Katharina Burkhardt

In meinem Herzen nur du


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Gedanken abgelenkt. Aber wer weiß, vielleicht klappte es ja doch noch irgendwie. So schnell gab ein Finn Janssen nicht auf.

      Drei Tage später stand Finn erneut auf dem Hof von Heinrich Peters, dem Bauern mit den Ponys. »Ich würde das mit dem Reiten gern mal probieren«, sagte er und hoffte, dass niemand merkte, wie sehr sein Herz raste.

      »Hat dein Vater doch ein Einsehen mit dir gehabt?«

      »Mhm.« Finn nickte. Nur nicht zu viel sagen, was nachher gegen ihn verwandt werden konnte.

      Bauer Peters schaute ein wenig misstrauisch, aber er hatte keine Zeit, sich Gedanken über Finn zu machen. Er wies zu den Stallungen. »Geh mal den Hinnerk suchen, der ist da irgendwo.«

      Zaghaft stapfte Finn über den Hof. Er wich einem knurrenden Hund aus und machte einen Bogen um ein paar Kuhfladen. Hinnerk Peters stand in einem dunklen Stall und verteilte gerade einen Ballen Stroh in einer Box. Er war ein paar Jahre älter als Finn, klein und untersetzt, mit einem rundlichen Gesicht.

      »Reiten willst du lernen?« Er nickte bedächtig, nachdem Finn ihm sein Anliegen vorgetragen hatte. »Kein Problem. Wenn du mir beim Misten hilfst, kannst du dich nachher mal auf eins der Ponys setzen.«

      Das ließ Finn sich nicht zweimal sagen. Er griff sich eine Mistgabel und Hinnerk zeigte ihm, was er zu tun hatte. Doch obwohl er kräftig für sein Alter war, bekam er bald Blasen an den Händen. Und als er die schwer beladende Schubkarre auf einem Brett, das als Steg diente, hinauf auf den Misthaufen balancierte, kippte sie um. Hinnerk lachte gutmütig.

      »Das wirst du schon noch lernen.«

      »Dafür weiß ich, wie man Pferde beschlägt«, sagte Finn wichtigtuerisch, und Hinnerk lachte erneut.

      Und dann warf er sich endlich ein Halfter über die Schulter und führte Finn auf einen matschigen Paddock hinter dem Stall. Hier standen die Pferde, fünf insgesamt, die Finn bereits alle vom Beschlagen kannte. Zwei gescheckte Shettys, ein schmutzigweißer Isländermix und zwei braune Deutsche Reitponys, die einander so sehr ähnelten, dass Finn sie nicht auseinanderhalten konnte. Hinnerk legte das Halfter einem der beiden an und führte es zum Hof zurück, wo er es zäumte und sattelte und Finn dabei jeden Handgriff geduldig erklärte.

      Das Pony hieß Falco und hatte sanfte Augen. Es stand gehorsam still, bis Finn aufgestiegen war und Hinnerk die Steigbügel in der Länge angepasst hatte. Zögernd nahm Finn die Zügel auf und presste die Schenkel gegen Falcos Leib. Der lief tatsächlich los. Seine Bewegungen waren weich und schwingend und er trug Finn in eifrigem Zuckelschritt Runde um Runde auf dem Reitplatz, während Finn sich an das Gefühl des harten Sattels zwischen den Beinen und der Lederzügel in seinen Händen gewöhnte.

      Hinnerk war ein guter Lehrer, geduldig und freundlich, und Finn fühlte sich so glücklich wie schon lange nicht mehr.

      Als er nach einer Weile steifbeinig aus dem Sattel glitt, sagte Hinnerk: »Wenn du mir morgen wieder beim Misten hilfst, machen wir weiter.«

      Finn nickte begeistert.

      Doch er hatte nicht bedacht, dass die Stallarbeit und das Reiten Spuren hinterlassen würden. Am nächsten Tag stellte seine Mutter ihn zur Rede.

      »Warum stinken deine Sachen so, Finn?«, fragte sie und hielt ihm anklagend den Pulli und die Jeans vor die Nase, die er gestern getragen hatte. Der feine, aber intensive Pferdeduft war nicht zu leugnen, und obendrein war der Pullover voller Haare.

      Finn, der gerade in der Küche stand und sich ein Butterbrot machte, wurde nervös, vor allem, weil in diesem Moment die Haustür aufging und sein Vater heimkehrte.

      »Finn Janssen, ich warte auf eine Antwort.« Seine Mutter stand drohend vor ihm.

