Arnulf Meyer-Piening

Das Doppelkonzert


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sich etwas verspäten.

      - Dann setze dich noch etwas zu mir. Wir könnten vor dem großen Ansturm der Gäste noch in Ruhe ein Glas Champagner leeren.

      - Gern.

      Sie setzte sich ihm gegenüber und schlug ihre Beine lässig übereinander. Sie hatte wirklich schöne Beine und wusste das. Sie schien vollkommen entspannt und war sich ihrer anziehenden Wirkung durchaus bewusst. Er öffnete die Flasche, die sich in dem silbernen Kühler befand. Vorsichtig schenkte er den perlenden Inhalt in die Gläser. Sie stießen auf einen erfolgreichen Abend an.

      Er fand, dass sie an diesem Abend besonders gut aussah. Sie trug ein schwarzes, hautenges, etwas gewagtes Kleid, das ihre Figur vorteilhaft betonte. Obwohl er sie gut kannte, erfreute er sich immer wieder an ihrem Anblick. Er fand sie noch immer sehr sexy und freute sich auf den weiteren Abend. Er spürte, dass sie an diesem Abend noch Bedeutungsvolles erleben würden. Große Chancen und Herausforderungen erwarteten sie, wenn sie sich gemeinsam den Aufgaben stellen würden.

      - In erster Linie war er begierig zu erfahren, wer zu diesem Abendessen eingeladen war. Er wollte neue interessante Leute kennenlernen, die für seine beruflichen Ambitionen wichtig sein könnten: Zunächst einmal herzlichen Dank für die Einladung, sagte er und blickte ihr lächelnd in die Augen. Diese strahlenden blauen Augen zogen ihn in seinen Bann. Ganz besonders in diesem Augenblick. Er hätte sie gern in den Arm genommen.

      - Du musst dich nicht bei mir, sondern bei unserem Gastgeber bedanken, sagte sie mit freundlicher Zurückhaltung. Graf Ebersbach wird kommen, sobald der letzte Gast eingetroffen ist. Du solltest dich beeilen, wenn du ihn sprechen willst, denn er bleibt bei solchen Anlässen nie lange. Er ist sehr beschäftigt.

      - Das versteht sich, aber ich gehe wohl recht in der Annahme, dass du bei der Auswahl der Gäste ein kräftiges Wort mitgeredet hast. Insoweit gebührt der Dank auch dir.

      - Der Graf und ich entscheiden das gemeinsam. An erster Stelle rangieren unsere langjährigen Kunden, denen wir für die Treue zu unserem Hause zu Dank verpflichtet sind.

      - Zu diesem erlesenen Kreis der Champagner-Kunden zähle ich nicht, sagte er mit gespielter Bescheidenheit, wobei es die Wahrheit war. Du wirst also ein anderes Motiv für meine Anwesenheit gefunden haben.

      - Das stimmt schon. Aber der Graf hat mich auf dich angesprochen. Irgendjemand hat ihm von dir berichtet, dass du ein ausgezeichneter und erfolgreicher Berater seist. Und außerdem möchte er bei geselligen Veranstaltungen immer ledige Herren dabei haben, damit für die Damen etwas zum Flirten anwesend ist. Und da fiel die Wahl auf dich.

      - Er zeigte sich an diesem Thema sehr interessiert und ließ den Champagner in seinem Glas kreisen: An welche Damen hätte er dabei in Sonderheit gedacht?

      - Sie beobachtete ihn aufmerksam, denn sie wusste, dass er Interesse an schönen Frauen hatte: An erster Stelle wohl an Julia Sämann. Sie ist die Tochter des Seniorchefs der Sämann Firmengruppe. Chemisch-Pharmazeutische Werke, München.

      - Er nickte: Eine charmante und gleichzeitig auch kompetente Frau.

      - Du kennst sie? Woher? Isabelle war überrascht.

      - Unsere Beratungsfirma hat vor ein paar Jahren einen Start-up-Wettbewerb für junge Biotech-Firmen ausgeschrieben. Sie war Grundlagenforscherin, hat nach dem Studium eine Firma gegründet und sich an dem Wettbewerb beteiligt. Wir haben sie mit dem ersten Preis ausgezeichnet. Sie war in jeder Hinsicht die Beste von allen Bewerbern: Ihre Geschäftsidee war brillant, ihre Business-Pläne waren sorgfältig durchdacht und ausgefeilt. Ihre Präsentation war einfach super. Während dieser Zeit haben wir oft miteinander gesprochen. Und woher kennst du sie?

      - Ich habe ihr junges Unternehmen mit Risikokapital versorgt, sagte Isabelle und strich sich mit der Hand durch ihr langes Haar. Ich kannte ihren Vater seit vielen Jahren, mit dem ich verschiedentlich auf dem Gebiet der steuersparenden Kapitalanlagen, wie zum Beispiel Bauherrenmodelle und Hedgefonds zusammengearbeitet habe.

