Kurt Pachl

Bodos zornige Seele


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Man konnte ja nie wissen.

      Bradly hatte einen Bus organisiert, und Bodo wollte es sich nicht nehmen lassen, die spanische und italienische Crew persönlich am Flugplatz von Biloxi in Empfang zu nehmen. Zur Überraschung war das Flugzeug der italienischen Gruppe bereits gelandet.

      Die Biologin Zola Corsini und Nuncio Baretta begrüß­ten den athletischen Charismatiker überschwänglich. Danach zog Nuncio einen etwa einhundertsiebzig Zentimeter großen und bärtigen Mann zu sich heran.

      »Das ist mein Freund Umberto De Cosmo. Ich habe ihm viel von dir erzählt.«

      Mit einem fast unterwürfigen Gesichtsausdruck wollte der Süditaliener Bodo die Hand reichen. Doch dieser drückte Nuncios Freund an seine muskulöse Brust.

      »Sag Bodo zu mir, mein Freund. Ole wird begeistert sein, dich zu sehen.«

      »Gracie Bodo«, antwortete der Mann aus den Bergen der Abruzzen.

      »Mich laust der Affe.«

      Bodo drehte sich rasch um.

      Die Stimme gehörte seinem Freund, Biologen und Leidensgenossen aus den Tagen von Little Guantanamo – Hachiko Yoshimura. Sie fielen sich um den Hals und Hachiko konnte sich fast nicht lösen. Schließlich wischte er sich einige Tränen von seiner Wange. Er zog mit seiner rechten Hand einen Mann zu sich heran.

      »Und diesen Burschen kennst du doch auch noch.«

      Es war Anekanekolo Durhan, der Biologe aus Hawaii.

      Sie kannten sich von einigen Aktionen bei den Eco Warriors und gemeinsam hatten sie schon im Ölschlamm gestanden und geflucht.

      »Ane, du hawaiianischer Buddha. Komm in meine Arme.«

      Bodo drückte den Mann lange und freundschaftlich.

      »Ist ja schon gut. Ich weiß, dass du stark bist und ich dick«, lachte der Hawaiianer.

      »Willkommen in Biloxi«, wandte sich Bodo mit lauter Stimme und ausgebrei­teten Armen an alle Ankömmlinge. »Ich freue mich, euch alle hier zu sehen. Danke, dass ihr gekommen seid.«

      »Ist Ole auch hier?«

      Es war Paco Matamoros. Der Spanier blickte sich erwar­tungsvoll um, während er Bodo fast nebenbei auf die Schulter klopfte.

      Die Mannschaft aus Spanien war also ebenfalls gelandet. In Biloxi waren die Abwicklungen am Flughafen rasch und reibungslos.

      »Ole ist ausnahmsweise nicht an meiner Seite. Aber du wirst ihn in wenigen Minuten sehen«, beruhigte Bodo den 185 Zentimeter großen und stämmigen Spanier, mit den maurischen Gesichtszügen, einem Dreitagbart und längeren, ungepflegten Haaren.

      Auf Tajo Corrales und Julio Ascencio war Bodo schon gespannt.

      »Na, was sagst du zu diesen beiden Prachtkerlen?«

      Paco legte seine Arme über die Schultern von zwei großen Männern.

      Rico Alviso hätte Pacos Zwillingsbruder sein können. Er und Paco hatten die gleiche Größe und Statur und die gleiche, ungepflegte Haarpracht. Er hatte einen ungepflegten Vollbart und für einen Südländer eine helle Gesichtsfarbe.

      Tajo Corrales kam aus Zaragoza. Mit einer Größe von knapp zwei Metern und großen Muskelpaketen war er eine stattliche Erscheinung. Er hatte dunkles, halblanges Haar mit hellen Strähnen und einen dunklen, gepflegten Vollbart. Tajo war Brillenträger und niemand wäre auf die Idee gekommen, dass er Spanier war.

      »Dios mio. Machos unter sich. Und wir? Sind wir so hässlich, dass man uns übersieht?«

      Es war Blanca Barreras, die feurige Spanierin, Psychologin und neuerdings Lebenspartnerin von Paco.

      Bodo und Blanca kannten sich schon mehr als zehn Jahre. Blanca war fünf Jahre älter als Bodo, aber noch verdammt attraktiv. Sie gab Bodo einen Kuss auf den Mund und himmelte ihn an.

      »Hallo, hallo«, sagte Paco mit gespielter Eifersucht.

      Alle Aktivisten lachten.

      »Und ich bin Carlotta de la Mora. Was Blanca kann, kann ich schon lange.« Mit diesen

      Worten drückte die dreißigjährige Biologin einen fast innigen Kuss auf Bodos Lippen. Carlotta war fünf Jahre jünger als Bodo. Mit ihren langen, fast schwarzen Haaren, ihrer wohlproportionierten Figur und mit ihrem Schmollmund war diese junge Biologin eine Augenweide für jeden gesunden Mann.