      »Die hatte ich doch am Dienstag an, als ich mit Papa auf dem Försterhof zum Beschlagen war.«

      »Dienstag?« Seine Mutter kniff die Augen zusammen. »Die Sachen habe ich längst alle gewaschen.«

      »Ja?« Finn bemühte sich verzweifelt um einen unschuldigen Blick. »Dann war das wohl, als Hinnerk Peters mir erlaubt hat, auf einem Pony zu sitzen, das er von der Weide geführt hat.«

      »Hinnerk Peters?« Seine Mutter runzelte die Stirn. »Der Sohn von Heinrich Peters? Was hast du mit dem zu schaffen? Der ist doch viel älter als du.«

      »Ich bin nur zufällig vorbeigekommen, als ich auf dem Rückweg vom Milchmann war.« Finn verstrickte sich immer mehr in seiner Lügengeschichte.

      »Vom Milchmann?« Seine Mutter wirkte kein bisschen überzeugt. »Der liegt doch gar nicht auf dem Weg zum Petershof.«

      Finn überlegte fieberhaft, wie er die Geschichte glaubwürdiger machen konnte, als sein Vater in der Tür erschien. Ole Janssens Gang war unsicher und sein Blick verschwommen. Mit schwerer Zunge fragte er: »Was ist los hier? Warst du etwa auf dem Petershof?«

      Finn schüttelte entsetzt den Kopf. »Nein«, sagte er hastig. »Ich bin nur an der Weide vorbeibekommen.«

      »Ich hab dem Jungen verboten, sich auf dem Hof rumzutreiben«, sagte sein Vater.

      Er schwankte heftig und musste sich am Türrahmen festhalten. Finn sah seiner Mutter an, dass sie genauso entsetzt war wie er. Es war noch keine vier Uhr nachmittags und sein Vater bereits sturzbetrunken. Seit geraumer Zeit wurde es immer schlimmer mit seiner Sauferei.

      »Finn war auch nicht auf dem Hof«, murmelte sie und verbarg die Kleidungsstücke hinter ihrem Rücken.

      »Was hastn da?« Der Blick von Finns Vater wurde misstrauisch.

      »Schmutzige Wäsche.« Sie versuchte, sich an ihm vorbeizuschieben, ohne ihn anzusehen. »Ich muss wieder runter in den Waschkeller.«

      »Und warum versteckst du die Sachen vor mir?« So betrunken Ole Janssen auch war, er bekam doch noch genau mit, was um ihn herum geschah. »Zeig mal her!« Er streckte eine Hand aus.

      »Was soll das, Ole?« Annemarie Janssens Stimme zitterte. »Es ist eine schmutzige Hose, nichts weiter. Und ein Pullover.«

      »Zeig mir, was du da hast!« Ole Janssen packte ihren Arm und riss ihn nach vorne. Finns Mutter schrie auf vor Schmerz.

      »Nicht, Papa, du tust ihr doch weh!«, rief Finn.

      Sein Vater reagierte nicht. Er entwand seiner Frau den Pulli und schnüffelte daran.

      »Dachte ich’s mir doch!« Seine Stimme wurde zu einem gefährlichen Knurren. »Ihr habt mich angelogen. Alle beide.«

      »Ich hab doch gesagt, dass ich bei der Weide vorbeigekommen bin«, rief Finn verzweifelt. »Da habe ich die Pferde angefasst. Durch den Zaun.«

      »Ach, und wie kommen die ganzen Haare hier auf den Pullover? Die sind durch den Zaun hindurchgeflogen, oder was?«

      Es lag etwas Gehässiges im Blick seines Vaters, als wolle er Finn bewusst quälen.

      »Er saß nur mal kurz drauf, als Hinnerk das Pony von der Weide geführt hat«, sagte Annemarie Janssen, aber die Zweifel über die Richtigkeit dieser Geschichte waren ihr deutlich anzuhören.

      »Ach.« Ole Janssen starrte sie aus wässrigen Augen an. »Eben hat er noch gesagt, er hätte sie nur angefasst.« Er schlug so heftig auf den Küchentisch, dass das Geschirr klirrte, das darauf stand. »Ich hasse es, wenn du mich anlügst, Anne.« Er hob drohend die Hand.

      »Nicht!«, schrie Finn und sprang zwischen seine Eltern. »Nicht schlagen, Papa, bitte nicht schlagen. Ich tu es auch nie wieder.«

      Sein Vater fuhr herum, schwer atmend und mit fahrigen Bewegungen. »Du verlogener Bengel, ich werd dir das Lügen schon noch austreiben.« Er ohrfeigte Finn so heftig, dass dessen Kopf gegen den Küchenschrank schlug. Benommen ging Finn zu Boden. Seine Mutter schrie auf, sein Vater brüllte, dann war Stille.

      Finn hockte weinend auf den Fliesen, bis seine Mutter sich zu ihm beugte und ihm ein nasses Handtuch an den schmerzenden Kopf hielt.

      »Was