darauf gab er seinem Kollegen einen Befehl. Der Beamte, der das Boot steuerte, fuhr auf die Yacht zu, und schrammte an der Luvseite entlang. Es knirschte leicht.
Für Bradly war die Yacht sein Heiligtum. Mit puderrotem Kopf griff er nach einer Stange, die auf der Yacht immer griffbereit lag. Emmerson griff nach seinem Revolver. »Ich würde an ihrer Stelle den Revolver stecken lassen.«
Bodos Stimme war nicht laut. Sein Ton war scharf, warnend und unmissverständlich. Sie erinnerte an eine Klapperschlange - kurz vor dem tödlichen Biss.
Ole nahm unvermittelt eine drohende Haltung ein.
Emmerson ließ seine Hand zwar am Revolvergriff, doch seine Augen wurden wachsam. Sie tasteten Bodo und Ole ab. Nein, dachte der Beamte der Küstenwache, die sehen nicht wie die üblichen Touristen aus. Und nein, diese beiden verstehen mit Sicherheit keinen Spaß.
Fast hilfesuchend blickte er zum jungen Kollegen. Doch dieser grinste nur blöde. Er hatte den Ernst der Lage nicht erfasst. Für ihn war Emmerson der Boss, der in der Vergangenheit mit ganz anderen Typen fertig geworden war.
Auch Bodo versuchte, die Lage einzuschätzen.
Er hatte die beiden Beamten von Anfang an, als sie noch relativ weit entfernt waren, genau beobachtet. Wichtig war für ihn, dass keiner dieser Männern Funkverkehr gehabt hatte. Nur diese beiden Beamten kannten die Anwesenheit der Yacht. Bodo taxierte Emmerson: Circa fünfzig Jahre, Größe 175cm, Bauchansatz, alles andere als durchtrainiert. Ein typischer Schreibtischhengst, der in die Jahre gekommen war.
Dessen Kollege war groß, schlaksig, etwa dreißig Jahre alt - und absolut kein Intelligenzbolzen.
Ole hatte sich langsam zwischen Bodo und Bradly postiert. Er versuchte nun, in Bodos Blick zu lesen. Dieser schloss seine Lieder für drei Sekunden und machte kleine, für Außenstehende nicht erkennbare, Kopfbewegungen. Für Ole bedeuten diese, dass diese beiden Uniformierten nicht überleben durften. Sie sagten auch, dass Ole für den schlaksigen Burschen zuständig war.
In diesem Moment machte Emmerson den größten Fehler seines Lebens. Er zog den Revolver. Mit den Worten: »Ich möchte Ihre Papiere sehen«, setzte er an, vom Schnellboot auf die Yacht zu wechseln.
In Bradlys Richtung machte Bodo eine Handbewegung, dass seine Unterstützung nicht erwünscht war.
Dann ging alles sehr schnell. Bodos gezielter und blitzartiger Handkantenschlag traf Emmersons Kehlkopf hart. Der Revolver fiel krachend auf die Planken der Yacht und der Getroffene sackte in sich zusammen. Sein Kehlkopf war zerschmettert, und die lebenswichtigen Informationswege zum Gehirn waren zerstört. Emmerson war auf der Stelle tot.
Ole hatte sich blitzartig die lange Stange geschnappt, die Bradly vorhin zu Boden hatte fallen lassen. Diese Stange war mit einem Widerhaken versehen. Und dieser Widerhaken drang nun in den Nacken des Schlaksigen ein. Fast gleichzeitig zog Ole die Stange ruckartig zu sich heran.
Der Beamte landete zwischen Schnellboot und Yacht im Wasser. Der Norweger drückte den Mann lange unter Wasser.
Bradly und Marco standen wie angewurzelt.
Bodo schüttelte insgeheim den Kopf. Es war unerklärlich, wie rasch Bradlys Reflexe in den letzten Jahren degenerierten. Erst jetzt hatte dieser sich aus der Erstarrung befreit.
»Bist du blöd?«, fuhr er Bodo an.
»Ich habe dir doch gestern gesagt, dass du künftig etwas rascher und gründlicher nachdenken solltest, bevor du dein Maul aufmachst«, knurrte der Hüne aus Deutschland wütend. »Was hätten wir deiner Meinung nach unternehmen sollen? Marco, Ole und ich existieren in den Staaten offiziell doch gar nicht. Die hätten uns sofort kassiert, und in den Knast gesteckt. Spätestens morgen würde das FBI auch bei dir auf der Matte stehen. Hast du Lust, wieder in Little Guantanamo zu landen? Das hier ist ein Ausnahmezustand. Das hier ist eine Art Krieg. Kapier das doch endlich, du dummes Schwein.«
»Bodo hat recht«, sagte Marco ruhig.
