Jutta Maschmeier

Stürme der Prärie


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Nein, da war sie sich sicher, ihre Gefühle gingen über Freundschaft nicht hinaus. Als er sie gestern zum Abschied geküsst hatte, war das ein Freundschaftskuss gewesen, jedenfalls für Karen. Trotzdem vermisste sie ihn jetzt schon. Völlig in Gedanken versunken kaute Karen auf ihrem Bleistift herum. Sie ahnte nicht, wie jung und hübsch sie in diesem Moment aussah. Und sie ahnte auch nicht, dass sie nun schon eine ganze Weile beobachtet wurde. Derek stand in der Tür, doch Karen bemerkte ihn erst, als er plötzlich losdonnerte:

      „Wie sieht es denn hier aus? Ist das Ihre Vorstellung von Ordnung? Hier kann man keinen Schritt mehr vor den anderen machen!“

      Vorsichtig versuchte er, zwischen die Blätterstapel zu treten, doch es war unmöglich.

      Karen schaute erschrocken auf, diese tiefe Stimme ließ sie jedes Mal zusammenzucken.

      „Dieses Büro scheint sowieso schon lange keiner mehr betreten zu haben. Die Buchhaltung ist das reinste Chaos und ich versuche nur, ein wenig Ordnung hineinzubekommen“, erklärte sie erzürnt.

      „So, ist das so?“ Derek gab es auf, zwischen den Stapeln zu balancieren, und ging nun geradewegs zum Schreibtisch, wobei er einfach auf die Unterlagen trat. Dort nahm er in dem großen Ledersessel Platz und schaltete den Computer ein.

      „Sie müssen zugeben, dass Ihre Methode etwas ungewöhnlich ist“, räumte er nun schon friedlicher ein.

      „Ja, das ist wohl wahr. Aber sehr effizient, glauben Sie mir.“

      Karen versuchte, sich wieder auf den Aktenordner vor sich zu konzentrieren, doch es machte sie nervös, dass Derek nun auch im Raum war. Eine Zeit lang schwiegen sie, Derek checkte seine E-Mails und Karen beschäftigte sich mit ihren Unterlagen. Doch Karen hatte noch etwas auf dem Herzen.

      „Das Computersystem ist veraltet. Wenn Sie ihn ein wenig aufrüsten würden, könnten Sie ein Programm installieren, das die Buchhaltung sehr vereinfachen würde. Sie müssten höchstens einmal in der Woche ein paar Eingaben machen und hätten jederzeit einen Überblick über die finanzielle Situation der Ranch. Mit einem Knopfdruck hätten Sie sofort alle Unterlagen für das Finanzamt oder eine Steuerprüfung parat. Außerdem könnten Sie sich Statistiken anfertigen, mit denen Sie die Effizienz überprüfen könnten. Auch Bestellungen und Personalabrechnungen würde das Programm für Sie erledigen. Also ich finde, das wäre dringend nötig. Sie sollten einmal darüber nachdenken.“

      Karen hatte sich so in Rage geredet, dass sie ihn nun mit roten Wangen erwartungsvoll ansah. Derek war ein wenig überrascht, doch er schien zu überlegen, wobei er sie eingehend musterte. Nervös rutschte Karen auf dem Boden hin und her. Dieser Blick aus seinen dunklen Augen ging ihr durch und durch. Er schien es zu bemerken, denn um seine Mundwinkel zuckte es leicht.

      „Finden Sie?“, fragte er nun.

      Karen nickte. „Es wäre eine enorme Erleichterung. Sie bräuchten natürlich jemanden, der sich mit dem Programm etwas beschäftigt. Doch wenn man die Grundkenntnisse hat, ist es wirklich sehr einfach.“

      „Und Sie haben diese Kenntnisse?“, fragte Derek, ohne sie einen Moment aus den Augen zu lassen.

      „Ja, natürlich.“

      „Sie würden also diese Einführungsschulung übernehmen?“

      Wieder nickte Karen und strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn.

      „Was würde die Aufrüstung und das Programm in etwa kosten?“ Derek schien interessiert.

      Karen nannte ihm eine Summe und er nickte zustimmend.

      „O. k., dann fahren wir zwei morgen nach Sedona und bestellen alles Nötige. Ist Ihnen neun Uhr recht? Oder ist das zu früh?“ Da war wieder dieser ironische Unterton, der Karen immer so ärgerte.

      „Nein, das ist in Ordnung“, zischte sie zurück.

