Kurt Pachl

Bodos zornige Seele


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Sie alle kannten Bodo von vielen Umweltrettungsaktionen.

      Die Biologin Malvina Haddock aus England bat im Namen von Peggy Fairchild um Entschuldigung. Peggy wurde durch einige schwierige Patienten an ihre Psychiatrie gebunden.

      Malvina ist noch hübscher geworden, dachte Bodo. Ihr sah man die Einundvierzig nicht an. Mit Duncan Drake, dem IT-Spezia­listen, korrespondierte Marco fast wöchentlich.

      »Dein Freund flirtet mit dieser hübschen Dame da hinten«, begrüßte Duncan Drake seinen Freund Bodo.

       »Das ist Iris Saß aus Frankfurt.«

      »Soso, das also ist deine Iris.«

      Bodo hätte gerne gefragt, was Duncan mit dieser Bemerkung gemeint hatte. Doch die große Hand von Errol Dennehy auf seiner Schulter ließ ihn leicht zusammenzucken.

      Errol war ein athletischer Sicherheits-Experte aus England. Er hatte Bodo bereits bei zwei Aktionen gegen japanische Walfänger begleitet.

      »Endlich kann ich Sie persönlich kennenlernen«, begrüßte Bodo die Biologin und Indianerin Awanasa Archambeau.

      »Sage bitte Awa zu mir. So nennt mich auch Amaro. Sonst könnte ich nicht Bodo zu dir sagen.«

      Bodo gab Awa einen Kuss auf die Wange. Das also war die Frau von Amaro Nguyen, mit dem er so lange in Little Guantanamo eine Zelle geteilt und der ihn vor zwei Wochen bei der Aktion gegen die Robbenschlächter begleitet hatte.

      Auch Priscilla Evrard, eine Ärztin aus Kanada, lernte Bodo erst heute ken­nen. »Mayana, meine mexikanische Orchidee.«

      Bodo umarmte Mayana Robles. Sie hatte die südamerikanische Zelle der Friends oft the Earth aufgebaut; zusammen mit der Biologin Rosabella Talamantes aus Brasilien.

      »Das ist Cristobal Ycayo aus Ecuador«, sagte Rosabella.

      »Er wollte dich unbe­dingt einmal persönlich kennen lernen.«

      Der 160cm große Indio mit tiefschwarzen, fransigen Haaren streckte Bodo die Hand entgegen. Er sah Bodos fragenden Gesichtsausdruck.

      »Ich spreche fließend Englisch, habe studiert und schieße noch perfekt mit dem Blasrohr«, sagte der Mann aus Ecuador mit einem breiten Grinsen.

      »Es würde mich glücklich machen, wenn Sie in den nächsten Tagen eine halbe Stunde Zeit für mich hätten.«

      Bodo ergriff die Hand des Indios mit seinen beiden Händen.

      »Bitte sag »Bodo« zu mir. Selbstverständlich nehme ich mir so viel Zeit, wie wir brauchen. Ich habe mich über die Probleme in deinem Land auf dem Laufenden gehalten. Und ich verspreche dir, dass ich, sobald es mir zeitlich möglich ist, nach Ecuador reisen werde.«

      Er legte seine Hand auf Cristobals Schulter.

      »Dann bringst du mir bei, wie man mit dem Blasrohr schießt. Abgemacht?«

      Der Akademiker aus den Sümpfen Ecuadors schüttelte nun mit seinen beiden Händen die von Bodo.

      »Ich freue mich. Danke Bodo. Danke.«

      Zum Schluss begrüßte Bodo die äußerst gepflegte Biologin Amaya Avenalleda, die ihn anhimmelte, und darauf bestand, ihm ein zartes Küsschen auf die Wange zu hauchen. Dazu musste sich Bodo zu ihr herunterbeugen. Amaya schlang kurz ihre Arme um Bodos Nacken.

      Die Umstehenden lachten und klatschten.

      Bodo löste sich von der Gruppe und ging mit raschen Schritten zu Iris und Marco, die etwas abseitsstanden.

      »Was, um alles in der Welt, habt ihr so lange zu quasseln?«

      Mit diesen Worten wollte Bodo Iris einen Kuss auf die Wange geben. Doch sie nahm ihn in die Arme und drückte sich für einige Sekunden an ihn. Sie versuchte, einen Augenkontakt herzustellen.

      Mit Interesse verfolgten einige Damen diese Szene.

      »Wir haben Hunger«, rief Ann Chandler laut, und machte dabei einen sehr säuerlichen Eindruck.

      Bodo löste sich rasch von Iris und winkte.

