Jutta Maschmeier

Stürme der Prärie


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einen Würgereiz und zwang sich zu einem Lächeln. Zuerst würde ich gerne etwas schlafen, überlegte sie. Aber wenn das Zimmer genauso aussieht wie der Imbiss, dann vielleicht doch lieber auf der Straße.

      „Morgen, wenn Ihnen das recht ist. Ich hatte eine lange Reise und würde gerne erst einmal ausruhen. Man sagte mir, Sie hätten auch ein Zimmer für Ihre Angestellten?“, antwortete sie so freundlich wie möglich.

      Der Besitzer rieb sich das Kinn. Er musterte sie dabei von oben bis unten. Ist das hier eine Misswahl oder braucht er eine Kellnerin?, fragte sich Karen. Sie war wirklich sehr müde. Sie sehnte sich eigentlich nur noch nach einer Dusche und einem sauberen Bett.

      „O. k., Arbeitsbeginn morgen früh um neun. Dann komm mal mit.“

      Er schlurfte durch eine Tür hinter ihm und Karen folgte ihm. Sie gingen durch die Küche, wo eine blasse junge Frau gerade Gemüse putzte. Karen nickte ihr im Vorbeigehen zu. Dann gelangten sie in einen Hausflur. Im zweiten Stock blieb er vor einer dunklen Holztür stehen und öffnete sie.

      „Das ist das Zimmer, das Bad ist auf dem Flur. Den Müll musst du selbst entsorgen und frische Bettwäsche kostet extra.“

      Wirklich sehr einladend, dachte Karen und sah sich im Zimmer um. Es war zwar nicht das Hilton, doch sie war überrascht, dass es sauber war. Auch die Bettwäsche schien frisch aufgezogen zu sein. Die Sehnsucht nach Schlaf übermannte sie und so stimmte sie den Bedingungen zu. Nachdem ihr neuer Chef gegangen war, suchte sie das Bad. Es war leider nicht so sauber wie das Zimmer, doch heute würde sie noch einmal darüber hinwegsehen. Sie duschte ausgiebig und kroch bald darauf in das Bett. Das ist wirklich ein anstrengender Tag gewesen und morgen beginnt mein neues Leben, dachte sie, bevor sie in einen tiefen Schlaf fiel.

      Es dauerte einige Zeit, bis Karen das laute Hämmern identifizieren konnte. Da schlug jemand vor ihre Zimmertür und diese Person schien ganz schön hartnäckig zu sein.

      „Verdammt, wenn du nicht in zehn Minuten unten bist, bist du gleich wieder entlassen, haben wir uns verstanden!“

      Das war ihr neuer Chef! Plötzlich fiel es ihr wieder ein. Ein Blick auf die Uhr erklärte, warum er so wütend war, es war halb zehn. Verschlafen, am ersten Arbeitstag! Das war ihr noch nie passiert.

      „Ich komme sofort“, rief sie und sprang aus dem Bett.

      „Deine Uniform liegt hier und beeile dich gefälligst“, hörte sie durch die Tür.

      Uniform? Karen wartete, bis die Schritte verhallt waren. Vorsichtig öffnete sie die Tür. Sie nahm die Kleidung und breitete sie auf dem Bett aus. Na ja, viel war das nicht. Ein blauer Minirock, eine kurze weiße Bluse und eine winzig kleine rote Schürze mit dem Logo des Imbisses. Da kann ich ja gleich im Bikini hinuntergehen, überlegte sie, während sie ihre „Uniform“ anprobierte. Sie passte, ihre langen Beine wurden außerordentlich betont. Auch ihre schlanke Figur kam gut zur Geltung, kurz gesagt, sie sah wirklich sexy aus, nur dass sie so etwas nie zur Arbeit tragen würde. Überhaupt nie, sie war eher der konservative Typ. Doch sie wollte ihren neuen Arbeitgeber nicht noch mehr verärgern und so eilte sie wenige Minuten später die Treppe hinunter. Das blasse Mädchen war auch wieder da. Sie stellte sich als Christine vor.

      „Pass auf, er hat heute Morgen sehr schlechte Laune“, flüsterte sie ihr ins Ohr, bevor sie die Höhle des Löwen betrat.

      Doch Henry Kaschinski, so hieß Karens neuer Arbeitgeber, blickte ihr strahlend entgegen, als sie den Raum betrat. Er forderte sie auf, sich ein paar Mal zu drehen. Das Strahlen in seinen Augen wurde noch größer, als dabei der Rock ein wenig hochschwang. Karen ahnte, dass diese Arbeitskleidung hauptsächlich zu seinem Vergnügen diente.

      „Na, Schätzchen, dann wollen wir doch mal sehen, wie du dich so anstellst“, sagte er schließlich.

