Markus Meisl

Der Kronprinz des Selbstvertrauens


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beginnt am Herd. Ich öffne zwei Packungen Tiefgefrorenes, Vollkornlaibchen und Pommes, und schiebe den Inhalt, gleichmäßig verteilt, ins Backrohr. Dann wasche und schneide ich einen Kopfsalat und versetzte ihn mit Essig.

      Noch ein Blick auf das Geschehen im Backrohr, die Pommes lassen schon einen knusprigen Rand erahnen, dann kommen die Goldfische dran. Ich gehe zum Aquarium und greife ins Wasser; ich sehe, die Pumpe ist intakt, das ist wichtig, denn die Tiere reagieren sensibel; sodann fallen Flocken von Fischfutter, nur die allerbeste Marke. Max und Moritz sind alarmiert, ruckhafte Bewegungen und schon zeigen die Fischleiber ihre kleinen Mäuler. Ich liebe diese Tiere mit ihren effizienten Bewegungen und der glänzenden Haut. Es ist eine Schönheit - frei von allem Affekt.

      Endlich sind die Laibchen und Pommes durch. Ich schütte alles auf ein großes Teller und mache es mir gemütlich. Dazu Salat, ein Krug Limonade und die Zeitungen. Zur Hebung der Atmosphäre zünde ich drei Kerzen an, die in einem prunkvollen Ständer stehen, ausgezeichnete Handarbeit; Florenz, 17. Jahrhundert - sagt mein Mann vom Flohmarkt.

      Es beginnt.

      „WIEDER UNRUHEN AUF DER STRASSE, ARBEITSLOSIGKEIT SO HOCH WIE NIE!“

      Ich streue Salz auf die Pommes und drücke aus der Flasche Ketchup und Majonäse; nicht zu wenig.

      „LEBENSMITTELPREISE WIEDER GESTIEGEN!“

      Ich steche ein Stück vom Kornlaibchen ab und lasse es im Tiefflug über die Soße gleiten und sodann in meinem Mund verschwinden, endlich Kontakt mit Futter und Würze, Speichelflutung im gesamten Mundraum. Gleich darauf ein großer Schluck von der Limonade, Vermählung der Sinne, Ausgleich der Kräfte. Dann fasse ich mit der Gabel einen Schwung Pommes, herzhaft und gut.

      „WIEDER DEMONSTRATIONEN VOR DEM PARLAMENT, POLIZEI MUSSTE EINGREIFEN!“

      „KLIMAWANDEL SCHNELLER ALS BERECHNET, HURRIKAN ÜBER LONDON!“

      Ein Laibchen um´s andere zerteilt sich, verschwindet von meinem Teller, gefolgt vom knackigen Salat, der Berg aus Pommes schrumpft, Majo und Ketchup vermischen sich, Hochzeit aus Rot und Weiß, Salz auf das Brot des Sündenfalls.

      Schließlich komme ich auf ruhigeres Terrain und widme mich den allgemeinen Meldungen; nun gilt es, die letzten Reste der Mahlzeit zu bergen und nichts von der Soße zu verschwenden. Die Kerzen werfen ein romantisches Licht, auch habe ich ein Gläschen Absinth vorbereitet.

      „LADY OPIUM, DIE GROSSE SCHAUSPIELERIN - DRITTE BRUST-OP IN EINEM JAHR!

      OBERWEITE AUF 110 GEWACHSEN!“

      Ich kippe den Absinth in einem.

      Dann folgt Joghurt mit Früchten, Rendezvous von Himbeeren und Brombeeren, dazu passend die Witzseite.

      Nun sitze ich schon sehr tief im Sessel, bis in die Zehennägel befriedigt. Mein oberster Hosenknopf und sein Schlitz, sie haben den Wunsch - sich zu trennen, auch ohne Beziehungsärger. Und ich rühre in den Resten des Joghurts, wie in meinen Gedanken; vor einer Stunde stehe ich hier nicht auf.

      Nun ist es an der Zeit, das Fernsehprogramm zu nehmen und mit Rotstift die neuesten Filme und Sendungen zu orten: Dokumentationen und Horrorfilme, Action und Serienspaß, dazu die neuesten Nachrichten aus der Welt der Prominenz. Ich genieße diesen Gang besonders, das Leben kommt aus den Glanzgruben der Unterhaltungswelt, Magen und Darm, Galle und Leber tun das ihrige, es ist wirklich erholsam. Auch Max und Moritz halten nun Feierabend, ruhig schwebend im Wasser, in ihrem Element, es sind nur die sparsamsten Bewegungen, die sie vollführen; die Uhr, man hört sie ticken.

      Was kann den Abend jetzt noch erschüttern? Ich meine, es ist ein Hauch von Vollkommenheit.

      Schließlich stehe ich auf, der Knopf und sein Loch, sie halten zusammen. Ich gehe in den Vorraum, werfe einen Blick in den Spiegel. Mein Gesicht: wie immer. Zwei Augen, zwei Lippen, die Nase davor. Dann nehme ich die Jacke vom Haken und verlasse die Wohnung ...

