einverstanden ist, sollte kurz nicken.«
Der Mann mit den stechenden und wasserblauen Augen sah den Männern fest in die Augen. Alle nickten stumm. Danach nahm er jeden Einzelnen in die Arme.
»Danke mein Freund. Danke«, sagte er jedes Mal leise.
Anschließend drehte er sich rasch um.
Mit einem »Euch allen einen schönen Tag« verließ er den Raum, und ließ Ole mit den kräftigen Männern allein.
Marco war in seinen Laptop vertieft. Bodo stellte sich ans Fenster und sah auf die Straße und aufs Meer hinaus. Keine Welle war zu sehen, und der blaue Himmel spiegelte sich im Wasser. Boote und Yachten dümpelten leicht vor sich hin. Es war Dienstagnachmittag. Sonnenhungrige gingen bereits in Badehosen oder Bikinis am Strand entlang, oder hatten sich niedergelassen; tranken einen Longdrink oder löffelten genüsslich ein Eis.
»Wie ein surreales Gemälde«, sagte er leise.
Marco musterte Bodo kurz.
»Du hast wie immer das richtige Wort gewählt. Da draußen braut sich etwas zusammen. In zwei Tagen dreht der Wind. Am Wochenende rechnet man mit dem Schlimmsten. Dann kommt ein mächtiges Sturmtief auf uns zu. Sie haben bereits einen 1 500 Quadratkilometer großen und dicken Ölteppich gesichtet. In einer Stunde fangen sie an, diesen Ölteppich kontrolliert in Brand zu setzen. Wir werden die Rauchsäule bald sehen. Die Idioten von der Küstenwache sprechen noch immer davon, dass es nur 160 000 Liter sind, die täglich aus dem Bohrloch sprudeln. Aber einige bekannte Wissenschaftler halten das für eine verantwortungslose und kriminelle Verharmlosung. Warum soll aus dem Bohrloch plötzlich so wenig fließen, wenn der Konzern vor der Bohrung eine fünffache Menge propagiert hat.«
»Welche Menge ist bislang ausgetreten«, fragte Bodo.
»Die externen Wissenschaftler gehen von 35 Millionen Litern Öl aus. Der Konzern selbst bestreitet selbst den Ölteppich, den sie in einer Stunde abfackeln wollen.«
Marco schnipste mit den Fingern und schaute dabei in den Laptop.
»Hör dir das an. Das Heimatschutzministerium hat angeboten, Schiffe und Flugzeuge zu schicken. Und das Militär will Expertisen erstellen. Der Konzern selbst hat eine Kampagne gestartet und wirbt um die Unterstützung aller Fischer. Sie brauchen ganz dringend weitere Helfer. Und diese sollen mit ihren Booten hinausfahren und Schwimm-Barrieren ausbringen. Zum Wochenende soll zumindest für Louisiana der Notstand erklärt werden. Je nach Windrichtung und Ölmenge rechnet man damit, dass Mississippi, Alabama und sogar Florida einige Tage später sich zu diesem Schritt gezwungen sehen werden.« Hastig klickte er weitere Meldungen an. Bodo wartete geduldig.
»Hier. Wie du es vorausgesagt hast. Die EPA hat weitere Einsätze genehmigt, das Corexit 9500 zu versprühen. Gleich morgen wollen sie damit weitermachen. Wenn wir also einige Lockheed C-130 über uns hinwegdonnern hören, wissen wir, wann genau sie das Zeug versprühen.«
»Was mich schier rasend macht …«, ärgerte sich Bodo. »Mir und einigen Experten ist es nicht gelungen herauszufinden, wie giftig dieser Wirkstoff tatsächlich ist.« Er ballte dabei seine Fäuste. »Ende März, nach dem Exxon-Valdez-Desaster, hat man dieses Zeug massenweise versprüht. Bis heute … also nach 21 Jahren … gibt es keine öffentlich zugängliche wissenschaftliche Studie darüber, welche Auswirkung dieser Stoff mittel- und langfristig hatte oder hat. Eines ist mir bekannt: In England wird dieses Zeug als giftig eingestuft, und darf deshalb nicht ausgebracht werden. Aber hier, in den Staaten, ist es plötzlich wieder einmal erlaubt. Irrwitzig daran ist, dass dieses Corexit von Nalco produziert und vertrieben wird. Und der Geschäftsführer dieses Konzerns saß früher im Management des Öl-Konzerns, der heute für diese Scheiße hier verantwortlich ist.«
»Warum sprühen die dann dieses giftige Zeug überhaupt aus? Du weißt das doch mit Sicherheit.«
Bodo setzte sich auf einen Stuhl neben Marco.
