Shey Koon

Vatermissbrauch


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ich lauthals.

      Ben

      Ich wartete im Lamborghini, lauschte dem Lied „Back to Black“ von Amy Winehouse und versank in Träumereien. Fluchendes Schimpfen riss mich aus meinem Dämmerzustand, wütend stampfend verließ Ben sein Zuhause, knallte die Türe ins Schloss. Er vermittelte einen rebellischen Eindruck. Seine Klamotten, modisch zerrissen, seine Statur dünn und schlaksig, und seine Haut schien so unheimlich bleich. Ich duckte mich, als ob er mich erkennen könnte. Dabei hatte er mich das letzte Mal vor zehn Jahren gesehen, bevor ich aus seinem Leben verschwand. Ich hob meinen Kopf, sah wie sich Ben eine Zigarette anzündete.

      „Du bist erst vierzehn und rauchst schon.“ schimpfte ich ärgerlich.

      Dennoch, ich ließ ihn seines Weges ziehen. Ich blickte nach oben, der Häuserfassade entlang, sah durchs Fenster. Sandra stand an der Spüle und weinte, vergrub ihr Gesicht in den Händen. Jetzt in diesem einsamen Moment hatte sie es nicht nötig ein Schauspiel abzuziehen. Ich versuchte mich zu beherrschen, doch meine Wut kochte ungezügelt hoch, mein Puls schlug am Anschlag, meine Gedanken kreisten um die Waffe, die ich dummerweise bei mir trug. Ich drehte den Zündschlüssel um, bevor ich ein Unglück heraufbeschwor, fuhr die Straße entlang, sah Ben laufen und schrie aus dem Fenster. „Mensch Junge, spinnst du? Lass das Rauchen! Das ist nichts für dich.“

      Dann drückte ich meinen Fuß aufs Pedal und startete durch, während mir mein Sohn rotzfrech den Stinkefinger zeigte. Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Unverschämt war er also auch noch.

      Ich war auf dem Weg zu einer geheimen Verabredung, es hatte mich ein kleines Vermögen gekostet, die Nummer dieses mysteriösen Mannes erhalten zu dürfen. Ich sollte ihn am Römer treffen. Jedoch, dieses Vermögen war gut angelegt. So fest meine Beziehung zu meiner 35er Glock auch war, sie konnte mir bei dieser außergewöhnlichen Zielperson nicht weiterhelfen. Ich erkannte den auffälligen Mann bereits aus einiger Entfernung. Sein grellgelber Anzug stach mir direkt in die Augen. Ich fürchtete blind zu werden, trotzdem steuerte ich direkt auf Binji zu.

      „Guten Tag, Sir. Ich bin Shey.“ Ich schüttelte ihm die grobe Hand.

      Überhaupt sah meine Kontaktperson sehr grobschlächtig aus. Klein und dick, um nicht zu sagen von Blobfischähnlicher Gestalt.

      „Warum treffen wir uns im Geheimen, wenn die ganze Stadt jetzt Sonnenbrillen aufziehen muss?“, lachte ich Binji an.

      „Was strahlt dir entgegen? Mein Gesicht oder das grelle Gelb? Hallo Shey. Du siehst besser aus als Djan dich beschrieben hatte. Gehen wir spazieren. Ich bin so selten in Frankfurt. Dabei liebe ich diese Stadt mit ihrem schicken Multikulti.“

      Wir schlenderten zum Bahnhof, denn meine Zitronengelbe Kontaktperson war nur auf der Durchreise. Binji wollte noch in der nächsten Stunde den Zug nach Hamburg erwischen. Wir philosophierten über den must-have-Standard der Waffen in der heutigen Zeit. Djan hatte mich vorgewarnt. Ich sollte es unterlassen dem meisterlichen Waffenschmied meine Vorstellung aufzudrängen. Da konnte Binji sehr ungehalten reagieren. Ich stellte mir sein Gesicht vor, hochrot und vor Wut schnaubend, schnappend wie ein kampflustiger Blobfisch. Das wollte ich nicht heraufbeschwören, also sprachen wir unbefangen über die Vorlieben bei Waffen.

      „Djan hatte mir gestern die Unterlagen überbracht. Ein gefährlicher Auftrag, auf den du dich da einlässt. Ich will dir nicht zu nahetreten, nur die Waffe ist doch dein kleinstes Problem. Shey, du begibst dich auf eine Mission, die von vornherein zum Scheitern verurteilt ist.“

      Mit diesen Worten verabschiedete er sich von mir, stieg eilends in den Zug und ich winkte ihm nach. Wir hatten weder einen mündlichen Vertrag geschlossen, noch einen Preis für den Deal ausgemacht, oder nur annähernd über ein Lieferdatum gesprochen. Ich war ehrlich gesagt, noch nicht einmal sicher, ob er denn überhaupt eine Waffe für mich entwickeln würde. Ein seltsamer Kauz, dachte ich mir nur, schlenderte zu einem der Kioske in der Haupthalle und bestellte mir eine kleinen Coffee to go. Ich blickte auf die Uhr. Ich hatte noch ein paar Stunden, bevor ich mich mit Eve und Melanie an der U-Bahnstation Hauptwache treffen wollte. Daher beschloss ich die Lücke zu nutzen, machte mich auf den Weg zur Villa Kennedy in der Kennedyallee, unweit der Niederräder Landstraße. Dringliche Anrufe warteten auf ihre Erledigung und ich wollte dabei ungestört einen London Buck genießen. Jetzt hieß es, alte Kontakte aufleben zu lassen, die zuverlässig waren und genug Sicherheit boten, damit meine Zielperson keinen Wind davon bekam.

