Shey Koon

Vatermissbrauch


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tagelang die Plätze in seinem Anwesen aus, bis er den geeigneten Standplatz für seine auserlesenen Raritäten lokalisiert hatte. Mitunter waren es fünf oder sechs Statuen gleichzeitig, die seine Bediensteten von einem Ort zu einer anderen Stelle rückten, solange bis er mit dem Gesamteindruck zufrieden war. Dann bestaunte er wochenlang seine wertvollen Errungenschaften.

      Nachdem er mir seinen neuesten Engel, der gänzlich aus einem Kristall geformt war, vorgeführt hatte, setzten wir uns an die Tafel, tranken Zitronenwasser, spülten den Gaumen mit klarem Wasser nach, tupften uns den Mund. Vier fleißige Bedienstete tischten uns das Edelste aller Fleischgerichte auf, füllten unsere Gläser mit Château Cheval Blanc, reichten rote Weintrauben dazu, servierten Pistazieneis auf Silberplatten. Das Festmahl der Götter war angerichtet. Ich speiste ausgiebig, schlürfte schamlos am edlen Wein, vernaschte die hellgrüne Eisspezialität, plauderte mit Djan über dies und über das. Dieses Ritual pflegten wir nach jedem gelungenen Auftrag. Nachdem wir kugelrund auf den Stühlen fläzten, bat mich Djan, ihm zu folgen.

      Er führte mich die langen Korridore entlang, in denen ich mich alleine verloren hätte. Die Villa war wie ein Labyrinth mit unzähligen Räumen konstruiert. Oberirdisch wie unterirdisch. Wir nahmen den Aufzug, fuhren zehn Stockwerke in die Tiefe. Er gestaltete für jeden meiner Zielpersonen eigens einen Raum, einem Miniaturmuseum gleich, sammelte die Lebensgeschichten der Vernichteten wie Trophäen. Wir schritten Raum um Raum an den gläsernen Wänden vorbei, die den Blick direkt auf die erworbenen Trophäen lenkten. Jede Perle war ein Unikat und wies bestimmte Besonderheiten auf. Eingravierte Motivbilder waren genauso begehrt, wie die unterschiedlichen Farbtöne, die von gelb über das weißliche Perlmutt bis hin zum satten Schwarz reichten. Die Größen schwankten von einer kleinen Perle bis hin zu Murmelgrößen. Manche Perlen fluoreszierten, in andere wiederrum waren Edelsteine eingearbeitet.

      „Wie viele Räume sind es aktuell in deiner Sammlung?“, fragte ich neugierig nach.

      Mit stolzem Gesicht und geschwollener Brust atmete Djan ein.

      „143 Räume. Du weißt, dass ich eine handvoll an Jägern einsetze. Dennoch bin ich noch nicht an der Spitze. Saraxus, der Honduraner, führt die Weltrangliste an. Obwohl ich doch einige spektakuläre Trophäen mein Eigen nennen darf.“

      Ich lächelte ihn herausfordernd an, dachte an meine mehrere hunderte Millionen, die ich bisher allein durch ihn verdient hatte.

      „Du bist auch nicht mein einziger Auftraggeber. Vielleicht liegt es daran.“, lachte ich ihn an.

      „Shey, hast du die Trophäe dabei? Ich habe den geeigneten Platz dafür. Komm mit, ich zeige in dir.“

      Djan betrat einen schwach ausgeleuchteten Raum, ich hinterher. Es gab gerade genug Licht um die Bilder, Fotos und Habseligkeiten auszuleuchten, die wohl einst im Besitz von Sky waren. Djan war über die Gejagten bestens informiert. Ich überreichte ihm das Tuch, in dem das totbringende Projektil und die Hülse eingewickelt waren. „Das war das letzte, was Sky in dieser Welt erleben durfte. Direkt durch seinen Schädel. Das Ungeheuer wird niemanden mehr Leid zufügen können.“

      Djan legte sie achtlos beiseite.

      „Shey, wo ist die Trophäe?“, hackte er ungeduldig nach.

      Feierlich überreichte ich ihm das Päckchen mit der schwarzen Perle. Ungestüm riss er es auf, nahm das Schmuckstück aufgeregt zwischen seine Finger, bewunderte die glänzende Perle, drehte sie in allen Richtungen, bestaunte die drei filigrane Blumen, die eingraviert worden waren und nur durch das Dämmerlicht hervorleuchteten. Er legte das Kleinod sanft auf ein samtenes cremefarbenes Kissen. Sein Staunen kannte keine Grenze. Er erhob seinen dicken Kopf, deutete direkt auf ein Plakat, das eine Gruppe junger indischer Männer zeigte, die ängstlich am Boden kauerten.

      „Sky trieb ein blutiges Geschäft mit dem Menschenhandel. Er operierte mit seinen grausamen Söldnern weltweit.“, klärte mich Djan todernst auf.

      Natürlich kannte ich die Geschichte dieses Mannes, schließlich hatte ich ihn ausführlich studiert, bevor ich ihn zur Strecke gebracht hatte.

