Jutta Maschmeier

Stürme der Prärie


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Auch die war sehr groß, in diesem Haus gab es wohl keine kleinen Räume. In der Ecke stand eine große Bank mit Tisch und Stühlen. Martha hantierte bereits an den Kochtöpfen. Inka stellte für jeden einen Teller auf den Tisch.

      „Das Haus ist wirklich beeindruckend, Mrs. Milton“, versicherte Karen ihrer Gastgeberin.

      „Sie meinen riesig und beängstigend, nicht wahr?“, lachte diese und rückte Karen einen Stuhl zurecht. „Setzen Sie sich, meine Liebe, und nennen Sie mich bitte Betty, o. k.?“

      Mrs. Milton war Karen auf Anhieb sympathisch. So setzte sie sich neben sie und probierte den Eintopf, der ihr gereicht wurde. Jetzt merkte sie erst, was für einen Hunger sie hatte. Als der Teller geleert war, nahm sie dankbar noch einen Nachschlag an.

      „Endlich mal ein Mädchen, das nicht auf seine Figur achtet und richtig isst“, stellte Betty amüsiert fest und Karen wurde rot. „David, nun erzähl uns, wo hast du diese entzückende junge Dame kennengelernt und warum musstest du ihr zur Hilfe eilen?“

      „Wahrscheinlich hat sie ihren Absatz verloren“, bemerkte Inka ironisch und warf dabei einen abfälligen Blick auf Karens Designerkostüm.

      „Inka, bitte!“ Betty richtete einen bösen Blick an ihre Tochter und wandte sich nun wieder an ihren Sohn. Auch David sah seine Schwester strafend an. Dann begann er, die Geschichte zu erzählen. Alle hörten aufmerksam zu. Als er geendet hatte, meinte Betty:

      „Sie Arme, das muss ja schrecklich für Sie gewesen sein. Gut dass mein Sohn vorbeigekommen ist. Und was diesen Henry Kaschinski betrifft, den sollte man anzeigen. David, was meinst du? Kann man da nichts machen?“

      „Nein, Mum, ich fürchte nicht, schließlich hat er Karen nicht angefasst, oder?“ David schaute fragend zu Karen hinüber, doch die schüttelte nur mit dem Kopf.

      „Aber dieser Gast, der hat sie doch begrapscht, man sollte wirklich gegen solche Mistkerle etwas unternehmen“, meldete sich nun Inka zu Wort. Karen war überrascht, dass sie sich nun auf ihre Seite stellte. „David, wofür hast du so lange studiert, wenn du jetzt nichts unternehmen kannst?“

      „Vielleicht ist er immer noch nicht fertig?“, hörte Karen hinter sich eine tiefe Stimme sagen. Es klang durchaus ernst gemeint. Trotzdem sprang David auf und begrüßte den Mann mit einer kurzen Umarmung. Auch Karen erhob sich, um ihm vorgestellt zu werden. Als sie sich umwandte, blieb ihr einen Moment die Luft weg. Vor ihr stand der wohl attraktivste Mann, der ihr je begegnet war! Sie musste hochschauen, weil er gut zwei Köpfe größer war als sie. Zwei dunkle Augen blickten nun abfällig auf sie hinunter. Karen war sich sicher, noch nie so dunkle Augen gesehen zu haben. Die Gesichtszüge waren sehr markant und die Haut von der Sonne gebräunt. Sein schwarzes Haar wellte sich leicht hinter den Ohren und schimmerte fast lila. Fasziniert starrte Karen diesen Mann an. Sie vergaß dabei beinahe, sich vorzustellen.

      „Äh … Hallo … ich bin Karen“, stotterte sie, während sie ihm die Hand reichte.

      „Karen? Und weiter?“, fragte die tiefe Stimme.

      Oh Shit, sie hatte sich noch gar keinen Nachnamen überlegt.

      „Cool, Karen Cool.“

      Was für ein blöder Name! Aber das war es, was ihr in diesem Moment durch den Kopf ging.

      „Das ist mein großer Bruder, Derek“, erklärte David nun.

      Derek machte keine Anstalten, ihre Hand entgegenzunehmen. So ließ Karen sie sinken und setzte sich wieder auf ihren Stuhl.

      „Um auf deine Frage zurückzukommen, ich habe mein Studium erfolgreich beendet und beginne in den nächsten Tagen mein erstes Volontariat. Was sagst du nun?“, wandte sich David an seinen Bruder.

      Der hob erstaunt eine Augenbraue und erwiderte zynisch:

      „Tatsächlich? Heißt das etwa, dass du demnächst selbst Geld verdienst?“

      „Oh ja, das heißt es. Keine Sorge, ich werde euch von nun an nicht mehr auf der Tasche liegen“, antwortete David gekränkt.

