Jutta Maschmeier

Stürme der Prärie


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Nur Derek blieb noch sitzen. Sie spürte seine Blicke in ihrem Rücken. Nervös klapperte sie mit dem Geschirr. Sie wünschte sich, dass er nun auch endlich die Küche verlassen würde.

      „Derek, kommst du? Ich muss noch etwas mit dir besprechen“, hörte sie nun Bettys Stimme von der Tür. Derek folgte ihr.

      „Sie müssen mir nicht helfen, gehen Sie und genießen Sie Ihren Feierabend“, sagte nun Martha.

      Karen hatte bereits das Spülwasser eingelassen und begann gerade, das Geschirr abzuwaschen.

      „Kein Problem, ich habe sowieso nichts vor. Im Kino läuft gerade nichts Besonderes und die Pubs sind auch alle geschlossen“, scherzte sie.

      Martha lachte. „Ja, es ist bestimmt ungewohnt für Sie, auf dem Lande zu wohnen, nicht wahr? Vermissen Sie New York?“

      Karen dachte an ihren Vater und an die Firma. Vermisste sie sie? Eigentlich hatte sie noch gar keine Zeit dafür gehabt. Solange man beschäftigt war, musste man nicht nachdenken. Das war eigentlich ganz gut.

      „Nein“, antwortete sie ehrlich, „es ist alles so neu und interessant hier, für Heimweh hatte ich gar keine Zeit.“

      Karen verließ die Küche erst, als alles wieder blitzblank war, doch sie wollte nicht durch die Eingangshalle gehen, falls Derek und Betty noch dort waren, also ging sie durch die Hintertür hinaus und machte einen kleinen Spaziergang. Jetzt in den frühen Abendstunden war es richtig angenehm und zum Schlafengehen noch viel zu früh. Nachdem sie die Ranch einmal umrundet hatte, schlug sie den Weg zu den Pferdeställen ein. Sie mochte den Duft, er erinnerte sie an ihre Kindheit, denn sie hatte viel Zeit in Reitställen verbracht. Ihre Mutter war selbst eine begeisterte Reiterin gewesen. So kam sie schon früh zu diesem Sport. Es war eine schöne Zeit, dachte Karen. In diesem Moment vermisste sie ihre Mutter sehr. Sie schlenderte durch die Ställe und hing ihren Erinnerungen nach, als sie plötzlich ein Geräusch hinter sich hörte. Was war das? Gab es hier Mäuse? Wahrscheinlich, in welchem Pferdestall gab es keine Mäuse. Doch es war keine Maus, es war Inka! Etwas verlegen lugte sie um die Ecke. Karen entging nicht, dass sie Stroh in den Haaren hatte. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass sie sie bei irgendetwas Verbotenem ertappt hatte, doch bei was?

      „Hey Karen, was treibst du denn hier?“

      Inka schaute sie nicht direkt an, sondern fummelte nervös an dem Schloss einer Box herum.

      „Nichts, ich vertreibe mir nur die Zeit. Brauchst du vielleicht Hilfe?“, antwortete Karen.

      „Nein, ich wollte auch nur nach dem Rechten sehen. Hey Stella, altes Mädchen, was macht denn dein Bein?“

      Inka hatte die Pferdebox betreten und untersuchte nun das Bein des Pferdes. Wieder vernahm Karen ein Geräusch hinter sich und als sie sich umdrehte, stand plötzlich Bill vor ihr.

      „Hallo, haben Sie noch einen kleinen Spaziergang gemacht?“, fragte er Karen.

      Auch er erschien ihr irgendwie merkwürdig. Als sie genauer hinsah, entdeckte sie das Stroh an seiner Kleidung. Aha! So ist das also. Ich habe die beiden bei ihrem Techtelmechtel gestört. Nun war Karen alles klar. Die beiden waren ein Paar! Doch warum mussten sie das geheim halten? Nun, das ging sie überhaupt nichts an. Es war ihr ein wenig unangenehm, dass sie ihr Rendezvous gestört hatte. Deshalb verabschiedete sie sich schnell wieder. Auf dem Weg zum Haus musste Karen schmunzeln. So verbrachte man hier also die Abende. Sie merkte, dass sie sogar ein wenig neidisch auf Inka war, denn sie schien ihr Glück bereits gefunden zu haben, wonach Karen, wenn sie ehrlich war, schon so lange suchte. Um sich abzulenken, holte sie sich noch ein Buch aus dem Büro und ging damit auf ihr Zimmer. Im Dachgeschoss gab es leider keine Klimaanlage. Als sie ihre Zimmertür öffnete, kam ihr die aufgestaute Wärme des ganzen Tages entgegen. Schnell öffnete sie das Dachfenster, doch es würde einige Zeit dauern, bis die Wärme verflogen war. Vielleicht sollte sie hinuntergehen und dort lesen? Doch da hörte sie Stimmen aus dem Garten. Sie erkannte Derek und …? Die andere Stimme war ihr fremd, doch es musste sich eindeutig um eine junge Frau handeln. Sie lachten laut. Karen hörte, wie jemand in den Pool sprang. Mist, warum kann ich den Garten von hier aus nicht sehen?, ärgerte sie sich. Zu gerne hätte sie einen Blick auf die Frau geworfen, die dort unten mit Derek herumtollte. Das war sicher seine Freundin, er war schließlich ein attraktiver Mann, wie konnte sie nur denken, dass er keine Freundin hatte? Doch aus irgendeinem Grund war sie davon ausgegangen, vielleicht weil er so ein Macho war. Welche Frau stand schon auf einen Macho? Sie jedenfalls nicht. Karen machte es sich mit ihrem Buch auf dem Bett bequem, doch einen Moment später sprang sie schon wieder auf. Wie sollte sie denn bei diesem Krach lesen? Wütend knallte sie das Dachfenster wieder zu. Doch auf das Buch konzentrieren konnte sie sich trotzdem nicht.

