Jutta Maschmeier

Stürme der Prärie


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kündige! Geben Sie mir meinen Lohn für heute und ich verschwinde!“

      Die letzten Worte waren an Henry gerichtet.

      „Du kündigst? Nein, ich schmeiße dich raus, Schätzchen, und für den Schaden wirst du bezahlen“, blaffte nun Henry. „Du schuldest mir noch Geld für das Zimmer heute Nacht, dann die zerbrochene Kanne und das Schmerzensgeld für Stanley, da bleibt leider nichts mehr übrig, was ich dir auszahlen könnte.“

      „Oh …“ Gerade wollte Karen zum Gegenschlag ausholen, als sie plötzlich hinter sich die Stimme von David vernahm.

      „Ich glaube, Ihre Rechnung hat ein paar Fehler. Wenn ich mich vorstellen darf“, David hielt Henry seine Karte unter die Nase, „David Milton, Karens Anwalt. Zahlen Sie der Dame ihren Lohn aus, sonst müssen wir Sie leider verklagen.“

      Alle starrten nun auf David, auch Karen. Sie war wirklich erleichtert, dass er ihr zur Hilfe kam, aber sie hätte die Situation auch allein bewältigt. Trotzdem nahm sie seinen Beistand dankbar an. Erwartungsvoll schauten nun alle auf Henry. Nach einigem Zögern nickte dieser und schlurfte in Richtung Kasse davon.

      „Holen Sie schnell Ihre Sachen, ich regle das hier schon. Ich warte dann draußen auf Sie“, wandte sich David an Karen.

      Karen nickte und eilte Richtung Küche davon. Dort stand Christine in der Tür und lächelte ihr entgegen.

      „Gut gemacht“, sagte sie. Sie klopfte Karen auf die Schulter.

      Karen umarmte sie zum Abschied und rannte die Treppe hinauf. Da sie noch keine Zeit gehabt hatte, ihren Koffer ganz auszupacken, hatte sie schnell alles wieder verstaut. Die „Uniform“ schleuderte sie in die nächste Ecke und tauschte sie gegen ein schickes Kostüm von Dior. Die passenden Schuhe waren zwar auch mit Absatz, was Karen gleich bereute, doch sie musste sich beeilen. Atemlos kam sie unten an. David stand ein paar Meter weiter an seinem Auto und kam ihr entgegen. Im Imbiss standen alle am Fenster und beobachteten Karens Abreise. Hocherhobenen Hauptes schritt Karen zu Davids Wagen. Als er ihr die Tür öffnete, schaute sie noch einmal triumphierend zurück. Erst als David den Wagen gestartet und sich in den Verkehr eingefädelt hatte, hatten ihre Nerven sich wieder soweit beruhigt, dass sie ihm danken konnte.

      „Jetzt haben Sie mich schon wieder gerettet, Mr. Milton“, stellte sie fest.

      „David, bitte nenn mich David, o. k.“

      Er lächelte sie so charmant an, dass sie schlecht Nein sagen konnte.

      „O. k., aber woher wusstest du, dass ich wieder mal in Schwierigkeiten stecke?“, fragte Karen.

      „Der Aufstand im Imbiss war nicht zu übersehen. Ich kam zufällig vorbei, wirklich, oder war es Schicksal?“

      Davids dunkle Augen warfen ihr einen verschlagenen Blick zu. Oh nein, er flirtet mit mir!, durchfuhr es Karen. Vom Regen in die Taufe. Obwohl ihr eigentlich kein Grund einfallen wollte, warum sie das Spiel nicht mitspielen sollte. Schließlich war David im Gegensatz zu Stanley oder Henry ein sympathischer gut aussehender Mann mit Ambitionen, also warum nicht? Außerdem schien er immer dann aufzutauchen, wenn sie Hilfe brauchte. Ein Retter in allen Lebenslagen, perfekt.

      „Wenn es also Schicksal war, was hat es dann mit mir vor?“, fragte sie ihn nun. Sie schenkte ihm ein bezauberndes Lächeln.

      „Ich denke, ich sollte dich im Auge behalten. Wie wäre es mit einem Job auf der Milton-Ranch?“

      „Oh … das sind ja tolle Aussichten“, antwortete Karen verstört und David lachte.

      2. Kapitel

      „Spaß beiseite, David, was bitte schön soll ich auf einer Ranch?“, fragte Karen einige Momente später.

      „Ich glaube nicht, dass ich als Cowboy tauge, und falls du mich für die Küche geplant hast, muss ich dich leider enttäuschen, Kochen ist auch nicht gerade meine Stärke.“

      David zuckte mit den Schultern und lächelte sie an.