      Bodo reagierte rasch. Er rieb seine Lippen aufeinander und blickte nach oben, als wollte er sich an etwas erinnern.

      »Hm, Lecker. Orange? Etwas Zitrone und ein bisschen Vanille. Eben Spanien, wie es leibt und lebt«, sagte er mit genießerischer Miene.

      Alle lachten lauthals, und Carlotta verschlang den Hünen mit ihren Augen.

      »Der Bus wartet schon auf euch. Ich verspreche euch ein leckeres Essen.« Mit diesen Worten steuerte Bodo den Ausgang der Empfangshalle an. Im Gehen drehte er sich um und sagte.

      »Und danach ein Vanille-Eis.«

      Carlotta nutzte die Gelegenheit und hakte sich bei Bodo unter. Blancas Blicke verrieten allerhöchstes Interesse. Wie würde diese Geschichte weitergehen? Sie kannte die Hartnäckigkeit von Carlotta.

      Doch am späten Abend grinste Blanca überrascht. Er ist doch ein verdammt raffinierter Bursche, dachte sie. Ganz offensichtlich hatte dieser Kerl Marco gebeten, sich um Carlotta zu kümmern. Und Marco vertrat Bodo mit Begeis­terung und großer Hingabe.

      Die nachfolgenden drei Tage empfanden und verhielten sich die italie­nischen und spanischen Aktivisten wie Gäste. Die Sonne strahlte, und Bradly kümmerte sich um die Damen. Er lud sie auf die Yacht ein, und fuhr mit ihnen die Küste entlang. Weiter hinaus, südlich in Richtung der Deepwater Horizon, wollte er nicht. Hier, nicht weit von den Stränden entfernt, war der Frühling. Da draußen war die Hölle. Und Bradly liebte nun einmal den Frühling - und natürlich die Frauen.

      Bodo hatte unterdessen Ole, Nuncio, Paco, Tajo und Julio in einen Neben­raum des Hotels gebeten, um sie auf eventuelle Situationen vorzubereiten. Ole nahm erstaunt zur Kenntnis, dass Bradly nicht an diesem Treffen teilnahm.

      »Dieser Ölunfall unterscheidet sich von vielen anderen, die wir bislang kennenlernen mussten«, begann Bodo.

      »Früher sind wir angekommen, und haben einen total verschlammten Strand vorgefunden. Wir wussten genau, was wir zu tun hatten, und man hinderte uns in den meisten Fällen nicht daran. Hier wissen wir noch nicht einmal, wann, wo und in welcher Menge das Öl an Land treffen wird. Wenn es in die Flussläufe, in die Schilfmeere und in die Marschen eindringt, wird es ungemein schwierig werden, zu helfen. Was aus meiner Sicht noch schwieriger wird, ist der menschliche Sumpf, der unsere Arbeit enorm erschweren wird. Ich gehe davon aus, dass man uns nicht rechtzeitig in sensible Gebiete lässt, wo wir helfen können. Der Öl-Konzern und nahezu alle anderen Organisationen werden sich zu einem weitaus größeren und stinkenden Sumpf zusammenschließen. Aber wir sind nicht hierhergekommen, um zu beten, sondern um dort zu helfen, wo uns die Schöpfung am dringendsten braucht. Und da kann es zu … nennen wir es einmal … Zwischenfällen kommen. Am kommenden Samstag stoßen weitere knapp neunzig Aktivisten zu uns. Darun­ter sind einige Burschen, auf die ich auch stolz bin; ganze Kerle, wie ihr es seid. Bis dahin sollte diese Gruppe bereits wissen, worauf es ankommt. Kleine Blicke, ein kleines Zeichen mit den Lippen oder einem Finger … und jeder hier weiß, was er zu tun hat. Wahrscheinlich bin ich bei allen Einsätzen dabei. Aber nur einer kann eine Aktion leiten, und letztlich auf die Sekunde genau Hinweise geben. Dafür ist aus meiner Sicht Ole der richtige Mann. Mit ihm habe ich mich bereits äußerst intensiv ausgetauscht, welche Situationen eintreten könnten, und wie wir uns sinnvollerweise verhalten sollten.« Bodo machte eine sehr lange Pause und blickte dabei jedem Aktivisten viele Sekunden lang in die Augen.

      »Bitte sagt es mir … jetzt und hier …, wenn ihr mit dieser Regelung ein Problem habt. Dann muss ich mir etwas anderes einfallen lassen. Unabhängig davon ist es, mir wichtig zu betonen, dass sich niemand verpflichtet sehen soll, bei etwas