Reiner Kotulla

Marijana


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von der angeblichen Treue ihres Mannes. Die hatte sie gebraucht, um mir zu vermitteln, dass unsere Beziehung nicht von Dauer sein könnte. Warum auch sollte ich das glauben, wenn sie doch in einer glücklichen Verbindung mit ihrem Mann lebte. Mir wollte sie damit sagen, dass wir beide lediglich eine Affäre sexueller Art hatten.“

      „Sie hat dir aber doch, wie du gerade gesagt hast, ihre Liebe gestanden.“

      „Ja schon, aber das tat sie nur dann, wenn sie etwas getrunken hatte.“

      „Meine Güte, Volker, das war tatsächlich alles andere als eine einfache Sache.“

      „Seltsam, ich habe noch nie mit jemandem darüber gesprochen.“

      Darauf sagte Alexander nichts, wusste auch nicht, was er hätte sagen können. Eine Frage hatte er aber noch, Volker kam ihm zuvor. „Ich weiß, dass du jetzt wissen willst, ob ich sie dann doch noch nach dem Kind ihres Mannes gefragt habe.“

      „Genau das wollte ich dich gerade fragen.“

      „Sie hat mir die Frage nicht beantwortet. Sie weinte, verhielt sich so, als ob ich mit dieser Frage unsere Affäre beendet hätte, versicherte mir noch einmal ihre Liebe und ging. Ich verstand nichts, glaubte, sie käme wieder, wartete aber vergebens darauf. Sie ging mir aus dem Weg. Auch arbeitsmäßig veränderte sich ihr Verhalten mir gegenüber. Sagte ich dir, dass wir Kollegen waren?“

      „Nein.“

      „Hatte sie zuvor meine Arbeitsweise anerkannt, ja sogar öffentlich gelobt, begann sie nun, zunächst in spaßigem Ton, über mich zu lästern. Ich würde, so meinte sie, meine Schüler nur deshalb zur Selbstständigkeit erziehen wollen, weil ich beabsichtigte, mir dadurch Arbeit zu ersparen.“

      „Wie denn das, Volker, ich dachte immer, dass die Erziehung zur Selbstständigkeit langwieriger und nervenaufreibender sei, als wenn man den zu Erziehenden jeden Arbeitsschritt einzeln anordnete. Entsprechend der Aussage so manch einer Mutter: ‚Ehe ich dir das erkläre, mache ich es lieber gleich selbst. Das geht schneller.‘“

      „Schon, aber erreicht man so bei Schülern, dass sie selbstständig arbeiten? Ich denke, nicht. Tritt man aber als Lehrer zurück, wird eher zum Berater, spart man dann tatsächlich eigene Mühe und Kraft.“

      „Verstehe, aber das musste deine Freundin doch gewusst haben.“

      „Sicher hat sie das, doch ich glaube, dass sie nach Gründen gesucht hat, meine Arbeit schlecht zu machen. Dann änderte sie auch die Art, wie sie über mich sprach. Sie meinte es nun ganz offensichtlich ernst, wenn sie sagte, ich sei ein Faulenzer. Das Schlimme daran war, dass sie nun auch hinter meinem Rücken anderen Kollegen gegenüber zu tratschen begann und das auch Vorgesetzten gegenüber.“

      „Hast du denn nichts dagegen unternommen?“

      „Was sollte ich tun? Stimmten doch auch viele der alten Pauker an unserer Schule mit den von ihr geäußerten Ansichten überein, hielten mich für einen linken Spinner, der das Ende der 68er verschlafen hätte.“

      „Wenn sie aber nun ganz offen gegen dich gearbeitet hat, obwohl sie früher deinen Methoden zugestimmt hatte, muss sie doch einen wirklichen Grund dafür gehabt haben?“

      „Und ich glaube, den zu kennen.“ Jetzt sah ihn Alexander erwartungsvoll an. Die Geschichte interessierte ihn nun sehr. Hatte er anfangs gedacht, er müsse Volker nur zuhören, wollte er jetzt wissen, wie die Sache ausgegangen war. „Ich glaube, dass sie mich wirklich geliebt, auf eine gemeinsame Zukunft mit mir gehofft und ihre Leichtlebigkeit mir gegenüber nur gespielt war. Als sie dann gemerkt hat, dass ich nur eine, wenn auch länger anhaltende, Affäre mit ihr haben wollte, muss ihre Liebe regelrecht in Hass umgeschlagen sein. Wie dem auch sei. Schließlich brach sie jeglichen Kontakt zu mir ab. Als ich dann noch einmal versuchte, ein Gespräch mit ihr zu führen, fuhr sie mich wütend an und sagte: ‚Ich werde nie wieder mit dir reden.‘ Kurz darauf stellte sie einen Versetzungsantrag, dem auch stattgegeben wurde.“