»Ich habe mich mit einigen Fachleuten kurzgeschlossen. Am einfachsten kann ich es dir nur so erklären: Wenn du in deiner Spüle sauberes Wasser einlässt, könnte sich ein Fisch darin lange putzmunter tummeln. Jetzt gibst du deine verdreckte Bratpfanne ins Wasser. Ein kleiner Teil der Speisereste löst sich auf. Der Fisch würde jetzt immer noch überleben. Er würde sogar anfangen, die Speisereste zu futtern. So … und jetzt gibst du nur einen Spritzer Spülmittel hinzu. Das Öl, welches an der Pfanne haftet, wird aufgelöst oder anders ausgedrückt - aufgeschlossen. Jetzt kannst du die Pfanne problemlos saubermachen. Das Fett bzw. das Öl müsste eigentlich an der Oberfläche schwimmen. Es hat sich jedoch mit dem Wasser verbunden; dispergiert, wie die Fachleute sagen. Und dabei entzieht es dem Wasser dreißig oder mehr Prozent Sauerstoff.
Der Fisch hat jetzt die Wahl. Entweder er stirbt am dispergierten Spülmittel … oder er verendet später qualvoll an Sauerstoffmangel. Allerdings muss das Corexit weitaus wirkungsvoller sein als Spülmittel. Das sagt die Logik. Wir wissen darüber hinaus, dass jede Rohölsorte in sich unterschiedlich hohe Giftstoffe enthält. Man kann es also in keinster Weise mit dem Speiseöl in der Bratpfanne vergleichen. Unzweifelhaft ist, dass sich dieses Corexit in Verbindung mit dem giftigen Rohöl um ein Vielfaches potenziert, wie die Wissenschaftler es ausdrücken. Diese neue Mischung kann um ein Zehnfaches oder vielleicht sogar um ein Hundertfaches giftiger sein, als jeder der beiden Stoffe in sich. Ich gehe fest davon aus, dass dies die Wissenschaftler von Nalco verdammt genau wissen. Und der Konzern wird alles nur Erdenkliche unternehmen, um dieses Wissen unter Verschluss zu halten.«
»Aber das muss sich doch irgendwann von selbst wieder regenerieren.«
»Du sagst es. Irgendwann. Im warmen Wasser dauert es vielleicht zehn oder fünfzehn Jahre. Aber weiter unten ist das Wasser saukalt. Fast wie am Nordpol. Da dauert es vielleicht zehn Mal länger. Ich habe gestern telefoniert und gehört, dass diese Burschen bereits damit begonnen haben, mittels Tauchroboter, dieses Mittel in unmittelbarer Nähe des Austrittes, das heißt in 1.500 Meter Tiefe auszubringen. Der Teppich aus diesem Gemisch treibt also in einer uns völlig unbekannten Tiefe. Dort jagen zum Beispiel die Walhaie oder andere größere Fische. Die saugen ja riesige Mengen Wasser durch ihre Kiemen. Diese Kiemen sind bereits nach wenigen Minuten total verstopft. Ende. Aus. Diese Wolken driften aber auch weiter nach oben. Und im Golf von Mexiko gibt es schätzungsweise an die 3 000 Delfine, hunderttausende Schildkröten, Austernzuchtbänke und so weiter. Was meinst du, welche Auswirkungen das allein für die heimische Austern-, Fisch- und Shrimps-Industrie haben wird; völlig losgelöst von der Auswirkung auf die Billionen anderer Lebewesen im Golf. Ich kann mir vorstellen, dass der lebenswichtige Krill oder viele andere Kleinstlebewesen, von denen sich Fische und andere Tiere ernähren, absterben oder stark kontaminiert werden. Und diese Scheiße bleibt ja nicht im Golf von Mexiko. Die Strömungen tragen es ja hinaus in die Ozeane – rings um diese Erde; dorthin, wo bereits Unmengen von anderen Havarien, Verklappungen und Einleitungen treiben; zusammen mit den Unmengen an Müll. Hinzu kommen in den wärmeren Gewässern die Auswirkungen der Treibhausgase, der Methangase und was weiß ich noch alles. Und hinter dieser ganzen Scheiße stecken … man wagt es nicht zu sagen … angeblich intelligente Menschen. Was für ein Wahnsinn.«
Bodo sackte leicht in sich zusammen. Marco stierte in den Laptop. Er hatte aufgehört, nach weiteren Hiobsbotschaften zu suchen.
»Uns hat man eingesperrt«, seufzte Bodo leise.
»Uns hat man als Terroristen bezeichnet. Weil einige der Aktivisten ein Labor in die Luft gejagt haben, worin sie tausende Affen, Hunde, Katzen und Ratten jahrelang unsäglich quälten. Dabei zweifeln mittlerweile viele Wissenschaftler den Sinn und den Nutzen dieser Versuche an. Es war dieser Idiot von Matt Craig, der uns erklärte, dass wir damit einen finanziellen und ideellen Schaden angerichtet haben. Der Wortlaut des neuen Bundesgesetzes zielte explizit nicht auf den tatsächlich entstandenen Schaden ab. Den sogenannten Gesetzeshütern und der dahinterstehenden Wirtschaftsmacht ging es fast ausschließlich darum, eine Art Exempel zu statuieren. Ihnen ging es darum, die Zufuhr an Aktivisten im Keim zu ersticken. Ihnen ging es, wie Craig es ausdrückte, um den ideellen und eher imaginären Schaden, den diese Terroristen auf Sicht gesehen hätten anrichten können. Diese Philosophie war in keinster Weise mit demokratischen