      „Seine menschliche Beute, vorwiegend aus den Drittweltländern, behandelte er wie Vieh. Kräftige und gesunde Männer brachten ihm als Arbeitssklaven einen besonders hohen Preis ein, wusstest du das? Die unantastbare Würde des Menschen, tja, war ihm keinen Pfifferling wert. Was auf alles in der Welt bringt so ein Scheusal hervor.“, fuhr er belehrend fort. „Tagelang quälten und vergewaltigten er und seine Männer junge Mädchen auf brutalste Weise, bevor er sie geschändet und willenlos an die asiatischen Bordelle verkaufte.“

      Djan spuckte auf ein Foto, zerriss das Gesicht von Sky in tausend Papierfetzen. Ich wusste, dass das Monster selbst vor dem Geschäft der Ausschlachtung nicht zurückschreckte. Wer den eingeforderten Preis bezahlte, konnte ein Herz erwerben oder Leber, Nieren, Augen, kein Wunsch blieb aus. Sky belieferte den roten Markt. Wer für seine perversen Spiele Gladiatoren benötigte, bekam welche, wer das Essen von Menschfleisch bevorzugte, bekam welche, wer einen blutigen roten Raum betrieb, bekam welche. Menschen waren so leicht zu fangen, seine Beute brauchte oftmals nur ein hoffnungsvolles Versprechen, um mit ihm zu gehen. Ich begutachtete die Gesichter der jungen Männer. Sie waren starr und leblos, sie hatten sich wehrlos ihrem grausamen Schicksal ergeben.

      „Die Schafe folgten ihm, ihrem Schlächter.“, flüsterte ich ihm wissenden Ton. Djan stupste mich an, winkte mich hinter sich her. forderte mich auf ihm zu folgen.

      „Shey, ich habe dieses Mal eine außergewöhnliche Zielperson für dich. Du wirst mich dafür lieben, dass ich ihn, oder vielmehr sie, einzig und allein für dich aufbewahrt habe. Eine wirklich seltene Gelegenheit.“

      Meine Neugierde war aus ihrem Schlaf gerissen, meine Hände schwitzen vor Aufregung, der Herzschlag zeichnete sich unter meinem Hemd ab. Ich ließ es mir nicht anmerken. Ich war Profi 24/7. Trotzdem betete ich innerlich, er sollte sich beeilen. Djan öffnete eine weitere Türe, doch es blieb dunkel. Er zwinkerte mir zu, ahnte, dass ich vor Neugier zerplatzte. Djan gab mir ein Handzeichen, dass mich zum Stehen bleiben aufforderte. Er verschwand hinter der Türe, kam nach wenigen Sekunden mit einem silbernen Briefumschlag hervor und überreichte ihn mir.

      „Dein Auftrag. 13 Millionen Euro ist mir diese Perle wert. Beschaff sie mir! Streng dich an, das wird kein leichtes Spiel. Es ist die einzig goldene Perle, die es geben wird. Die muss ich unbedingt haben.“, betonte Djan nachdrücklich.

      „Versuchst du mich gerade zu motivieren?“, neckte ich ihn.

      Tatsächlich törnte es mich an. Dieser Auftrag war anders als alle andere, schoss es mir instinktiv durch meinen Geist. Ich hatte Mühe ruhig durchzuatmen, verabschiedete mich sogleich, ließ mich von den beiden unbekannten Filmspionen zu meinem Lamborghini rudern, und brauste los. Ich hinterließ eine staubige Wolke, winkte dem stolzen Pfau zum Abschied, hielt den Umschlag fest umschlossen.

      Eve und Melanie schliefen engumschlungen, ich bewegte mich auf Fußspitzen über dem Parkettboden der Suite, sah, dass der Spiegel angerichtet war, schnupfte White Crystal und begab mich in mein Bekleidungszimmer. Ich beschloss den Brief erst zu öffnen, sobald ich ausgeschlafen war. Natürlich drängte mich die Neugierde, doch in erster Linie war ich ein Koryphäe meines Handwerks und es war nicht der richtige Zeitpunkt. Also verstaute ich meinen Auftrag in einer Schuhschachtel, zog mir Laufkleidung über und begab mich nach unten. Um warm zu werden lief ich mit langsamen Schritten los, lauschte der beruhigenden Stille des grünen Parks. Ich atmete tief durch, erhöhte mein Tempo, wurde schneller und schneller, das Blut pochte durch meine Adern. Mein Geist war frei.

      Doch dann, plötzlich und unvermutet blitze eine Vision vor mir auf. Ich blieb stehen. Ich roch ihr Parfüm, sah ihre brünetten Haare, sie weinte. Sie saß auf dem Boden gekauert und schluchzte mit einem Foto in ihrer Hand. Lange war es her, sehr lange. Die Vergangenheit rührte sich in mir. So schnell wie die Einbildung in meinem Kopf aufflackerte, so schnell verschwand sie auch wieder. Ich war eindeutig zu lange wach und halluzinierte. Ich drehte um, eilte zurück in die Suite, duschte, rauchte auf der Terrasse einen Spliff und legte mich entspannt zu meinen beiden Ladys. Sie schlangen ihre Arme um meine Brust, kuschelten ihre warmen Körper an mich. Ja, das waren meine Feelings, mein Lifestyle. Vorzeitig im Paradies angekommen. Nach dreizehn Stunden