Arnulf Meyer-Piening

Das Doppelkonzert


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Mit einem Anflug von verschämten Lächeln antwortet sie: Er sieht wirklich gut aus. Wenn ich jünger wäre, dann würde ich mich für ihn auch als Mann interessieren. Aber über das Alter bin ich hinaus. Vielleicht ist er der richtige Mann für Julia, was meinen Sie?

      - Ich denke, Julia wird sich ihren Mann selber wählen wollen.

      - Die Ärztin erhob sich und betrachtete sich aufmerksam im Spiegel über dem Waschbecken, das in der Schrankwand versteckt war. Sie ordnete ihr Haar und strich es zurück. Vielleicht war sie doch noch nicht über das Alter hinaus?: Er soll mich in den nächsten Tagen mal anrufen, sagte sie unvermittelt. Wir könnten uns zum Essen verabreden.

      - Isabelle ließ sie nicht aus den Augen. Sie ahnte, was in ihr vorging. Sie hatte mit dem Leben als Frau noch nicht abgeschlossen, wollte begehrt sein und suchte offensichtlich einen Mann: Ich werde es ihm sagen.

      - Bemüht, einen indifferenten Eindruck zu erwecken, sagte Ingrid: Ich denke, dass Sie seine Referenzen gecheckt haben. Für diese Aufgabe ist nicht nur Fachwissen sondern auch viel Geschick und Fingerspitzengefühl erforderlich: Er muss sich in die bestehende Gesellschafterstruktur einfügen. Sie besteht aus lauter Individualisten, die unter einen Hut gebracht werden müssen.

      - Nach dieser Bemerkung war klar, worauf es ihr ankam: Sie wollte als Gesellschafterin in die Suche nach einem Nachfolger einbezogen sein. Deshalb antwortete Isabelle: Sie werden ihn schon richtig zu behandeln wissen. Gegenüber guten Argumenten hat er sich noch nie verschlossen gezeigt. Ich bin mir sicher, dass Sie ihn auf die richtige Fährte setzen werden.

      - Wir werden sehen, wie er sich einfügt und welche Maßnahmen er ergreift, sagte sie ausweichend. Was ging es diese Frau an, was sie wirklich wollte.

      - Da seien Sie ohne Sorge. Er hat schon viele schwierige Aufgaben erfolgreich gemeistert. So wird er auch diese Herausforderung erfolgreich annehmen.

      - Ingrid zögerte einen Augenblick. Sie tat sich offenbar schwer, in einem heiklen Punkt mit der Sprache herauszurücken: Da ist noch etwas, das ich mit Ihnen besprechen wollte.

      - Es war klar, was nun folgen würde: Der schon angesprochene Kredit. Isabelle konnte Menschen in kritischen Situationen richtig einschätzen: Was bedrückt Sie? Frau Sämann, Sie können ganz offen mit mir reden. Es bleibt alles unter uns.

      - Mit ungewohnter Offenheit kam Ingrids Antwort: Wie ich Ihnen schon sagte, brauchen wir Geld für Investitionen und die weitere Produktentwicklung, vor allem für das neue Präparat gegen die Niereninsuffizienz. Die Banken geben uns nur zögernd Kredit und zu ungünstigen Konditionen.

      - Geschickt lenkte Isabelle ab, denn sie hatte ihr Gespräch über die Kreditfrage nicht vergessen: Wir werden das Problem zu gegebener Zeit lösen. Jetzt zu etwas Anderem, das mich persönlich bewegt: Ich hätte nie gedacht, dass Julia bei dem Konzert patzen würde. Sie kam offensichtlich aus dem Takt. In einem entscheidenden Moment waren sich die Geschwister über das Taktmaß nicht einig. Es mangelte an der Führung. Das hat Hinrich verunsichert. Ihm fehlte die Orientierung, die er bisher bei seiner Schwester gesehen hatte.

      - Ja, Julia wird immer etwas überschätzt, sagte Ingrid, weil sie gut aussieht und selbstbewusst auftritt. Aber sie kann sich nicht unterordnen. Das ist ihr Problem. Zudem hat sie Schwierigkeiten im Umgang mit ihren Mitarbeitern. Sie fordert zu viel und geht nicht auf ihre Bedürfnisse ein. Außerdem hat sie momentan ganz andere Sorgen, das belastet sie.

      - Menschenführung ist nicht leicht. Ein ständiges Abwägen zwischen Härte und Nachgiebigkeit. Eine Frage das Fingerspitzengefühls. Also zurück zu Ihrem Anliegen: Sie brauchen Geld, wenn ich Sie richtig verstanden habe. Wie viel ist es?

      - Etwa fünfundzwanzig Millionen werden bis zur Rückkehr meines Bruders ausreichen. Ein Teil des finanziellen Problems liegt bei Julia. Ihr Forschungsinstitut verschlingt große Summen. Die Erfolge lassen auf sich warten. Das liegt wohl auch daran, dass sie in der letzten Zeit viele fähige Mitarbeiter verloren hat. Immer wieder muss sie neue Mitarbeiter einstellen und kann nicht motivieren. So kommt sie immer wieder in Zeitverzug.