      „Wir werden schon etwas für dich finden. Eigentlich wird immer irgendwo Hilfe gebraucht.“

      „Mädchen für alles, also, na das kann ich prima“, antwortete Karen ironisch. „Was wird deine Familie sagen, wenn du einfach jemanden mitbringst?“

      „Keine Sorge, die sind das gewohnt“, sagte David und gab Gas.

      Karen blickte verwundert zu ihm hinüber, aber sie war zu müde, um sich weiter darüber Gedanken zu machen. Das monotone Geräusch des Motors und das leichte Schaukeln des Wagens machten sie schläfrig. Nach kurzer Zeit fielen ihr die Augen zu. Sie wusste nicht, wie lange sie geschlafen hatte, doch ein heftiger Ruck ließ sie gegen die Scheibe prallen. David war auf eine andere Straße abgebogen, die nicht mehr gepflastert war. Auch die Landschaft hatte sich verändert. Es gab hier viel mehr Bäume und Sträucher, die einen schönen Kontrast zu den gewaltigen roten Felsen im Hintergrund bildeten. Ein Bach schlängelte sich durch das Tal und glitzerte in der Abendsonne. Karen beobachtete fasziniert das Farbenspiel, das der Sonnenuntergang hervorrief und die Landschaft in ein mystisches Licht tauchte.

      „Es ist wunderschön“, flüsterte sie.

      „Faszinierend, nicht wahr? Wir befinden uns bereits auf unserem Land, die Ranch liegt noch zwei Meilen entfernt“, sagte David und konzentrierte sich wieder auf die schlechte Straße.

      Als sie sich schließlich der Ranch näherten, war es fast dunkel, doch das Licht reichte noch, um Karen erneut zum Staunen zu bringen. Das Gelände schien riesig, links und rechts lagen Weiden, auf denen abwechselnd Pferde und Rinder grasten. Nachdem sie an mehreren Stallungen vorbeigekommen waren, erreichten sie schließlich das Haupthaus. Karen erschien es riesengroß. Ihr gefiel sofort die hölzerne Terrasse, die sich über die gesamte Vorderfront des Hauses zog. Es sah genauso aus wie in den Westernfilmen, die sie gesehen hatte. Die Holzpfähle zum Anbinden der Pferde gab es auch. David hatte recht gehabt, hier war der Wilde Westen! David brachte den Wagen direkt vor der großen Eingangstür zum Stehen. Diese sprang sofort auf und drei Frauen, zwei ältere Damen und eine junge Frau, stürmten auf David zu. Sie umarmten ihn herzlich. Karen stand etwas abseits. So konnte sie sich die Frauen in Ruhe ansehen. Eine der älteren war sehr rundlich und trug eine Schürze, die andere war sehr schlank und hatte graues, kurz geschnittenes Haar. Die junge Frau, die gerade von David durch die Luft gewirbelt wurde, war auch sehr schlank. Sie hatte schwarzes Haar, das sie ebenfalls kurz trug. Karen fand, dass ihr das ausgesprochen gut stand. David kam nun mit zwei Frauen im Arm auf Karen zu und stellte sie vor.

      „Mum, Inka, ich habe einen Gast mitgebracht. Das ist Karen, sie brauchte meine Hilfe und ihr wisst ja, dass ich einer schönen Frau in Not immer beistehe. Karen, das sind meine Schwester Inka und meine Mum.“

      „Ich heiße Betty Milton Ich freue mich, Sie kennenzulernen.“

      Mrs. Milton reichte Karen freundlich die Hand. Inka murmelte nur ein Hallo und reichte ihr kurz die Hand. Sie schien nicht so erfreut zu sein wie ihre Mutter.

      „Ich hoffe, Sie entschuldigen diesen Überfall, aber ich war wirklich in einer misslichen Situation und ihr Sohn war so nett, mir seine Hilfe anzubieten“, erklärte Karen.

      „Das müssen Sie mir alles beim Abendessen erzählen, jetzt kommt doch alle erst einmal herein“, bestimmte Betty und schob Karen in Richtung Haus.

      David holte das Gepäck aus dem Auto und folgte ihnen.

      „Das ist übrigens Martha, die gute Seele des Hauses“, stellte Betty ihr nun die rundliche Frau vor. „Wenn Sie irgendetwas benötigen, wenden Sie sich an sie.“

      Auch Martha lächelte ihr freundlich zu. Als sie das Haus betraten, blieb Karen erstaunt stehen und schaute sich neugierig um. Die Eingangshalle war wirklich imponierend, an den Wänden war kein Putz, sondern nur der nackte Backstein. Der Raum war bis zum Dach offen. Der Boden war dunkel gefliest und mit bunten Teppichen ausgelegt. Eine große Holztreppe führte in die oberen Stockwerke. Karen folgte nun den anderen. Sie gelangte in