „Ganz meinerseits!“, antwortete Thomas.

      Er ignorierte ihre Hand. Statt dessen packte er Sophia an den Schultern. Er zog sie zu sich heran und drückte ihr auf jede Wange einen so herzhaften Begrüßungskuss, dass ihr Hören und Sehen verging.

      Sophia lachte: „Sie sollten alle Fremden so begrüßen, dann würden die weiblichen Gäste bis hinunter nach Oberkirch Schlange stehen.“

      „So ein Willkommen ist nur ganz besonderen Besuchern vorbehalten“, antwortete er würdevoll.

      Aber als er fortfuhr konnte man die ehrliche Freude aus seiner Stimme heraushören.

      „Es ist schön, dass Sie wieder hier Urlaub machen. Wohnen Sie in Oberkirch?“ „Eigentlich mache ich gar nicht Urlaub. Ich bleibe nur bis zum Sonntag. Pfarrer Maierhofer hat mir geschrieben, dass er händeringend eine Erzieherin hier in Saas Gurin sucht. Er hat mich eingeladen alles vor Ort in Augenschein zu nehmen. Ich wohne drüben im Kindergarten“, antwortete Sophia.

      Das fröhliche Leuchten in Thomas’ Augen vertiefte sich noch.

      „Sie sind also der tolle Fang von dem mir Beat gerade erzählt hat.“

      Als er Sophias fragenden Blick sah, fügte er erklärend hinzu:

      „Ich komme gerade aus Oberkirch. Dort habe ich Beat, ich meine Pfarrer Maierhofer, getroffen. Er hat mir freudestrahlend von der Erzieherin erzählt, die vielleicht in Saas Gurin bleiben will.“

      Sophia konnte ein Lachen nicht unterdrücken.

      „Ja, Pfarrer Maierhofer scheint mir ein sehr mitteilsamer Mensch zu sein.“

      „Sie dürfen ihm das nicht übelnehmen. Er war so verzweifelt, weil er nur Absagen erhalten hatte. Im Geiste sah er Saas Gurin wohl schon als verlassenes Geisterdorf, in dem nur noch zwei, drei verhutzelte Greise leben“, sagte Thomas.

      „Aber ich habe gesehen, dass Sie in die Tourist-Information wollten. Wie kann ich Ihnen helfen?“

      „Ach Sie sind der Bin-um-elf-wieder-da“, meinte Sophia ironisch.

      Thomas Anninger stellte sich mit gewölbter Brust vor sie hin und schlug die Hacken zusammen.

      „Darf ich vorstellen: Thomas Anninger! Bergführer, Leiter der Bergwacht von Oberkirch, Leiter des Fremdenverkehrsbüros Saas Gurin, Weintrinker und persönlicher Betreuer alleinstehender Frauen! Stets zu Ihren Diensten!“ „Hocherfreut Sie kennenzulernen, Herr Fremdenverkehrsbüroleiter. Verkaufen Sie auch Briefmarken?“

      „In allen Farben und Größen! Wenn Sie mich bitte begleiten wollen.“

      Mit einer leichten Verbeugung wies er zur Tür seines Büros. Er riss den Hinweiszettel ab und sperrte die Holztür auf. Sophia folgte ihm.

      „Hier befinden Sie sich in der Schaltzentrale aller touristischen Aktivitäten von Saas Gurin“, sagte Thomas stolz.

      ‚Das können ja nicht allzu viele sein‘, ging es ihr durch den Kopf, als sie die drei einsamen Prospekte begutachtete, die verloren auf dem Holztresen lagen. Diesen naseweisen Gedanken behielt sie jedoch schön brav für sich.

      „Hübsch haben Sie es hier.“

      Der kleine Raum gefiel ihr. Er wirkte so anheimelnd und gemütlich mit seinen Holzwänden. Das Sonnenlicht, das durch die offene Tür hereinfiel, tauchte sie in ein warmes Hellbraun.

      „Sie brauchen sicher Briefmarken für Ansichtskarten“, sagte Thomas, öffnete eine Schublade eines Schreibtisches und kramte darin herum.

