Markus Meisl

Der Kronprinz des Selbstvertrauens


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ihre Mutter (er deutet auf seine Freundin) würde es nie erlauben! Und das Mädchen nickt und zuckt mit den Achseln; man weiß ja, wie das ist.

      Verstehe, fügt sich Garcon, ohne Form und Chuzpe zu verlieren.

      Aber es muß natürlich nicht Kuba Libre sein, die Welt ist groß: und dann erzählt er einen ausgezeichneten Schwiegermutterwitz - alle lachen! Auch ich, am Nachbartisch kann mich nicht halten und applaudiere; Garcon und die beiden Turtelkinder sehen herüber, mit freundlichen Gesichtern. Ja, Gerechtigkeit!

      Und als ich mich wieder meinen Zeitungen zuwende, gleitet mein Blick darüber hinweg, selig und emanzipiert, ins richtige Leben ...

      Dort ist alles in verläßlichem Zustand. Die Straßen sind dreckig, die Fassaden intakt. Die Menschen fahren mit Autos, deren Kreditraten noch laufen werden, wenn bereits die Enkel die Notdurft verrichten. Nichts wird versäumt. Und alle haben es eilig, zwischen Anspruch und Vergeblichkeit. Da beginne ich zu träumen ...

      Wie durch wundersame Pinselhand bekommen alle Häuser neuen Anstrich, beruhigende Farben und ein freundliches Aussehen; die Autos verblassen, auf verdämmernder Spur, und auf den Parkplätzen nur mehr Fahrräder mit selbstreinigendem Biosattel. Und der Polizist an der Kreuzung, zuvor noch mit strengem Auge für den Verkehr und alle Dokumente: ein Blumentopf mit handbemaltem Untersetzer.

      Und plötzlich erscheint, im Schrittempo um die Ecke biegend, auf einem weißen Motorrad mit integriertem Schwingkreis: Elvis – der Große.

      Da geschieht das Wundersame. Im voraus, immer um drei, vier Meter schon, verwandelt sich die Umgebung. Welke Blumen drehen ihre Köpfe und erstarken, gänzlich neue erscheinen, auf den Balkonen, in den Abfalleimern. Und der Staub auf dem Pflaster, er zittert - vor Freude. Denn wie oft wird man schon überfahren, von Elvis. Manche Menschen auf dem Gehsteig gehen ihres Weges, ohne etwas zu merken. Andere wieder halten inne, erst argwöhnisch, doch dann lächelnd, erkennend den Star. Und Elvis verwandelt die Straße in eine Oase; dann und wann ein Querulant, doch hier zieht wie beiläufig ein Laserstrahl aus dem Elvisroller und tilgt den Ignoranten. Das ist richtig. Und auch Hunde und Katzen haben die wahre Größe des Ankömmlings erkannt und ziehen einher, mit zärtlichen Schwänzen. Schließlich hält Elvis in der Mitte der Gasse. Die Menge auf der Straße bildet einen Kreis, ganz in der ersten Reihe die Tiere. Er nimmt seine Gitarre vom Rücken und beginnt mit der Vorstellung; Elvis schlägt die ersten Takte an, einen seiner Hits. Alle lauschen, die Menschen auf den Balkonen, die Fliegen auf dem Abtritt. Und mitten im Publikum: Isabella - schön wie noch nie! Elvis spielt für alle, sonst wäre er nicht Elvis, doch für jemanden besonders. Und wenn sie es auch nicht für möglich hält, so fühlt sie es. Das Stück ist eine alte Weise über das Glück und die Sehnsucht, über Liebe und Begehren und Elvis ist auf der Höhe seiner Kunst. Niemand kann sich dem Charme seiner Stimme entziehen; denn sie kommt aus den Tiefen, auf Schwingen aus Samt und Seide. Dann erreicht das Stück nochmals Dramatik, aber durchdrungen von Schönheit und so wird es zum Zauber. Nun strömt das Publikum herbei und applaudiert, Rosen regnen herab. Aber eine, eine Person steht in der Menge und löst eine besondere Platzkarte: die beiden lächeln sich an, ganz großartig, und Isabella - sie gelangt auf sein Motorrad - und auf den Schoß des Kings ...

      *

      Montag morgen. Ein Tag wie immer. Kaffeeduft aus der Küche, die Kollegen im Berufskostüm. Kommt es aber vor, daß man seine täglichen Mitstreiter auch in anderen Klamotten trifft? Ohne den Montagsmorgenblick?

      Natürlich! Jährlich von neuem!