      Harte, durchtriebene Knochen säumten meinen Pfad, grausame Menschen, die wie Dämonen aus den dunklen Winkeln der Hölle hervorkrochen. Böses lag ihn ihren Augen, verdunkelte ihre Seelen, abscheulich schwarze Qualen, an denen sie sich ergötzten, ihre unheimliche Befriedigungen darin fanden. Shan Zeibo war eindeutig von anderer Natur. Weitaus gefährlicher. Ihre Opfer hatten niemals nur den Deut einer Wahl. Sie wurden aus ihrem Alltag gerissen, stürzten ahnungslos ins Verderben. Shan Zeibo berauschte sich an der Macht, zelebrierte die Big Deals und genoss die Freiheit, die ihr das mörderische Business bot. Sie schloss ihre Kontrakte mit Staatenlenkern, mit Wirtschaftsbosse und Wissenschaftler ab, auf glattpolierte antike Schreibtische. Die blaue Tinte auf den Verträgen besiegelte millionenfache Tragödien, noch bevor sie getrocknet war. Das Vermögen, das sie dabei scheffelte, war so unglaublich, sie hätte damit mühelos einige Länder von der Weltkarte erwerben können. Der Reichtum und der Luxus, der damit einherging, war nicht die anstachelnde Kraft hinter ihrem teuflischen Tun. Was also war ihr Antrieb? Diese eine Frage stellte ich mir, seit ich mit dem Spiel begonnen hatte, seit ich auf der Pirsch war. Was steckt in solchen Ungeheuern, die jede Grenze der barmherzigen Menschlichkeit durchbrechen, gewissenlos ausbrennen?

      „Hey Steve, schön dich zu hören. Wo steckst du gerade? Der Empfang ist ziemlich miserabel.“ Ein unangenehmes Rauschen durchzog die Leitung, obwohl ich Steve an seinem Satellitentelefon erreichte.

      „Ich bin gerade am Rande des Arktischen Ozeans. Du wirst es nicht glauben, inmitten dreizehn Meter hoher Wellen. Unser Schiff kämpft wie ein besoffener Drache gegen die Urkraft des Poseidons. Ob wir diesen Sturm überleben werden, kann ich dir nicht versichern.“ Steve lachte verwegen.

      Er war einer dieser Menschen, die ständig in gefährlichen Situationen feststeckten und im letzten Moment doch heil herauskamen. Wenn ich ihn einmal zu Gesicht bekam, erinnerte er mich an Robinson Crusoe. Er war der Inbegriff eines draufgängerischen Weltenbummlers und ein unglaublich sicherer Fährtenleser. In ihm steckte die Gabe, dass er jede Person dieses Erdballs aufstöberte, ganz gleich wo diese sich versteckt hielt. Ich hatte einstmals um ihn geworben, versprach ihm ein Luxusleben in Saus und Braus, denn er besaß das Zeug zu einem vortrefflichen Jäger. Jedoch, er war kein Mensch, der sich an der Hatz auf seine Mitmenschen beteiligen wollte. Bedauerlicherweise. Auch wenn es Monster waren, mehr teuflische Ausgeburten als Menschen. Falls sie denn Menschen waren.

      „Es hat ein paar Tage Zeit. Ich melde mich am Freitag nochmal bei dir. Guck, dass du bis dahin in einem sicheren Hafen ankerst.“ Knacken und Rauschen, mehr vernahm ich nicht.

      Ich wärmte mehrere Kontakte auf, doch den Grund meines Vorhabens verschwieg ich vorerst. Ich achtete auf mein intuitives Gefühl, waren sie die Richtigen für meinen Plan, oder mittlerweile korrumpiert und zur dunklen Seite übergelaufen. Nach meinem dritten Glas London Buck suchte ich die Toilette auf, puderte meine Nase mit den feinsten Kokskristallen, beglich angetörnt meine Rechnung und begab mich zu Fuß auf den Weg zur Hauptwache. Zum Fahren war ich eindeutig zu steif, der Alkohol tat seine Wirkung. Ich spazierte gerne durch die Stadt, betrachtete die bunte Vielfalt der Frankfurter, tauchte ein in die spannende Geräuschkulisse der Straßen.

      Eve und Melanie warteten bereits auf mich. Sie hatten ihre Besorgungen getätigt. Ich blieb stehen und betrachtete meine Hotties aus einiger Entfernung. Wow, was waren das für prächtige Ladys. Ich ließ keine Gelegenheit aus, mich bei Gott für dieses unbeschreibliche Glück zu bedanken. Ich tanzte auf sie zu, küsste Eve stürmisch und Melanie hingebungsvoll. Eves Eifersucht galt nicht Melanie, denn in ihren Augen war Melanie sowieso ihre Frau, um die ich mich zu kümmern hatte. Ich nahm sie an den Händen, und stolzierte zwischen ihnen. Sie waren schick gekleidet, überragten mich um wenige Zentimeter, was mich nicht weiter störte. Ich spürte die Blicke der neidischen Männer,