Jennifer Scheil

P.E.M. Projekt Evolution Mensch


Скачать книгу

Samantha dann das Essen endgültig einstellen würde.

      Jeden Tag stand Samantha neben dem Telefon und starrte den kleinen Bildschirm an. Ganz so als könnte sie es zum klingeln zwingen. Mit einem herzzerreißenden Seufzen wendete sie sich jedes Mal nach einer geraumen Zeit ab und ging in Johns Zimmer. Dort hielt sie sich die meiste Zeit auf.

      Am achten Tag, platzte Anna der Kragen. So konnte es nicht weiter gehen! Das konnte doch kein Dauerzustand werden. Es wurde Zeit, dass sie abgelenkt wurde! So kam es, dass Samantha, am darauf folgenden Tag, wieder in die Schule ging.

      Als sie die Klasse betrat, herrschte eine unnatürliche Stille. Zwanzig Augenpaare verfolgten sie dabei, wie sie am Lehrerpult vorbei zu ihrem Platz ging. Sie setzte sich in dem Moment, als die Glocke läutete und das Nahen der Lehrerin ankündigte. So wurden ihr die lästigen Fragen fürs erste erspart. Den Verlauf des Unterrichts nahm sie nur undeutlich wahr. Sie zeigte kaum Reaktionen, wenn sie von den Lehrern gefragt wurde. Die neugierigen abschätzenden Blicke ihrer Mitschüler sah sie ebenso wenig, wie sie das ständige Flüstern nicht wahrnahm. Den Lehrern entging das abwesende Verhalten Samanthas nicht, jedoch sahen sie es nicht als notwendig an, sie darauf anzusprechen. Entweder die Schüler waren von sich aus bereit zu lernen und dem Unterricht zu folgen oder sie würden bei den Prüfungen versagen und ausscheiden. So einfach war das! So funktionierte das System. Es gab genügend junge Leute, die einen Ausbildungsplatz wollten und keinen bekamen.

      In den Pausen, blieb Samantha auf ihrem Platz sitzen. Sie aß und trank nichts, sprach kaum und wehrte sich nicht gegen die Angriffe von Babette und ihren Freundinnen.

      In den letzten beiden Stunden jedoch änderte sich das. Sie hatte endlich Erfolg. Sie konnte John endlich spüren! Leise und wie ein Hauch war seine Aura. Doch konnte Samantha spüren, dass es John gut ging. Dass er in Sicherheit war. Dieses Wissen gab ihr wieder Mut.

      Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Es ging ihm gut und er würde bald wieder bei ihr sein! Die dunkle Wolkendecke riss auf und ließen die Sonne wieder in ihr Herz. Es war gut gewesen, dass sie sich mit ihrer Gabe beschäftigt hatte.

      So kam es, dass sie in den letzten Stunden wieder am Unterricht teilnahm. Auch

      wenn sich diese Teilnahme nur auf ein paar vereinzelte Wortmeldungen beschränkte. Nach dem Unterricht verrichtete sie wieder die selbst gewählten Aufgaben und verließ als letzte den Klassenraum. Auf dem Weg durch das Schulgebäude stellte sich ihr Babette in Begleitung ihrer Freundinnen in den Weg.

      Das gehässige Grinsen in ihrem Gesicht verzog dieses zu einer Fratze. „Da sieh einer an, wenn das nicht unser Trauerkloß ist? Was ist denn passiert? Hat man dir etwa wehgetan? Oh, das tut mir aber leid.“ Kichernd, bildeten sie einen Kreis um Samantha. Babette war arrogant und von sich selbst völlig eingenommen. Wer neben ihr bestehen wollte, musste sich ducken und alles gutheißen, was sie tat. Sie fand, dass das ihr gutes Recht war, schließlich war ihr Vater einer der mächtigsten Männer in dieser Stadt. Wahrscheinlich sogar bald der Außenminister.

      Diesen dämlichen Beruf erlernte sie auch nur, damit die Öffentlichkeit ihre Nächstenliebe zu sehen bekam und sie schätzte. Dass Samantha um einiges besser aussah gefiel ihr nicht. Es war nicht unbedingt das sichtbare Äußere sondern vielmehr ihre Ausstrahlung. Deshalb nutzte Babette jede sich ihr bietende Gelegenheit, um Samantha klein zu halten und noch mehr zu erniedrigen. So wie Samantha jetzt vor ihr stand, gefiel sie ihr am Besten: gebeugte Haltung und gesenkter Blick.

      Doch Babettes selbstgefälliges Grinsen erstarb. Ihre Augen weiteten sich, als Samantha langsam ihren Kopf hob und ihren Körper straffte. In Samanthas Augen sehend überfiel Babette eine unerklärliche Angst. Ein Glühen durchdrang die Oberfläche und bohrte sich in ihre Augen.