      „Nein. Ich habe hier einen Brief, der per Luftpost nach Gabun gehen soll.“ Thomas schaute sie überrascht an. Verlegen kratzte er sich am Kopf.

      „Tja, da muss ich aber erst in meiner Liste nachschauen, was das kostet. So auf Anhieb kann ich das nicht sagen.“

      „Ich muss zugeben, dass ich ganz schön irritiert wäre, wenn Sie das so aus dem Stegreif sagen könnten“, lachte Sophia.

      Nach ein paar Minuten gemeinsamen Suchens in der Portoliste, fanden sie tatsächlich den entsprechenden Betrag. Da die passende Marke nicht vorrätig war, zierten schließlich sieben verschiedene Briefmarken das Kuvert.

      Thomas warf einen neugierigen Blick auf die Adresse.

      „Katie Römer! Eine Verwandte?“

      „Ja, meine Tochter“, antwortete Sophia.

      „Sie haben eine Tochter in Afrika?“

      Die Verblüffung stand ihm nur allzu deutlich im Gesicht geschrieben.

      „Ja, aber erst seit drei Wochen. Seit 1. Juli arbeitet Katie in einem Lepradorf in einer Schule. Sie hatte keinen wirklichen Plan, was sie nach dem Abitur anfangen sollte und wollte sich ein Jahr Überlegungszeit gönnen. Dass sie diese Zeit ausgerechnet in Gabun verbringen will, fand ich nicht so berauschend. Aber es ist ja ihr Leben.“

      Sophia machte eine kurze Pause und fuhr dann fort:

      „Ich habe ihr übrigens geschrieben, dass ich es hier in Saas Gurin versuchen werde. Zumindest für ein Jahr.“

      „Das ist ja großartig! Beat wird sich vor lauter Freude gar nicht mehr beruhigen können. Weiß er es schon?“

      „Nein, Sie sind der Erste, dem ich es erzählt habe.“

      Sophia musste schmunzeln, als sie seine Begeisterung bemerkte.

      Strahlend trat Thomas vor sie hin, küsste sie wieder auf beide Wangen und sagte sehr würdevoll:

      „Es ist mir eine besondere Ehre, Sie im Namen aller Einwohner von Saas Gurin herzlich willkommen zu heißen. Es wird Ihnen hier bestimmt gefallen.“

      „Wir werden sehen“, meinte Sophia und zuckte mit den Schultern.

      „Eine gewaltige Umstellung wird es sicher werden. München und Saas Gurin. Da besteht doch ein klitzekleiner Unterschied.“

      „Ja, München ist vielleicht ein ganz klein wenig größer, aber Kinder sind doch überall auf der Welt gleich. Oder etwa nicht?“

      Lachend nickte sie: „Richtig.“

      „Wissen Sie schon wann Sie anfangen werden?“

      „Keine Ahnung. Aber was ich so von Pfarrer Maierhofer mitbekommen habe, wäre es ihm am liebsten, wenn ich gleich hierbleiben würde.“

      „Das kann ich mir denken“, lachte Thomas und fuhr nach einer kurzen Pause fort „aber Sie müssen das ja auch erst mit Ihrer Familie klären.“

      Sophia bemerkte den prüfenden Blick mit dem er sie ansah. Sie beschloss ihn ein wenig auf die Folter zu spannen und sagte:

      „Meine Familie ist in Gabun, das ist also kein Problem. Aber ich muss es natürlich erst mit meinem bisherigen Arbeitgeber klären und das ganze Drumherum mit meiner Wohnung regeln. Das wird alles noch ein ganz schöner Stress ehe ich hier anfangen kann.“

      „Ach, das ist doch für Sie alles kein Problem. Sie sind doch eine so tatkräftige, energische Frau.“

      Zur Bekräftigung klopfte er ihr so kräftig gegen die Schulter, dass sie aus dem Gleichgewicht geriet.

      „Wenn Sie meinen“, brummte Sophia unsicher und rieb sich den schmerzenden Oberarm.

      Thomas Anninger hatte anscheinend