Jutta Maschmeier

Stürme der Prärie


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Haben Sie vielleicht etwas zu trinken dabei?“

      David reichte ihr eine Flasche Mineralwasser und startete den Motor. Karen trank fast die ganze Flasche.

      „Jetzt sagen Sie nicht, dass Sie ohne einen Tropfen Wasser die Wüste durchqueren?“, fragte David schmunzelnd.

      „Leider ja, ich hatte eine Mitfahrgelegenheit, doch der Kerl wurde anzüglich und setzte mich schließlich auf die Straße. Wenn Sie nicht gekommen wären, hätte ich hier vielleicht übernachten müssen“, erklärte Karen.

      Davids Gesichtsausdruck wurde ernst und er meinte:

       „Das ist unverantwortlich, der nächste Ort ist Sedona und der ist noch gut zwanzig Meilen entfernt. Das hätten Sie zu Fuß nie geschafft.“

      „Oh mein Gott, ich war mir gar nicht bewusst, in was für einer Klemme ich gesteckt habe.“

      „Ja, es scheint so, als wäre ich wirklich ihr Retter.“

      David lächelte ihr zu. Karen stellte fest, dass er ihr überaus sympathisch war. Seine dunklen Augen musterten sie. Plötzlich fiel ihr ein, dass sie einfach grauenhaft aussehen musste. Ihr pinkfarbenes Kostüm war ganz verschwitzt und zerknittert. Ihre Frisur war sicher auch dahin. Sie klappte die Sonnenblende herunter und sah in den kleinen Spiegel. Tatsächlich hingen ihre braunen Locken nur noch schlaff herab, von Sprungkraft konnte da keine Rede mehr sein. Auch ihr Make-up hatte sich verabschiedet. Ihr Gesicht war staubbedeckt.

      „Oh Gott, ich sehe furchtbar aus“, entfuhr es ihr.

      David lachte.

      „Dafür, dass Sie einen Wüstenspaziergang gemacht haben, sehen Sie wirklich gut aus, glauben Sie mir. Wo soll es denn überhaupt hingehen?“

      „Egal, einfach in die nächste Stadt. Ich suche einen Job“, erklärte Karen.

      „Ach so, dann würde ich sagen, Sie versuchen ihr Glück gleich in Sedona. Das ist die größte Stadt hier in der Gegend.“

      „Ja, das hört sich gut an. Wo fahren Sie hin?“

      „Ich bin auf dem Weg nach Hause. Ich habe ein paar Tage frei und will meine Familie besuchen. Wir haben eine Ranch im Oak Creek Canyon, das liegt etwa fünfzig Meilen hinter der Stadt. Aber zuerst besuche ich noch einen Freund in Sedona, bei dem werde ich übernachten. Bis zur Ranch schaffe ich es heute sowieso nicht mehr.“

      „Eine richtige Ranch mit Pferden und Rindern, so wie im Wilden Westen?“, fragte Karen.

      David musste schmunzeln. Karen gefielen seine Grübchen.

      „Ja, eine richtige Ranch und nebenbei gesagt, wir sind hier im Wilden Westen.“

      „Oh, daran habe ich gar nicht gedacht. Ich war noch nie hier in dieser Gegend.“

      „Wo kommen Sie denn her?“, fragte David.

      „Aus New York“, antwortete sie, doch dann überlegte sie, dass sie nicht zu viel verraten durfte. Schließlich musste sie damit rechnen, dass ihr Vater sie irgendwann suchen würde. Sie durfte keine Spuren hinterlassen.

      „Und was hat Sie hierher verschlagen?“

      „Ich habe meinen Job verloren und nun suche ich einen neuen.“

      Das war nicht mal gelogen.

      „Und den suchen Sie am anderen Ende der Vereinigten Staaten? Respekt, das nenne ich mutig.“

      „Nun, ich wollte mich halt verändern“, versuchte Karen zu erklären.

      „Na, wenn das keine Veränderung ist, dann weiß ich auch nicht.“

      David schmunzelte erneut und Karen hatte das Gefühl, dass er sie nicht ganz ernst nahm.

      „Was machen Sie denn beruflich?“, versuchte sie, abzulenken.

      „Ich habe gerade mein Studium beendet und fange in ein paar Tagen als Volontär in einer großen Anwaltskanzlei in Phoenix an. Also falls Sie mal Probleme mit dem Gesetz bekommen, ich gebe Ihnen gerne meine Karte.“

      „Ja prima, einen Anwalt kann man immer mal gebrauchen. Ihre Eltern sind sicher mächtig stolz auf Sie“, erwiderte Karen.

      „Mein Dad ist vor fünf Jahren verstorben, seitdem leitet mein großer Bruder die Ranch. Meine Schwester und meine Mum unterstützen ihn dabei. Für mich ist dieses Rancherleben nichts, ich wollte hinaus in die Welt und Kariere machen“, erklärte David ernst.