      »Wir haben zwei Busse direkt vor der Türe stehen. Wenn wir einige von diesen Schönheiten schon vor einer halben Stunde gehabt hätten, wäre es billiger geworden, diese Plätze zu reservieren.«

      Gegen Abend hatten sich alle Aktivisten im Speiseraum des Nachbarhotels versammelt. Der Frühstücksraum in Bradlys Hotel wäre für 110 Personen zu klein geworden. Trotzdem musste die bunte Truppe eng zusammenrücken. Aber vielleicht kam gerade deshalb eine gute Stimmung auf. Viele hatten sich seit mehreren Jahren nicht mehr gesehen. Es war das erste Mal, dass Aktivisten aus so vielen Ländern zusammenkamen. Einige waren völlig neu in dieser großen Gruppe. Darüber freute sich der Gastgeber besonders.

      Bodo hatte Bradly gebeten, zwei Männer vor dem Hotel zu postieren. Weitere drei kräftige Männer aus Biloxi patrouillierten auf der gegenüber­liegenden Straßenseite, von wo aus beide Hotels überwacht werden konnten; unauffällig.

      Bevor das Essen und die Getränke serviert wurden, wollte Bodo eine An­sprache halten. Als er aufstand, und an sein Glas klopfte, wurde es schlagartig ruhig im kleinen Saal. »Das hier ist unser Freund Bradly«, begann er gutgelaunt, und legte seinen Arm auf Bradlys Schulter. »Im gehört das Hotel nebenan. Und diesem Burschen gehören auch unzählige Frauenherzen in dieser Stadt. Also Ladys: Passt auf eure Unschuld auf.«

      Alle lachten, und der stämmige Bradly grinste zufrieden und leicht verlegen.

      Danach wurde Bodos Gesichtsausdruck rasch ernster.

      »Danke meine lieben Freunde, dass ihr hierher, an den Golf von Mexiko, gekommen seid. Es scheint unser aller Schicksal zu sein, dass wir uns immer nur dann zusammenfinden, wenn unserer Mutter Erde wieder einmal Leid zugefügt wurde. Es fällt mir zunehmend schwerer, sagen zu müssen, dass uns nur, wie so viele Male, eines übrigbleibt: Wir müssen wieder einmal retten, was zu retten ist. Auch diese Tragödie konnten wir im Vorfeld leider nicht verhindern.«

      Er schluckte kurz. Eine einzige Träne rollte über seine rechte Wange. Einige Anwesende, die nur wenige Meter von ihm entfernt saßen, zuckten unwill­kürlich zusammen. Auch Iris, die sich auf jedes Wort, jede Mimik und jede Gestik konzentrierte, hatte diese Träne ebenfalls gesehen.

      »Verdammt. Ich schäme mich jetzt nicht dafür, dass ich mir Sorgen um unsere Schöpfung mache … und dass mich das zunehmend mehr bewegt.«

      Bodo machte eine Kunstpause und lächelte Hachiko an.

      »Hachiko mein Freund. Fünfundsechzig Tage hast du es in dreißig Metern Höhe ausge­halten. Tag und Nacht. Auch im Regen. Der riesige Mammutbaum, tausende Jahre alt, durfte weiterleben. Wer weiß … vielleicht wird er noch stehen, wenn es keine Menschen mehr auf dieser Erde gibt.«

      Er blickte wieder in die Runde.

      »Dafür haben sie Hachiko nach Little Guantanamo verfrachtet - und ihn dort fast jeden Tag verprügelt. Hier unter uns sind fünfzehn weitere Öko-Krieger, die durch die Hölle von Little Guantanamo gegangen sind. Ich war auch einer von diesen sogenannten Öko-Terroristen.«

      Nun blickte er zu Ole.

      »Ole mein Freund. Um ein Haar hätten dir die japanischen Walschlächter den Garaus gemacht. Was würde ich ohne dich machen?«

      Bodo breitete nun beide Hände aus.

      »Und mit den meisten Freundinnen und Freunden hier im Raum habe ich schon oft im kalten und stinkenden Ölschlamm gestanden: In Wales, in der Bretagne, wo über dreihunderttausend Seevögel jämmerlich verendeten. Wir konnten nur einen kleinen Teil retten. Oder an der spanischen Westküste, wo sich über siebenhundert Helfer ärztlich behandeln lassen mussten. Wir haben gemeinsam gefroren. Wir haben geflucht. Wir haben gebetet. Und fast jeder von uns kennt dieses Gefühl: Dieser Vogel - von den vielen Hunderttausenden - dieser eine Vogel, den wir über eine Stunde gereinigt, und den wir gestreichelt hatten … Der wird und der muss überleben. Und dann - dann sackt trotzdem das Köpfchen nach unten. Immer dann kroch eine dumpfe Ohnmacht