      4. Kapitel

      Zufrieden schaute Karen auf den Teppich im Büro. Alle Papierstapel waren verschwunden, gerade hatte sie den letzten abgeheftet. Nun musste sie nur noch alle Daten in das Computerprogramm eingeben, sobald es installiert war. Leider war es noch nicht eingetroffen, doch es würde sicher diese Woche kommen. Karen überlegte gerade, ob sie sich im Internet Informationen über Neuerungen googeln sollte, da flog die Tür auf. Inka stand vor ihr.

      „Hey, draußen scheint die Sonne und es ist ein herrlicher Tag und du sitzt hier in diesem dunklen Büro und verpasst alles. Wie wäre es mit einem Ausritt? Du kannst doch reiten, oder?“

      Sie trug eine abgeschnittene Jeans und ein verschwitztes T-Shirt. Ihre Haare steckten unter einem Cowboyhut, doch ein paar lugten hervor und kringelten sich um ihr Gesicht. Karen schaute an sich selbst hinunter, sie trug ihre schwarze Armanihose mit passender Bluse, nicht unbedingt das passende Outfit für einen Ausritt.

      „Schon, aber so?“, fragte sie nun Inka und zeigte dabei auf ihre Kleidung.

      „Oh, nein, das geht gar nicht. Hast du keine Jeans dabei oder noch besser eine Reithose?“

      Karen schüttelte den Kopf.

      „Meine einzige Jeans ist in der Wäsche, ich fürchte, ich habe die falsche Kleidung für das Landleben eingepackt. Aber ich wusste auch nicht, dass ich auf einer Ranch landen würde“, entschuldigte sie sich jetzt.

      „Natürlich, komm mit. Ich habe da eine Idee.“

      Inka ging voraus in ihr Zimmer. Karen folgte ihr. Dann öffnete sie ihren Kleiderschrank und begann zu suchen. Karen setzte sich derweil auf Inkas Bett. Sie schaute sich neugierig um. Das Zimmer war sehr groß und angenehm kühl, vermutlich hatte es eine Klimaanlage. Die pastellfarbenen Wände waren mit Urkunden bedeckt. Auf den Regalen standen viele Pokale. Karen stand auf und sah sie sich genauer an. Rodeo! Inka hatte an Rodeos teilgenommen und anscheinend auch viele gewonnen.

      „Wow, du bist ja sehr erfolgreich“, ließ Karen verlauten.

      „Ach, das ist keine Kunst, wenn man keine Konkurrenz hat. Es gibt nicht viele Frauen, die daran teilnehmen. Ich hab es eigentlich auch nur gemacht, weil ich Zusehen langweilig finde. Hier schau mal, die beiden Jeans sind mir zu klein geworden, da du viel dünner bist, könnten sie dir passen. Versuch sie mal.“

      Inka reichte ihr die Jeans, dann kramte sie weiter im Schrank. Karen machte es nichts aus, sie hier und jetzt anzuprobieren. Als sie die erste Jeans anhatte, besah sie sich im Spiegel.

      „Hey, die passt ja!“, rief Inka erfreut.

      Karen steckt ihre Hand in den Bund und zeigte, wie viel Platz sie eigentlich noch hätte.

      „Ich fürchte, die verliere ich“, murmelte sie.

      Doch Inka ließ sich nicht beirren. Sie reichte Karen zwei T-Shirts, eine Bluse und zu guter Letzt einen Gürtel.

      „Hier, damit bist du erst einmal ausgestattet. Wenn du das nächste Mal in die Stadt fährst, denk an Klamotten und komm nicht wieder ohne zurück.“

      Plötzlich fiel es ihr ein.

      „Du hast noch gar kein Geld bekommen, nicht wahr? Ich werde Derek sagen, dass er dir einen Vorschuss gibt. Dass er daran