      - Das ist interessant. Ich freue mich, dass ich sie hier wiedersehe. Ich habe schon eine Weile nichts mehr von ihr gehört. Möchte gern wissen, was aus ihr und ihrer Firma geworden ist. Weißt du, was sie jetzt macht?

      - Genau weiß ich es nicht, sie soll noch immer in der Arzneimittel-Forschung tätig sein. Ihr Vater sagt, sie lebe in Nicaragua. Dort habe sie ein Forschungsinstitut.

      - Ist sie verheiratet?

      - Nicht, dass ich wüsste. Es hat mich auch nicht sonderlich interessiert. Bei dir scheint das anders zu sein.

      - Er wehrte ab: Reine Neugier. Ich möchte immer wissen, ob eine schöne Frau gebunden ist oder ob sie sich allein durchs Leben schlägt. Du kennst sie gut?

      - Du scheinst noch im vorigen Jahrhundert zu leben. Heute braucht eine Frau keinen Ehemann, um erfolgreich zu sein. Im Gegenteil, ein Mann ist Frauen oft auf der Leiter nach oben im Wege.

      - Man könnte sich gegenseitig helfen und sich stützen, wenn einer mal aus der Balance gerät.

      - Mag sein, aber selbstbewusste Frauen kommen ganz gut allein zurecht. Zu dieser Gruppe gehört Julia. Ich kenne die Familie Sämann schon seit ein paar Jahren. Am besten den Senior: Wolfgang Sämann hat ein paar Geldanlagen zum Steuersparen mit meiner Hilfe gemacht. Es waren sehr erfolgreiche Investitionen. Er hat dabei gutes Geld verdient.

      - Der Berater witterte eine Chance: Das klingt gut. Auf diesem Fundament ließe sich ein solides Gebäude errichten.

      - Ich denke, du solltest dich mit Herrn Sämann unterhalten. Er ist ein sehr netter und umgänglicher Mann. Wir kennen uns seit vielen Jahren gut, er ist mein Patenonkel. Mein Vater war mit ihm befreundet. Jahrelang hatten wir kaum Kontakt. In den letzten Jahren habe ich mich verstärkt um ihn gekümmert, denn es geht ihm gesundheitlich nicht gut.

      - Was fehlt ihm denn?

      - Er leidet unter einer chronischen Nieren-Insuffizienz.

      - Das ist eine heimtückische Krankheit. Warum wendet er sich nicht an seine Schwester oder an seine Tochter?

      - Er versteht sich nicht besonders mit seiner Schwester. Er fürchtet, dass sie ihm nicht wirklich helfen würde. Ich glaube, er fürchtet sogar, dass sie in Wirklichkeit sein Ableben herbeisehnt. Er misstraut ihr. Und seine Tochter ist weit weg und kommt nur selten nach Deutschland.

      - Kannst du ihm helfen?

      - Ich glaube schon. Er leidet oft unter Müdigkeit, Konzentrationsschwäche, Atemnot, Ödemen und Schmerzen. Ich helfe ihm, so gut ich es kann. Zudem habe ich das Gefühl, dass er auch in seiner Firma Hilfe gebrauchen könnte. Es wäre mir recht, wenn du dort Fußfassen könntest.

      - Ich will versuchen, sein Vertrauen zu gewinnen.

      - Du solltest auch seine Schwester Ingrid kennenlernen. Sie ist die graue Eminenz im Hintergrund und spinnt die Fäden in der Familie.

      - Was macht sie?

      - Sie leitet das Elisabeth Krankenhaus. Es gehört zu der Sämann-Gruppe. An der Gruppe ist sie mit einem Drittel des Grundkapitals als Kommanditistin beteiligt.

      - Das ist ein maßgeblicher Anteil. Was ist sie für ein Typ?

      - Sie tritt betont jugendlich auf. Des Öfteren trägt sie Netzstrümpfe und ziemlich kurze Kleider. Nicht nur privat, auch in der Klinik.

      - Ist die Kleidung in ihrer Position nicht etwas unpassend? Er versuchte sich eine nicht mehr ganz junge Ärztin im Minikleid und Netzstrümpfen vorzustellen. Mit dieser Vorstellung hatte er Schwierigkeiten.

      - Man kann es unpassend nennen. Aber ihr gefällt es. Sie liebt die Aufmerksamkeit der anderen, besonders der Männer, und sie hat schöne Beine.

      - Ist sie verheiratet? Das war eigentlich eine belanglose Frage. Und doch musste er sie stellen. Es war fast wie ein Reflex bei ihm. Er wollte seine Chancen erkunden.

      - Nein, aber die ist nichts für dich, sagte sie leicht konsterniert.

      - Warum? Ist sie gebunden?

      - Ich kenne dich. Ich weiß, auf welche Art