      - Ich kenne das Problem, weil ich die Kapitalgeber vertrete, die unter anderen auch ihr Institut mit Risikokapital versorgen. Sie warten noch immer auf die seit Jahren zugesagte Rendite.

      - Wir brauchen mehr Zeit, um die Forschungsarbeiten zu beenden und die Tests zu bestehen. Es ist immer dasselbe mit den Banken: Sie scheuen das Risiko und haben keine Visionen. Wenn das neue Medikament erst einmal zugelassen ist, dann sind wir alle Probleme mit einem Schlag los.

      - Auch die Banken werden von Menschen geführt, die keine echten Unternehmer sind. Sie scheuen das Risiko, denn wenn ein Investment schief geht, dann bekommen sie einen auf den Deckel. Geht es gut, dann streichen sie die fetten Prämien ein. Und die Kunden gehen leer aus. Natürlich wollen die Banken kein Geld verlieren, deshalb fordern sie für jeden Kredit ausreichende Sicherheiten.

      - Wir hatten neulich über unsere Familienvilla in Saint Tropez gesprochen, sagte Ingrid. Ich habe hier ein paar Bilder. Sie zeigten eine herrschaftliche Villa im Park von Saint Tropez direkt am Meer. Die Villa von Herbert von Karajan ist nicht weit entfernt, sagte sie nicht ohne Stolz. Brigitte Bardot wohnte in der Nähe. Es handelt sich also um ein ganz besonders wertvolles Objekt, um das sich die Immobilienmakler reißen, aber ich möchte das großzügige Anwesen jetzt nicht verkaufen. Stattdessen möchte ich es beleihen lassen. Wenn Sie Interesse haben, dann sollten Sie sich das Anwesen mal ansehen.

      -Es scheint ein durchaus interessantes Objekt zu sein.

      - Sie blätterte in dem Album und suchte noch weitere Bilder hervor: Betrachten Sie mal diese Bilder von dem Haus und dem Garten. Sie sehen, es ist ein Juwel und liegt direkt am Meer. Es gibt nur ganz wenige Anwesen, die ebenso gut gelegen sind. Das Anwesen ist praktisch von niemandem einzusehen. Solche Raritäten werden insbesondere von russischen Oligarchen gesucht. Auch arabische Scheichs interessieren sich dafür. Sie können das Bild gerne mitnehmen. Ich habe noch andere.

      - Sofort erkannte Isabelle ihre Chance und dankte für das Bild: Das Anwesen würde mich sehr interessieren, sagte sie. Ich habe viele potentielle Interessenten für so ein exklusives Anwesen. Welche Preisvorstellung haben Sie?

      - Die Ärztin zögerte und setzte ihr Pokerface auf: Der Wert des Objekts wird derzeit auf weit über dreißig Millionen Dollar geschätzt. Ich habe hier eine Expertise. Die Preise werden schnell steigen, wenn die wirtschaftliche Krise vorbei ist. Für fünfundzwanzig Millionen biete ich sie Ihnen an, wenn Sie sich schnell zum Kauf entscheiden, und wir sofort über das Geld verfügen könnten. Natürlich muss ich meinen Bruder fragen, und Sie müssten das Anwesen zuvor besichtigen. Wenn Sie wollen, können Sie noch diese Woche an die Côte fahren. Das Haus steht im Augenblick leer. Deshalb könnten sie es für ein paar Tage kostenlos benutzen. Ich habe keine Zeit, und Wolfgang ist derzeit nicht in der Lage, dort hin zu fahren. Und seine Kinder haben jetzt ganz andere Sorgen, als Urlaub zu machen.

      - Sie wollte nichts überstürzen. Isabelle beherrschte die Situation und wusste, dass ihr die Zeit in die Hände spielte. Der Fisch musste noch etwas an der Angel zappeln: Ich werde mal sehen, wie ich es einrichten kann. Ich habe einen vollen Terminkalender. Ich werde mich bemühen, möglichst bald eine Reise nach Südfrankreich einzuplanen.

      - Lassen Sie es mich wissen, ich muss nur kurz vorher Bescheid geben damit alles für Ihre Ankunft hergerichtet ist. Ohne Anmeldung kann man das Grundstück nicht betreten. Es ist rundum mit elektrischen Zäunen und versteckten Kameras gesichert.

      - Beim Hinausgehen sagte Isabelle wie beiläufig: Sobald ich einen Überblick über meine Terminsituation habe, rufe ich Sie an. Wir müssen uns über das Objekt und seinen Preis einig sein, bevor wir mit den Verhandlungen über den Anstellungsvertrag mit Herrn Konselmann beginnen. Ohne den Kredit sind Sie zahlungsunfähig, das wissen Sie, und alle weiteren Gespräche machen keinen Sinn. Ich glaube, das ist Ihnen vollkommen klar.

      - Jovial antwortete Ingrid: Wir werden uns schon einig werden.

      - Wir werden sehen. An meinem guten Willen soll es nicht fehlen. Zunächst wäre es von Vorteil, wenn ich die Grundbuchauszüge für das Objekt einsehen könnte. Können Sie mir diese geben? Dann hätte ich auch gern das Original der Objekt-Bewertung.