»Was glaubst du, warum die Staatsmacht anfängt, alle sensiblen Gebiete hier zu sperren.«
»Wohin verfrachten wir diese Burschen?«, blaffte Bodo Bradly an.
Der dekadente Südstaatler schien den Ernst der Lage immer noch nicht erfasst zu haben. Jetzt stierte er zu Ole hinüber, der demonstrativ an den kleinen Verzierungen links und rechts der Gürtelschnalle nestelte. Bradlys Adrenalinspiegel schoss blitzartig durch die vom Alkohol verengten Gehirnwindungen.
»Einige hundert Meter weiter ist ein Sumpfgebiet«, stammelte er. »Wenn wir die Kerle etwas beschweren, sind sie rasch verschwunden. Dorthin traut sich mit Sicherheit niemand.«
»Auch das Schnellboot muss verschwinden«, sagte Bodo knapp.
»Für das Boot weiß ich eine gute Stelle«, sagte Bradly mit zittriger Stimme.
Zwanzig Minuten später waren alle Spuren verwischt. Die toten Beamten hatte das Moor geschluckt.
Ole hatte zuvor die Leichen untersucht. Sie hatten keine Chips bei sich, durch die man sie hätte orten können. Uhren und Handys steckte er ein. Er würde diese sicherheitshalber später auf See entsorgen.
Anschließend nahm Bradly das Schnellboot in Schlepptau und zog es weiter den Flusslauf hinauf. Er wusste, wo sich eine Untiefe befand. Dort musste es mindestens zehn Meter tief sein. Experten gingen davon aus, dass in diesem überdimensionalen Gumpen der Schlamm drei Meter mächtig war.
Ole brachte knapp unterhalb des Wasserspiegels zwei kleinere Sprengkörper mit Zeitzünder an. Diese würden in fünfzehn Minuten detonieren, und das Boot rasch sinken lassen. Das Boot durfte dabei unter keinen Umständen explodieren. Alle beweglichen Gegenstände wurden in die Kajüte verfrachtet, damit nichts an die Oberfläche gelangen konnte.
Als sie den North Pass gerade verlassen hatten, und sich wieder im Golf von Mexiko befanden, hörten sie zwei kleinere Detonationen. Sie klangen aus der Ferne fast wie Schüsse aus einer Schrotflinte; nur dumpfer. Das kam trotz Schonzeit schon einmal vor in diesem abgelegenen Gebiet.
Bodo hielt es für sinnvoll, nach Biloxi zurückzufahren. Bradlys Yacht würde in Venice sicher auffallen. Das musste unter den gegebenen Umständen vermieden werden. Spätestens heute Spätnachmittag und am Abend musste Bradly dadurch auffallen, wieder einmal zu tief in die Flasche geschaut zu haben. Bodo, Ole und Marco waren am Vormittag mit ihm auf einer Angeltour gewesen.
Während Marco das Steuer übernahm, kramte Bradly einige Angelruten hervor.
Kurze Zeit später war für jedermann erkennbar, dass die kleine Mannschaft von einer Angel-Safari zurückkehrte.
Das schnittige und mondäne Boot nahm Fahrt auf. Um 16:00 Uhr fuhren sie in den Yachthafen von Biloxi ein.
Die Schramme an der Yacht war zwei Meter lang und nicht tief. Der Inhaber von »let’s go« hatte noch Ersatzfarbe auf Lager.
Noch vor Sonnenaufgang würde er eventuelle Rückstände abschleifen und frische Farbe aufbringen. Bis dahin sollte sich der Weiberheld seiner Passion widmen, und möglichst oft gesehen werden.
Bodo und seine Begleiter würden sich ins Hotel zurückziehen; aber auch dort gesehen werden; den einen oder anderen kurzen Plausch mit Hotelgästen führen.
Im Hotel angekommen, mussten sie keinen Grund konstruieren. Einige Gäste diskutierten aufgeregt. Die Deepwater Horizon war heute Vormittag um 10:22 Uhr gesunken. Bodo gab sich bewusst unbedarft.
»Die werden das schon in den Griff bekommen. Bis an die Küste wird das Öl ganz bestimmt nicht kommen«, beschwichtigte er die Hitzköpfe. Bei der Gruppe handelte es sich um Sporttaucher, die von den herrlichen Unterwasser-Regionen schwärmten.
»Wie kann man nur so bescheuert sein«, fauchte einer der Taucher. »Was meinen sie, was passiert, wenn der Wind dreht oder gar Stürme aufkommen. Dann ist in der Küstennähe alles tot.« Er musterte den Hünen von oben bis unten, winkte mit seiner rechten Hand zornig.
»Solche dummen Säcke sollte man im