      Karen beobachtete ihn von der Seite. Er schien ein zielstrebiger junger Mann zu sein, der wusste, was er wollte. Außerdem war er wirklich gut aussehend, vielleicht sollte sie sich mal mit ihm verabreden. Doch im Moment gab es Wichtigeres zu tun. Zum Beispiel eine Unterkunft und einen Job zu finden. Karen wurde immer aufgeregter, je näher sie Sedona kamen. Als die Stadt endlich am Horizont auftauchte, war sie froh, wieder in der Zivilisation zu sein. David setzte sie im Stadtzentrum ab und wünschte ihr viel Glück bei der Jobsuche.

      „Und falls Sie mal Hilfe brauchen, jeder hier in der Stadt kennt die Milton-Ranch, fragen Sie sich einfach durch.“

      „Danke, auch fürs Mitnehmen. Ich komme schon klar, aber trotzdem danke.“

      Karen tat es ein wenig leid, sich von dem einzigen Menschen zu verabschieden, den sie hier kannte, aber sie musste nun allein klarkommen, das wollte sie schließlich ihrem Vater beweisen. Nachdem Davids Wagen verschwunden war, schaute sie sich erst einmal um. Sedona schien ein nettes Städtchen zu sein, umrahmt von einer imposanten Bergkette wirkte es klein und gemütlich. Karen wanderte ein wenig durch die Straßen und ließ alles auf sich wirken. Bedingt durch den Tourismus gab es viele Andenkenläden, in denen es Kristalle, indianische Anhänger und Armbänder zu kaufen gab. Karen fand eine Halskette, die ihr ausgesprochen gut gefiel, doch dann erinnerte sie sich wieder an ihre missliche Lage. Sie hatte nur noch ein paar Dollar in der Tasche. Außerdem hatte sie ihr Spiegelbild in einem Schaufenster entdeckt und war überhaupt nicht begeistert, wie sie im Moment aussah. So konnte sie sich nicht vorstellen, das war klar. Also suchte sie ein Bistro auf, bestellte sich einen Kaffee und begab sich in die Damentoilette. Nachdem sie sich den Staub aus dem Gesicht gewaschen hatte und ihre Locken mit einer Lockenbürste in Form gebracht hatte, fühlte sie sich schon viel besser. Nun noch ein ordentliches Make-up und sie wäre wieder ein Mensch. Das Licht in dem kleinen Raum war schlecht, doch das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Dann suchte sie ihre hohen Pumps aus der Tasche. Doch als sie hineinschlüpfte, verzog sie schmerzhaft ihr Gesicht. Ohne Pflaster ging da gar nichts, also musste sie ihre Füße ordentlich verpflastern. Als sie wieder aus der Toilette herauskam, taten ihre Füße zwar immer noch weh, doch der Blick des Kellners zeigte ihr, dass sie wieder annehmbar aussehen musste. Er machte ihr schöne Augen und kam öfter an ihrem Tisch vorbei als nötig. Schließlich ergriff sie die Gelegenheit, ihn auszufragen. Sie erklärte ihm, dass sie einen Job suchte, und er wusste sogar jemanden, der eine Servicekraft brauchte. Servicekraft? Sehe ich aus wie eine Kellnerin, dachte sie zunächst, doch dann fiel ihr ein, dass sie erst mal keine große Auswahl hatte. Sie brauchte dringend Geld und als Kellnerin konnte man das wohl am schnellsten verdienen. Erwartungsvoll machte sie sich auf den Weg zu der genannten Adresse, doch als sie ankam, war sie enttäuscht. Es handelte sich um einen Schnellimbiss und machte keinen sehr sauberen Eindruck. Karen wollte schon umdrehen, als sie bemerkte, dass die Sonne bereits unterging. Der Kellner vom Bistro hatte ihr erzählt, dass mit dem Job auch ein Zimmer zu vergeben war, da dort oft Aushilfskräfte von außerhalb tätig waren. Sie brauchte ein Dach über dem Kopf, sonst musste sie die Nacht auf der Straße verbringen. Ihr Geld würde nicht für ein Hotelzimmer reichen, so viel war sicher. Also Augen zu und durch, sagte sie sich selber und betrat das Lokal. Das Ambiente war genauso, wie Karen es befürchtet hatte. Die Einrichtung war sicher noch aus den 70ern. Die Hochglanztische glänzten schon lange nicht mehr. Außerdem waren sie verschmiert, auch der Boden klebte. Hinter der Theke stand ein kleiner dicklicher Mann mit Halbglatze. Seine ehemals weiße Schürze hatte schon länger keine Waschmaschine gesehen. Sein Blick war ebenso schmierig wie seine Kleidung. Nachdem Karen dem Bedürfnis, sofort umzudrehen, widerstanden hatte, überwand sie sich dazu, ihn nach dem Job zu fragen.

      „Ja,