      „Mein Name ist Karen“, erklärte sie, doch das schien ihn überhaupt nicht zu interessieren. Henry nannte sie weiterhin Schätzchen und zeigte ihr, was sie alles zu tun hatte. Zuerst reinigte Karen gründlich die Tische, da sie sich selbst nicht an so dreckige Tische setzen würde. Sie scheuerte wie irre und zog dabei immer wieder ihren Rock runter, da dieser doch sehr knapp bemessen war. Durch die Bewegung rutschte er immer wieder hoch. Außerdem spürte sie die lüsternen Blicke ihres Arbeitgebers im Rücken, was ihr nun wirklich immer unangenehmer wurde. Auch die ersten Gäste, vorwiegend Männer mittleren Alters, schienen sich weniger für das Essen als für ihr Outfit zu interessieren. Ist das hier ein Treff? Hey, Henry hat Frischfleisch, lasst uns mal vorbeigehen. Karen schien es fast so. Gegen Mittag war sie sicher, denn nun kamen die Bauarbeiter und Rentner zum Mittagstisch. Karen spürte, wie sie mit Blicken ausgezogen wurde. Sie wurde zunehmend wütender. Ein mitfühlender Blick einer der wenigen weiblichen Gäste verstärkte dies noch. Außerdem musste sie aufpassen, wenn sie an Henry vorbeiging. Immer wieder versuchte er, sie wie zufällig zu streifen. Mit zwei Tabletts in den Händen konnte sie nichts dagegen tun. Nach dem Mittagsgeschäft wurde es etwas ruhiger und Karen machte eine wohlverdiente Pause. Sie aß einen Salat, den sie sich selber zubereitete hatte, und zog einen Moment ihre Schuhe aus. Ihre Füße waren noch lädiert vom Vortag, doch heute bekamen sie den Rest. Soviel war sie sicher noch nie gelaufen, schließlich hatte sie eigentlich einen Bürojob. Dieser Job hier war auf jeden Fall nicht das Richtige für sie, so viel stand fest. Sie musste sich dringend etwas anderes suchen, doch heute Abend würde sie sicher keinen Schritt mehr laufen können. Am Nachmittag quälte sie sich von Tisch zu Tisch. Am liebsten hätte sie ihre Pumps in die Mülltonne geschmissen. Doch es waren Manolos, das kam also nicht infrage.

      „Hey Miss, wie lange muss ich denn noch warten?“, beklagte sich gerade einer der Gäste.

      „Komme schon.“

      Karen ging so schnell sie konnte zu seinem Tisch und schenkte ihm Kaffee nach. Dabei achtete sie darauf, dass sie sich nicht zu tief hinunterbeugte, da die Bluse einen sehr tiefen Ausschnitt hatte. Trotzdem hingen die Augen des Gastes genau dort. Sie merkte, wie trotz ihrer Müdigkeit wieder die Wut aufflammte. Erschrocken schrie sie auf, als sie plötzlich eine kalte Hand an ihrem Oberschenkel spürte. Na, das ging wohl entschieden zu weit!

      „Nehmen Sie sofort Ihre dreckigen Pfoten von meinem Bein“, zischte sie und warf dem Gast einen bösen Blick zu. Doch der schien unbeeindruckt.

      „Aber, Schätzchen, warum so zimperlich?“, flötete er und ging mit seiner Hand sogar noch höher. Das war zu viel!

      „Lassen Sie mich los, sonst …“ Vor lauter Wut hatte Karen bereits einen hochroten Kopf.

      „Sonst?“, fragte der Gast herausfordernd.

      Im Imbiss war es plötzlich sehr still, alle schienen die Szene zu beobachten. Wie in Zeitlupe hob Karen die Kaffeekanne, hielt sie vor dem Gast in die Luft und schüttete den Inhalt dann langsam in dessen Schritt. Der sprang schreiend auf und schlug dabei gegen die Kanne, die wiederum durch die Luft segelte und klirrend auf dem Boden zerschellte. Danach entstand ein Tumult, einige Gäste kamen dem Geschädigten zur Hilfe, andere beschimpften Karen und wieder andere versuchten nun ebenfalls, Körperkontakt zu ihr aufzunehmen. Karen musste sich mit Händen und Worten wehren. Erst als Henry laut auf den Tisch haute, wurde es wieder ruhiger.

      „Was ist denn hier los? Beruhigt euch mal. Stanley, was ist passiert?“, wandte er sich an den aufdringlichen Gast.

      „Dieses Biest hat mir den Kaffee auf die Hose geschüttet, ich habe jetzt sicher Verbrennungen, ich will Schmerzensgeld!“, schrie er.

      Henry schaute nun zu Karen, die sofort die Gelegenheit ergriff, sich zu verteidigen.

      „Dieser Kerl hat mich begrapscht und nachdem ich ihn aufgefordert habe, das zu unterlassen, musste ich mich schließlich wehren.“

      „Sag der Schlampe, dass sie sich mit dem Falschen angelegt hat, ich werde ihr schon zeigen, was man hier mit solchen Weibsbildern macht“, erklärte Stanley, während er versuchte, sich auf Karen zu stürzen.

      Doch Henry hielt ihn zurück.

      „Schlampe? Wer ist hier die Schlampe? Wenn Sie immer versuchen, so einer Frau näher zu kommen, dann verstehe ich, warum