      Wenn Blicke töten könnten, wäre Derek sofort vom Stuhl gefallen. Doch das schien ihn zu amüsieren, denn er lächelte und zeigte dabei seine weißen Zähne und zwei interessante Grübchen.

      Mein Gott, warum muss dieser Mann so verdammt gut aussehen?, ging es Karen durch den Kopf. Sie fühlte sich wie ein Schulmädchen, das ihren Lehrer anhimmelte. Verlegen senkte sie den Blick.

      „O. k., dann bleibt es dabei. Und machen Sie Schluss für heute, das Essen ist fertig.“

      Damit verließ Derek das Büro, wobei einige Blätter aufwirbelten und von ihren Stapeln rutschten. Karen stöhnte. Dieser Mann brachte auch alles durcheinander, aber am meisten sie selbst.

      Am nächsten Morgen stand sie pünktlich auf der Veranda. Sie ignorierte einige anerkennende Pfiffe von den Stallburschen. Schließlich trug sie nur einen leichten Sommerrock und eine Wickelbluse, nichts Besonderes. Doch für die Rancharbeiter schien es ein ungewohnter Anblick zu sein. Nun, allzu viele junge Frauen gab es hier auch nicht, außer Inka und die trug ausschließlich Jeans und T-Shirts. Karen überlegte gerade, ob sie im Haus auf Derek warten sollte, als ein staubiger Jeep vor der Veranda hielt. Derek machte die Beifahrertür von innen auf und knurrte:

      „Steigen Sie ein.“

      Karen gehorchte, obwohl diese Begrüßung nicht sehr nett war.

      „Guten Morgen“, sagte sie deshalb besonders freundlich.

      Doch es kam keine Antwort. Na toll, mit einem übelgelaunten Derek auf engstem Raum, das konnte ja heiter werden. Karen schaute während der ganzen Fahrt nach Sedona angestrengt aus dem Fenster. Auch Derek machte keine Anstalten, eine Unterhaltung zu beginnen. Auf halber Strecke begegneten sie ein paar Rindern, die mitten auf der Straße standen. Derek fuhr hupend und fluchend langsam an ihnen vorbei. Als sie das Hindernis passiert hatten, griff er zum Funkgerät und rief laut nach Bill.

      „Verdammt, hier sind ein paar Ausreißer auf der Zufahrtsstraße. Wer hat da nicht aufgepasst?“

      „Kümmere mich sofort drum, Boss“, ertönte Bills Stimme aus dem Funkgerät.

      „Kann man euch denn nicht fünf Minuten aus den Augen lassen?“, wetterte Derek weiter und hängte das Mikrofon wieder ein. Dann gab er wieder Gas, soweit das auf dieser holprigen Straße überhaupt möglich war. Ein paar Minuten später waren wieder einige Rinder zu sehen, doch sie waren weit genug von der Straße entfernt.

      „Sind das alles Ihre Tiere?“, fragte Karen neugierig.

      „Mmmmh.“ Das war es dann auch schon mit der Konversation. Als sie in Sedona ankamen, hielt Derek zuerst vor dem Postamt.

      „Ich hol nur schnell unsere Post. Da der Weg zu weit ist, wird sie uns nicht zur Ranch geliefert“, erklärte er kurz.

      Danach fuhren sie direkt zu einem Computerladen. Der Besitzer begrüßte sie erfreut.

      „Na, das ist ja mal seltener Besuch“, stellte er fest.

      „Wir brauchen ein paar Sachen, unser Computer ist nicht mehr auf dem neusten Stand“, sagte Derek.

      „Das habe ich dir schon vor drei Jahren gesagt, aber auf mich hast du nicht gehört.“

      Der Besitzer schaute nun interessiert zu Karen, die sich erst einmal im Hintergrund gehalten hatte.

      „Dann sagen Sie ihm mal, was wir alles brauchen“, wandte sich Derek an sie.

      „Sie haben es also geschafft, seine Meinung zu ändern? Kompliment.“

      Der Mann lächelte Karen freundlich an. Karen zählte nun einige Sachen auf, die sie benötigte, doch alles war nicht vorrätig. Der Mann bot ihr nun Alternativen an. Er benutzte dabei Fachausdrücke, was für Karen kein Problem war. Sie war in ihrem Element. Nur bei dem Programm für die Buchhaltung ging sie keinen Kompromiss ein. Der Ladenbesitzer versprach, es so schnell wie möglich zu bestellen. Dann packte er alles in einen Karton und drückte ihn Derek in die Hand.

      „Haben wir nun alles?“, fragte er Karen.

      „Fast, das Programm und eine Grafikkarte fehlen noch“, antwortete sie.

      „In ein