      „Und du hast nichts mehr von ihr gehört?“

      „Nein.“

      Es trat eine Pause ein. Beide hingen ihren Gedanken nach. Alexander war sich sicher, dass Volker an Vergangenes dachte. Ihn selbst bewegte eine andere Frage. „Glaubst du, dass Frauen immer auf eine Beziehung mit Zukunft hoffen, auch dann, wenn sie anderes äußern?“

      „Ich weiß es nicht. Vielleicht sollte man das nicht so verallgemeinern.“

      Alexander aber hörte nicht mehr zu und dachte plötzlich an ein Gespräch, das er vor einiger Zeit auf der Fahrt von Hiddensee nach Wetzlar mit Simone geführt hatte. Zweideutig hatte sie damals auf seine diesbezügliche Frage geantwortet.

       Acht

      Mühlberg informierte sie darüber, dass man zum Befahren der Lahn mit einem Floß eine Genehmigung des Wasser- und Schifffahrtsamtes Koblenz benötige. Daran hätten sie überhaupt nicht gedacht, gaben sie zu. Mühlberg erklärte sich bereit, die Sache zu übernehmen und notierte sich sofort die dazu notwendigen Daten. Er kenne dort jemanden, noch aus seiner Bundeswehrzeit, meinte er.

      Das Regattafest begann mit der üblichen Regatta und mündete nach der Siegerehrung in einen gemütlichen Abend mit Tanz und Unterhaltung. Etwas am Rande, doch nicht ganz unbeachtet, fand die Floßtaufe statt. Die Gattin des Vorsitzenden persönlich warf die obligatorische Sektflasche gegen das vordere rechte Ölfass, das den einen Namenszug des Gefährtes trug: „Charlene“.

      Am Abend zuvor erst war ihnen aufgefallen, dass zur Taufe auch ein Name gehörte. Es wurde hin und her überlegt, bis sich beide Männer darin einig waren, einer alten Tradition folgend, das Schiff nach der Liebsten zu benennen. Simones Einwand, dass es sich da meistens um recht schlanke Wasserfahrzeuge gehandelt hätte, das Floß aber eher korpulent wirke, brachte sie alle zum Lachen, konnte Alexander und Volker aber nicht von ihrem Entschluss abbringen. Eine Runde Kartenspiel sollte die Entscheidung für einen Namen herbeiführen. Sie einigten sich auf Rommé, weil dieses das einzige Spiel war, welches sie alle kannten. Da es aber von diesem Spiel viele von Regeln gibt, legten sie diese zuerst fest. Der Gewinner sollte den Namen des Floßes bestimmen dürfen. Es sollte solange gespielt werden, bis einer der beiden Männer ein Spiel gewann. Zunächst gewann Simone, dann Charlene und schließlich Volker. Da hatte Charlene die rettende Idee. „Also, genaugenommen besteht unser Floß ja aus zwei Schwimmteilen. Warum soll es dann nicht auch zwei Namen tragen?“

      Gesagt, getan, rechts „Charlene“ und links „Simone“.

      Der Frau des Vereinsvorsitzenden wurde, was die Seite, auf die sie die Flasche werfen wollte, betraf, die Wahl überlassen. Im Logbuch, das Alexander angelegt hatte, trug er als Namen „Charlene-Simone“ ein.

      Nach dem Wunsch des Vereinsvorsitzenden: „Und allzeit eine Handbreit Wasser unter den Tonnen“, trat Volker vor und erhob seine Stimme: „Lasst mich bitte dem Ganzen einen würdigen literarischen Rahmen geben.“ Woraufhin eine gespannte Stille eintrat.

      „Frühlingserwachen, von Jürgen Roth“, begann er.

      „Fängt die Kuh zu bellen an,

      Ist der Hahn am Euter dran.

      Kotzt der Frosch die Aue voll,

      Weilt der Storch noch am Atoll.

      Lacht der Bussard in der Luft,

      Beschimpft der Fink die Maus als Schuft.

      Haut der Hecht die Flunder platt,

      Setzt das Reh den Fuchs schachmatt.

      Brummt die Biene durch die Stube,

      Drückt der Kater auf die Tube.

      Fällt der Feldsalat vom Baum,

      Hält’s der Bauer für ’nen Traum.

      Wälzen Welse sich am Boden,

      Hechten Hunde nach den Hoden.