      Babette wand sich. Sie konnte den Blick nicht von diesen unergründlichen Augen lösen. Samantha hielt sie unerbittlich fest. Eiskalte Schauer durchliefen ihren Körper als Samantha mit einer unheimlich leisen Stimme zu ihr sprach. Es lag keine

      Abscheu, Hass oder Angst in ihr. Sie war völlig ausdruckslos! „Lass mich vorbei!“ Unfähig etwas dagegen zu tun, setzte Babette ihre Füße rückwärts und machte den Weg frei. Samantha schritt steif aufgerichtet an ihr vorbei und verließ das Gebäude. Verständnislos scharrten sich Babettes Freundinnen um sie und wollten von ihr wissen, warum sie Samantha hatte gehen lassen. Unfähig zu antworten starrte Babette nur zur Tür und eine kalte Leere breitete sich in ihr aus.

      Von diesem Tag an aß Samantha wieder regelmäßig, wenn auch wenig, und ihre Körperhaltung entspannte sich. Sie gewann wieder ihren alten Ausdruck zurück. Anna sowie auch Jonas wunderte sich über den plötzlichen Wandel, war darüber aber auch sehr froh. Samantha schien sich wieder gefangen zu haben. Sie zog sich jetzt zwar verstärkt zum Malen zurück, war aber ansprechbar und gab Antworten wenn sie gefragt oder um etwas gebeten wurde. Das Telefon wurde jedoch noch immer von ihr regelrecht hypnotisiert. Dieses machte ihr aber nie die Freude zu klingeln. Das Schicksal von John hing weiterhin im Nebel.

      In der Schule war sie vor Babettes Nachstellungen sicher. Diese hatte immer noch das Gefühl von Samanthas Augen verbrannt zu werden und vermied es, in diese zu sehen. Soweit es möglich war, ging Babette ihr aus dem Weg, was Samantha völlig kalt ließ. Samantha war ihre Umgebung inzwischen so egal, das sie kaum etwas um sich herum bemerkte.

      Ihren aufmerksamen Schatten nahm sie somit ebenfalls nicht war!

       ****

      Gähnend streckte Samuel seine Glieder. Er war seit vier Tagen dazu verdammt, in diesem Auto zu sitzen. Der Mangel an Bewegung machte sich langsam in seinen schmerzenden Muskeln bemerkbar. Was diesen Professor geritten haben könnte, ihn hierzu zu nötigen, wusste er nicht. Was es für Konsequenzen nach sich ziehen würde, sollte er sich weigern, war ihm jedoch nur allzu bewusst. Nein! Er würde sich nicht den Zorn dieses Victor Markes zuziehen. Er erinnerte sich an Georg Hammer. Dieser war, kurz nach dem er aufgeregt ins Lager gestürzt und Markes eine Aufzeichnung gegeben hatte, Spurlos verschwunden. Niemand wusste, wo er war, doch Samuel ahnte, dass da Markes seine Finger im Spiel hatte. Er wollte gern noch etwas leben und nicht ermordet und verscharrt werden. Hinter vorgehaltener Hand munkelten einige seiner Kameraden, dass Georg nach `Gene Hope` gebracht worden war. Ein Schütteln überkam ihn, als er an die Gerüchte über Gene Hope dachte. Es hieß, dass

      Victor Markes in seinem geheimen Labor, das irgendwo innerhalb des Institutes lag, Versuche an Menschen durchführte. Mit abscheulichen Ergebnissen.

      Ob diese Gerüchte der Wahrheit entsprachen, wusste er nicht. Samuel traute dem Professor einiges zu, aber so etwas? Das Gesicht von Markes vor Augen, zog er unwillkürlich den Kopf ein. Nein, der Ausdruck in diesen Augen war zu Furcht einflößend. Markes machte auf ihn immer den Eindruck eines wahnsinnigen Genies. Eine Mischung, die bei unsachgemäßer Handhabung explodieren konnte. Und dann wollte Samuel nicht in seiner Nähe sein!

      Etwas vor dem großen Gebäude zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Eben waren die letzten jungen Studenten herausgekommen. Sie war immer die letzte! Als sie vor das Gebäude trat und Richtung Haltestelle lief, bewunderte er ihre schlanke Gestalt und die anmutigen Bewegungen. Es lag etwas in ihrem Auftreten, das ihn immer wieder an Engel oder Feen denken ließ. Der Gedanke, welches Interesse Markes mit der Beschattung dieses Mädchens verfolgen könnte, machte ihm Angst.

      Am liebsten hätte er den Motor angemacht und den Wagen gewendet, um in die entgegengesetzte Richtung zu verschwinden. Er wagte es nicht! In dem Moment, in dem er sich des Headsets entledigen und seinen Posten verlassen würde, wäre er dem Tod geweiht.

      Niemals würde Markes dieses Verhalten durchgehen lassen! Er mochte zwar nur ein Zivilist sein und Soldaten gegenüber nicht Befehlsbefugt, aber Samuel kannte die Macht dieses Mannes zu gut, um diese Gefahr zu ignorieren.

      Somit folgte er langsam und so unauffällig wie möglich der jungen Frau. Das lange kastanienbraune Haar fiel ihr in sanften Wellen über die Schultern bis zu den Hüften herab. Ein weißer Reif hielt es aus dem lieblichen Gesicht. Ihr himmelblaues Kleid umschmeichelte ihre schlanken Fesseln. Sie verzauberte ihn wieder einmal!

      Zusammenzuckend hörte er das unmissverständliche Quietschen von Autoreifen und ein schwarzer Kleintransporter