      Draußen empfängt mich der Abend, der Himmelsbogen; die Straßen schweigen, die Sterne funkeln. Schließlich erreiche ich die andere Seite des Hofes und öffne die Türe. Über eine Treppe gelange ich in den Keller und zu einer weiteren Türe; eine Schnalle, ein Lichtschalter und die Lage erhellt sich.

      Ich trete ein. Alle Wände des Raumes sind geschmückt, der Boden aus solidem Betongrund. Vorne an der Wand steht ein Podest. Davor eine Kamera mit Dreibein und sexy Netzstrümpfen.

      Es geht los.

      Ich öffne mein Hemd, Knopf für Knopf, von oben nach unten. Meiner Sache sicher, öffne ich auch den Gürtel, die Hose, das Uhrband. Nur das Höschen bleibt dran. Dann gehe ich zum Schrank, fasse einen der Kleiderbügel und ziehe ein weißes Kostüm hervor: es ist hauteng und hat Stickereien von Gold und Silber. Es anzuziehen, ist die Metamorphose; jede Unebenheit wird geglättet, jede Motte erschreckt. Dann noch die Perücke mit den unvergesslichen Kotelleten!

      Und fertig: Elvis Presly, the King of Rock´n Roll!

      Zur Aufzeichnung meiner Arbeit stelle ich die Kamera ein und prüfe die Linse - denn die künstlerische Qualität, sie will erarbeitet sein! Behutsam nehme ich die Gitarre, werfe den Riemen über die Schulter und besteige das Podest.

      Begrüßung des Publikums! Eine jubelnde Menge füllt die Halle bis auf den letzten Platz, auch die Mäuse vom Keller verlassen das Loch. Die Atmosphäre ist geladen, ist positiv - es müssen Tausende sein, unter dem Licht der Scheinwerfer! Ich begebe mich in Stellung und beginne mit einem alten Hit. Schon nach den ersten Akkorden klatscht und quietscht das Publikum, unter dem Eindruck der Wiedererkennung. Auf das wärmste ermuntert mache ich weiter, übertreffe mich selbst, meiner Gemeinde verpflichtet. Dann kommt der Moment, wo ich meinen Hüftschwung einsetze, das legendäre Markenzeichen; jeder hat schon darauf gewartet, aber nun ist es wieder überraschend, wie beim ersten Mal. Die Masse kocht, die Menge brüllt. Sie lieben mich wirklich.

      Ich habe diesen Hüftschwung im Laufe der Jahre perfektioniert und beherrsche ihn sogar automatisch, im Halbschlaf. Und das ist wichtig, denn es macht die Menschen glücklich.

      *

      2.Kapitel

      Vormittag. Fünfzehn Grad im Schatten, siebenunddreißig und mehr unter den Miniröcken. Ventilatoren surren, bemühen sich fleißig, das Fieber zu kühlen. Verkaufslage angespannt, die Chinesen auf dem Vormarsch.

      Auch Fräulein Blau trägt einen Rock und bewegt sich charmant wie immer, ganz der Sache ergeben. Ihre weiche, tief schwingende Stimme paart sich höchst interessant mit femininen Attributen.

      „HERR MEISL, VERGESSEN SIE NICHT: MINDESTENS ZWEI LITER WASSER AM TAG ZU TRINKEN. DAS IST WICHTIG FÜR DEN ORGANISMUS.“

      Der kollegiale Beistand macht den Unterschied. Alles für den Organismus, den Orgasmus; ich schenke sofort Wasser in meinen Becher, aus einem hellen Krug, und trinke, trinke ... da fällt mir ein ...

      „ACH JA, FRAU BLAU, ...

      WAS SUCHT EIN DOLLER PENNIS IM GEFRIERSCHRANK?“

      Sie hebt ihre Brauen und erstarrt, meine Frage kommt überraschend, kommt hart. Doch in ihrem Gesicht treffen sich Neugier und Entrüstung, wie zwei, die es wollen.

      Ich lasse sie raten, ein, zwei Mal, doch sie weiß es nicht.

      „EWIGE JUGEND.“

      Und sie setzt eine Verblüffung auf, wie Grießbrei, zu lang gekocht.

      Da kommt mein Chef um die Ecke und wirft mir einen Stoß von Akten auf den Tisch.

      „HIER MEISL, DAS MATERIAL ÜBER DIE NEUE TOILETTE! DURCHSEHEN UND BEWERTEN, ICH BRAUCH DIE DATEN BIS MORGEN!“

      Er bleibt nur wenige Sekunden im Bild, mein Chef, mit seinem schnellen Gang und den von steter Arbeit gespannten Vorwärtsdrang; aber schon habe ich mich wieder an meinen Platz gesetzt und tippe am Computer, Anbote, Preise, Lieferzeiten; natürlich, bis morgen, es ist