      Am Gang vor der Kaffeküche und in allen Stockwerken hängt die feierliche Mitteilung:

      -Betriebsausflug-

      Am: Freitag, den fünften

      Treffpunkt: bei der alten Fabrik

      Mitzunehmen: fester Schuh, warme Kleidung

      Wetter: günstig

      Mittagessen: gesponsert

      Eine Gemeinschaft, mit dem munteren Wanderstock!

      Aber vorher will Chef noch auf anderen Gebieten reüssieren; es geht ihm vor allem darum, unser Niveau auf gleich zu bringen: Äquivalenz der Belegschaft! Wir stehen im Sonderraum und werden geprüft. Er hat allen Mitarbeitern Wochen zuvor Lehrmappen ausgeteilt, um ihr Wissen in chinesischer Kultur und Wirtschaft zu festigen. Diesmal am Prüfstand, zur Kontrolle auf Herz und Nieren: Isabella, der Clown, zwei weitere Kollegen und ich. Am Protokoll und als bewährte Assistenz: Fräulein Krüger.

      Chef geht auf und ab wie ein General und bleibt schließlich stehen. Meisl – wer sind die größten Importeure chinesischer Waren?

      Nun ... ääh, ....

      Herr Rapotovsky? (die Frage ergeht an den Clown, die Fliege – nach Sekunden ohne Antwort sofort an den nächsten)

      Die größten Importeure ... hhmm, ... ähh, ...

      Bis hierher perfekte Äquivalenz: eindeutig gegeben!

      Doch die Frage geht an Isabella.

      Die größten Importeure chinesischer Waren?

      Die USA, die Europäische Union, Rußland, Südamerika, ... zählt man den KAT-Raum als eine wirtschaftliche Einheit dazu, auch Malavi, Tigo, seit einem Jahr, das heißt seit dem 1. Oktober: auch Ligistan.

      Chef ist begeistert. Meine Herren, nehmen sie sich ein Beispiel an dieser Frau! So werden Trabrennen gewonnen!

      Fräulein Krüger notiert alles mit buchhalterischer Genauigkeit und präziser Fußnote. Sie redet nicht viel, aber wenn sie etwas sagt, dann ist es gehaltvoll.

      Fräulein Krüger: Chef, das war Unsinn. Trabrennen werden nicht gewonnen, sondern folgerichtig `heimgebracht´?

      Ja, tatsächlich? Hatte ich vergessen. Danke, Fräulein Krüger.

      Und das Schlachten geht weiter.

      Herr Rapotovsky! Warum kam es unter Kaiser Cuen Yun zum massiven Schwund der Schatzkammer und warum führte es zur Vertrauensfrage?

      Nun, ... äähh, ...

      Isabella stellt ihr Bein mit der Laufmasche demonstrativ nach vor.

      ... äh, ... undicht?

      Chef sieht ihn an wie einen gefälschten Fünfer, er ist irritiert ... können sie das genauer erläutern?

      Nun, ... undicht, Ausfluß, ... äh, Hasenfuß, ...

      Chef: dacht ich mir´s doch.

      Frau Matinell?

      Isabella: Cuen Yun, 1234 – 1156 v. Chr. – chinesischer Kaiser der fünften Dynastie. Höchst verfängliche Epoche. Die Beamten wurden korrupt und das System instabil, nach und nach der moralische und finanzielle Ruin. Erholung erst in der siebenten Dynastie, genannt das Zeitalter der Sonne. Größter Vertreter: Cuen Luk.

      Ausgezeichnet!

      Meisl! Wie groß ist das BIP von China?

      Ich starre vor mich hin, ich sehe den Hintern von Fräulein Krüger ...

      ... ähh, ... groß?

      Chef sieht mich an, wie ein bemitleidenswürdiges Etwas. Das hab ich mir wohl einfach gemacht. Doch - er kann mir nicht widersprechen.

      Es geht weiter.

      Welche war eine der ältesten Hochkulturen, wer gehört zu den führenden Industrienationen der Welt, wer sind die Erfinder des Schwarzpulvers, wer bestitzt die größten Uranvorkommen, wer kreierte die Urform des Nudelgerichts, wer ...

      ... Meisl?

      Äähh: die Chinesen?

      Chef ist überrascht, ... endlich einmal eine Antwort, mit Grundlage ... gut Meisl. Weiter so. Erste Hälfte vorbei. Zehn Minuten Pause!

      Chef hat einen Vogel.

      So nutze ich die Gelegenheit und gehe auf die Toilette. Es wurde auch Zeit. Minutenlang diesen chinesischen Unsinn, mit Fragen und Noten im Harakirisytem? Nochmals