      „Mit siebenundzwanzig wird das auch langsam Zeit, oder?“, war die bissige Antwort.

      „Schluss jetzt!“, mischte sich nun Betty ein.

      „Hört sofort auf, alle beide. Was soll denn unser Gast denken?“

      Dereks Blick fiel nun auf Karen. Sie konnte deutlich in seinen Augen ablesen, was er von ihr hielt.

      „Oh entschuldigen Sie vielmals, Mrs. ‚Cool‘, wenn ich geahnt hätte, dass Sie uns heute beehren, hätte ich mich natürlich zum Dinner umgezogen“, meinte er nun ironisch, während er dabei an seinen staubigen Jeans herunterblickte.

      Karen merkte, wie die Wut langsam in ihr hochstieg. Was bildete sich dieser Cowboy eigentlich ein? Sie straffte ihre Schultern und versuchte, seinen Blick genauso böse zu erwidern.

      „Mr. Milton, bitte machen Sie sich meinetwegen keine Umstände, wenn Sie sich zum Essen die Hände waschen, würde mir das schon völlig ausreichen. Außerdem habe ich nicht vor, ihre Gastfreundschaft lange in Anspruch zu nehmen, leider zwangen mich missliche Umstände dazu, die Hilfe Ihres Bruders anzunehmen. Ich bin nur mitgekommen, weil er mir einen Job in Aussicht gestellt hat.“

      Derek schien zunächst erstaunt, doch dann blickte er eher amüsiert zu ihr herüber.

      „Einen Job? Hier bei uns? An was hatten Sie denn gedacht, wenn ich fragen darf? Viehtreiber oder Stallbursche?“

      Dabei wanderte sein Blick über ihre hochhackigen Schuhe hinauf zu ihrem Designerkostüm und blieb auf ihren langen lackierten Fingernägeln liegen. Karen hörte, wie Inka hinter ihr kicherte. Doch nun schaltete sich endlich David ein.

      „Ich habe gedacht, wir können hier immer Hilfe gebrauchen und schließlich war Karen in Not, da konnte ich sie schlecht ihrem Schicksal überlassen.“

      „Da hast du vollkommen recht, David“, mischte sich nun Betty ein.

      „Ich bräuchte wirklich Hilfe im Büro. Kennen Sie sich mit Buchführung aus, Karen?“

      Erleichtert schaute Karen zu Betty und nickte.

      „Na also, da hätten wir doch schon die Lösung. Derek, du weißt ja, wie ungern ich den ganzen Schreibkram mache, und ich muss zugeben, dass einiges aufgearbeitet werden muss.“

      Alle blickten nun gespannt auf Derek und warteten auf eine Antwort. Doch er ließ sich Zeit, taxierte Karen noch einmal eingehend, wobei sich eine tiefe Falte auf seiner Stirn abzeichnete.

      „O. k.“, gab sich Derek geschlagen, „wenn ihr meint, mir soll es recht sein. Sie kann das Zimmer im Dachstuhl haben. Doch sobald die Buchhaltung wieder in Ordnung ist, verlässt sie uns wieder.“

      Karen fand es unmöglich, dass er so über ihren Kopf hinweg über sie sprach.

      „Keine Sorge, ich werde meine Arbeit gut machen und sobald sie erledigt ist, werde ich wieder verschwinden!“, rief sie ihm nach, als er nun die Küche wieder verließ.

      „Bitte entschuldigen Sie die unwirsche Art meines Sohnes, er ist momentan etwas überarbeitet und Fremden gegenüber immer sehr misstrauisch, aber er meint es nicht so“, meinte nun Betty, nachdem die Tür hinter Derek ins Schloss gefallen war.

      „Er meint es immer so, wie er es sagt. Das war einer der Gründe, warum ich dieser Ranch den Rücken gekehrt habe“, erklärte nun David.

      „Ach, David, du übertreibst. Ich möchte auch nicht weiter darüber diskutieren. Kommen Sie, Karen, ich zeige Ihnen jetzt Ihr Zimmer.“

      Betty erhob sich und Karen folgte ihr. Sie stiegen die breite Holztreppe bis unters Dach hinauf und gingen dann durch einen schmalen Flur, bis Betty vor einer der Türen stehen blieb. Das Zimmer war klein und sehr einfach eingerichtet, doch im Vergleich mit ihrem Zimmer in Sedona war es luxuriös, zumal ein kleines Badezimmer angrenzte. Nachdem Betty sie verlassen hatte, packte Karen ihre Sachen aus und duschte ausgiebig. Danach war sie so müde, dass sie am liebsten sofort ins Bett gegangen wäre, doch